header-placeholder


image header
image
csm M 0037 42036 Hoffotografen 15a33e8a5f

Ungebremste Deindustrialisierung? Strukturstärkungsgesetz verfehlt Wirkung für Kohleregionen


Berlin, 19. Dezember 2019 – Das geplante Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen muss aus Sicht der Chemieindustrie in Ostdeutschland nachgebessert werden. Es reicht in seiner jetzigen Form nicht aus, um die vom Strukturwandel bedrohten Kohleregionen in der Lausitz und im mitteldeutschen Revier vor einer neuerlichen Deindustrialisierung zu schützen. Durch die Streichung der im ersten Gesetzentwurf noch vorgesehenen steuerlichen Sonderabschreibung für die Privatwirtschaft drohen eine Deindustrialisierung, die Abwanderung von Fachkräften und die Entsiedlung ganzer Regionen.  

Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah die unbürokratische Investitionsförderung für die Privatwirtschaft in Form einer steuerlichen Sonderabschreibung für Unternehmen von bis zu 50 Prozent bis zum 1. Januar 2039 vor. In der Industrie sieht man in der Streichung der Sonderabschreibung eine vergebene Chance. „Investierende Unternehmen sind der Motor einer erfolgreichen Strukturentwicklung in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen. Nur Industrieunternehmen sind in der Lage, den rund 17.000 direkt und indirekt Beschäftigten aus den ostdeutschen Braunkohlerevieren adäquate und gutbezahlte Arbeitsplätze zu bieten. Allerdings werden ohne Sonderabschreibungen die gewünschten Investitionen und Neuansiedlungen ausbleiben. Und wenn die Industrie auf der Strecke bleibt, werden komplette Regionen abgehängt“, begründet Nora Schmidt-Kesseler (Foto), Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände, die Kritik am Gesetzentwurf. Sie ergänzt: „Ohne zahlungskräftige Fachkräfte in den Regionen bestehen auch für die örtliche Wirtschaft und Kleinbetriebe kaum Überlebenschancen. Ganze Landstriche könnten veröden.“

Das Wegbrechen der Braunkohleindustrie vollzieht sich vor dem Hintergrund einer demografisch ungünstigen Sondersituation: Nach heutigen Hochrechnungen wird die Erwerbsbevölkerung in den fünf ostdeutschen Flächenländern schneller schrumpfen und altern als in jedem anderen Bundesland (mit Ausnahme des Saarlands). Der Rückgang der Erwerbstätigenzahl wird, wenn man nicht gegengesteuert, durch den Kohleausstieg noch verstärkt.

Zwar sieht das Gesetz formal eine Förderung der betroffenen Regionen mit bis zu 40 Milliarden Euro vor, doch ein Großteil der Förderung bezieht sich auf ohnehin schon geplante Infrastrukturvorhaben. Ein erfolgreicher Strukturwandel hängt neben dem Ausbau der erforderlichen Infrastruktur jedoch maßgeblich davon ab, dass sich die Privatwirtschaft ansiedelt, um den Wegfall von Beschäftigung durch den Kohleausstieg zu kompensieren und Wertschöpfungsketten zu erhalten. Durch die Streichung der Sonderabschreibungen fehlen Anreize für unternehmerische Investitionen.

Das kritisieren auch Wirtschaftsvertreter aus den unmittelbar betroffenen Regionen: „Viele Projekte, die gefördert werden sollen, sind Infrastrukturvorhaben, die bereits in Bundesprogrammen enthalten sind. So entstehen keine zusätzlichen Impulse für unsere Industrie. Die Intention des Kohlekompromisses war eine andere: erst Aufbau neuer Strukturen, dann Ausstieg aus der Kohleverstromung“, sagt Dr. Christof Günther, energiepolitischer Sprecher des Verbandes der Chemischen Industrie e.V., Landesverband Nordost.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff hatte bereits im Bundesrat die Streichung der Sonderabschreibung kritisiert. Er bedauere, dass das Gesetz keine direkten Anreize für Unternehmen enthielte, sagte er im Plenum. Die Möglichkeit von Sonderabschreibungen bei Investitionen im Revier, wie im früheren Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums bereits enthalten, wäre laut Haseloff ein wichtiges Signal gewesen.