Nach
Trump-Äußerung: Deutsche Herzstiftung und
Herzspezialisten warnen vor voreiligem Einsatz beider Wirkstoffe in
Kombination. Ihr Nutzen ist bis heute nicht bewiesen, zudem besteht ein Risiko
durch lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen.
(Frankfurt
am Main) Die Deutsche Herzstiftung und Herzspezialisten warmen vor den jüngsten
Äußerungen des US-amerikanischen Präsidenten ein sofortiger versuchsweiser
Einsatz des Anti-Malariamittels Chloroquin Kombination mit dem Antibiotikum
Azithromycin könne bei COVID-19-Erkrankten einen Durchbruch bringen.
Hierzu
äußerte sich bereits in Medienberichten der Direktor des nationalen Instituts
für Allergien und Infektionskrankheiten der USA, Anthony Fauci: Es gebe bislang
nur vereinzelte Berichte über eine Wirksamkeit des Medikaments (Chloroquin),
aber keine ernsthaften klinischen Studien, so ein dpa-Bericht. „Erst recht gibt
es keine ernstzunehmenden Berichte über die Kombinationstherapie von Chloroquin
und Azithromycin“, gibt der Kardiologe und Pharmakologe Prof. Dr. med. Thomas
Meinertz vom Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung
(www.herzstiftung.de) zu bedenken. „Man weiß aber, dass jedes der beiden
Medikamente zu bösartigen Herzrhythmusstörungen führen kann und sich eine
Kombinationstherapie beider Medikamente eigentlich verbietet.“
Bevor
eine solche problematische Therapie zum Einsatz komme, so die Forderung von
Meinertz, müsse man deren Wirksamkeit und Nebenwirkungshäufigkeit unter
klinischen Bedingungen, ganz überwiegend in vergleichenden Untersuchungen
(randomisiert) mit anderen Medikamenten, kritisch untersuchen. „Nur dann, wenn
die Wirksamkeit die Nebenwirkungshäufigkeit bei weitem überwiegt – was durchaus
sein könnte – ist ein klinischer Einsatz einer solchen Therapie
gerechtfertigt.“
Vor
Einsatz beim Patienten: Kombinationstherapie muss erst klinisch erprobt werden
Deutsche
Herzstiftung und Herzspezialisten warnen jedoch davor, die Kombinationstherapie
von Chloroquin und Azithromycin zum jetzigen Zeitpunkt klinisch einzusetzen.
Sie muss zuvor in klinischen Studien erprobt werden. Beide Medikamente können
in jeweils seltenen Fällen, häufiger aber bei Patienten mit vorbestehender
Herzerkrankung, bösartige Herzrhythmusstörungen (Kammerflimmern) mit zum Teil
Todesfolge auslösen. Der Mechanismus, das sogenannte Long-QT-Syndrom (LQT), ist
für beide Medikamente ähnlich: eine Verlängerung des QT-Intervalls und eine
damit einhergehende elektrische Instabilität des Herzens.
Im
EKG-Diagramm der Herzstromkurve zeigt sich hierbei eine sichtbare Verlängerung
des Intervalls zwischen dem Beginn der Q-Zacke und dem Ende der T-Welle. Man
muss davon ausgehen, dass sich diese gefährlichen Nebenwirkungen beider
Medikamente addieren: „Chloroquin verlängert in höheren Dosen die QT-Zeit
deutlich. Gibt man dann Azithromycin, das selbst die QT-Zeit meist nur mäßig
verlängert, dazu, kann sich die QT-Zeit noch einmal verlängern“, darauf weist
der Heidelberger Herzspezialist Prof. Dr. med. Klaus von Olshausen, ehemaliger
Chefarzt der Abteilung für Kardiologie der Asklepios-Klinik Hamburg Altona,
hin.
Empfehlung
des US-Präsidenten unvertretbar und fahrlässig
Demnach
ist die Empfehlung des US-amerikanischen Präsidenten unvertretbar und
fahrlässig. Sollte sich in klinischen Studien, die derzeit durchgeführt werden,
herausstellen, dass eine solche Kombinationstherapie effektiv ist, „müsste
diese unter EKG-Monitor-Kontrolle und intensivmedizinischer Überwachung
durchgeführt werden. Allerdings immer nach dem Prinzip: Der Nutzen der Therapie
muss das mögliche Risiko deutlich überwiegen“, betont von Olshausen. Sollte
dies der Fall sein, könnte eine kombinierte Therapie beider Medikamente trotz
ihrer Risiken durchaus infrage kommen. Unter welchen Bedingungen und unter
welcher Überwachung, ist dann zu klären.
Forschung
setzt Hoffnung in Anti-Malaria-Medikament
Die bisherigen Erfahrungen zur Behandlung von COVID-19 Infektionen beziehen sich praktisch ausschließlich auf Chloroquin als Einzeltherapie. Zur Kombinationstherapie mit Azithromycin liegen praktisch keine belastbaren klinischen Ergebnisse vor. Die Erfolge der Chloroquin-Therapie erwecken große Hoffnungen, ohne bislang bewiesen zu sein. „Bei dieser Therapie ist – trotz der relativ hohen Dosierung – das Risiko tödlicher Herzrhythmusstörungen deutlich geringer als bei einer Kombinationstherapie“, so die Einschätzung von Meinertz. „Es ist zu erwarten, dass hier mögliche günstige Wirkungen die negativen Auswirkungen auf den Herzrhythmus überwiegen.“ In jedem Fall erfordere auch hier eine relativ hoch dosierte Therapie mit Chloroquin (zweimal 500 mg täglich) eine Überwachung des EKGs beziehungsweise des Herzrhythmus.
Laut
Medienberichten planen Forscher, darunter das Tübinger Institut für
Tropenmedizin, das Antimalariamedikament Chloroquin im Kampf gegen
Corona-Erkrankungen an Menschen zu testen. Mit Verweis auf den Institutsleiter
Peter Kremsner wirke das Antimalaria-Medikament im Reagenzglas auch gegen das
Virus Sars-CoV-2, so ein dpa-Bericht. Auch seien in China und Italien dem
Institutsleiter zufolge Covid-19-Patienten mit Chloroquin behandelt worden.
Unklar sei aber, ob mit Erfolg, da die Erkrankten Chloroquin teils in sehr
hoher Dosierung und gemeinsam mit vielen weiteren Medikamenten bekommen hätten,
wie die dpa berichtet. „Es kann auch sein, dass es nicht wirkt oder sogar
schadet", wird Kremsner von der dpa zitiert.
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/ Foto: © Deutsche Herzstiftung 2020