Buxtehude. Jeder könne selbst etwas tun, um sich vor Krebs zu schützen, twitterte der
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und verwies auf Sonnencreme gegen
Hautkrebs. Eine Reihe von Betroffenen reagierte damals empört. Der Krebs sei
allen Vorsichtsmaßnahmen zum Trotz bei ihnen ausgebrochen. Heißt das, dass man
sich vor dieser Krankheit nicht schützen kann? Informationen zur
Hautkrebsvorbeugung und dem notwendigen UV-Schutz liefert Prof. Eckhard
Breitbart.
Stimmt die Grundbotschaft und das Glaubensbekenntnis der
Krebsvorbeugung nach allem was wir heute wissen noch? Kann tatsächlich jeder
selbst etwas tun, um Hautkrebs beispielsweise zu vermeiden?
Breitbart: Krebs komplett vermeiden - das können wir
leider nicht. Genetische Faktoren spielen eine Rolle und pures Pech leider
auch. Was aber jeder aktiv tun kann, gerade bei Hautkrebs, ist Risikovermeidung
und damit die Wahrscheinlichkeit senken, an Hautkrebs zu erkranken. Wir wissen,
dass die krebserregende UV-Strahlung der Sonne und auch aus Solarien der
Hauptrisikofaktor für die Entstehung von Hautkrebs ist und dass vor allem
Sonnenbrände in der Kindheit das Hautkrebsrisiko erhöhen. Also sollten wir in
unserem Alltag darauf achten, nicht zu viel davon abzubekommen. Insgesamt kommt
es dann auch zu weniger Hautkrebserkrankungen in der Gesellschaft.
Selbsthilfegruppen von Hautkrebserkrankten setzen sich genau deshalb auch für
die Prävention von Hautkrebs ein und versuchen andere - gesunde - Menschen für
einen verantwortungsvollen Umgang mit UV-Strahlung zu sensibilisieren.
Nun sind diese Hinweise zum Sonnenschutz, z.B. auch der
UV-Index, eigentlich sehr grob und allgemein gehalten. Geht das nicht präziser?
Breitbart: Der UV-Index ist ein wunderbares Instrument um
die UV-Strahlung besser einzuschätzen. Das ist nämlich unser Hauptproblem: Wir
sehen zwar, wenn es schön hell ist und spüren die Wärme der Sonne. Ihre UV-
Strahlung können wir mit unseren Sinnen aber nicht wahrnehmen und ziehen daher
schnell falsche Schlüsse. Im April ist die UV-Strahlung zum Beispiel etwa so
intensiv wie im August. Je nachdem wie hoch der UV-Index ist, gibt es dazu
Schutzempfehlungen, die von internationalen Fachexperten abgestimmt wurden. Wie
zum Beispiel mittags Schatten aufsuchen oder bei hoher UV-Intensität in
Gebäuden aufhalten und die Haut durch sonnengerechte Kleidung und Sonnencreme
schützen.
Bei diesen mit Absicht einfach gehaltenen Empfehlungen
geht es vor allem darum, unser Bewusstsein zu schärfen: Besser morgens joggen
gehen als in der Mittagssonne, zum T-Shirt greifen statt zum Trägertop, die
Picknickdecke unter einem Baum ausbreiten statt mitten auf der Wiese, im
Sommerurlaub ab ins Museum während der Mittagsstunden und so weiter - da kommt
eine ganze Menge zusammen, was gar nicht so selbstverständliche Gewohnheiten
sind.
Aber woher weiß ich denn dann wie viel Sonne gut für mich
ist? Also wie lange ist es ungefährlich, draußen zu sein?
Breitbart: Von der Idee, dass wir so und so viele Minuten
draußen in der Sonne bleiben können ohne dass Gefahr droht, müssen wir uns
leider verabschieden. In dem Moment, in dem ich aus dem Haus gehe, habe ich in
wenigen Sekunden erste Schäden an der Erbsubstanz, der DNA. Das lässt sich
überhaupt nicht vermeiden. Auch bei Sonnencreme kann immer etwas UV- Strahlung
durchkommen. Der Großteil der Schäden wird durch ein körpereigenes
Reparatursystem ausgemerzt. Es können aber immer geschädigte Zellen
zurückbleiben, dauerhaft. Je öfter das passiert, desto höher das
Hautkrebsrisiko. Es gibt nach herrschender wissenschaftlicher Meinung keinen
Schwellenwert für UV-Strahlung, ab dem dann Hautkrebs auftauchen kann. Das hat
zusammenfassend das Wissenschaftliche Kommittee für Gesundheit, Umwelt- und
Lebensrisiken (Scheer) der EU-Kommission schon 2016 mit Bezug auch auf
künstliche Strahlungsquellen in einem mehrere hundert Seiten umfassenden
Gutachten festgestellt.
Quelle: Scientific Committee on Health, Environment and
emerging risks (Scheer) Opinion on biological effects of ultraviolet radiation
relevant to health with particular reference to sunbeds for cosmetic purposes,
Luxemburg 2016.
Ist Hautkrebs also letztlich doch schicksalhaft?
Breitbart: Zumindest wird Hautkrebs wohl eine sehr
verbreitete Krankheit bleiben. Allein schon, weil unsere Gesellschaft es
geschafft hat, so alt zu werden. UV-Schäden sammeln sich in der Regel über
Jahrzehnte hinweg an und werden dann im Alter zu Hautkrebs. Früher, vor
mehreren hundert Jahren, als der Lebensaltersdurchschnitt bei 30 bis 40 Jahren
lag, haben die Menschen Hautkrebs so gut wie nicht gekannt. Auch unsere Kultur
hat großen Einfluss. Viel mehr Menschen können sich Urlaub in sonnigen Ländern
leisten und vergessen dort oft die Gefahr der UV-Strahlung.
In Parks und öffentlichen Plätzen fehlt es teilweise an
Schattenplätzen. In den 80er und 90er Jahren kam mit den Solarien ein neues
Schönheitsideal auf, bei dem sich Dermatologen die Haare sträuben.
Bräune ist eine Schutzreaktion der Haut,
eine Warnung, dass die UV-Belastung sehr hoch ist. Geschlecht scheint eine
Rolle zu spielen: Bis zu einem Alter von 55 Jahren erkranken mehr Frauen, was
zum Teil auch auf die Solariennutzung zurück geführt wird, im späteren Alter
dafür wesentlich mehr Männer.
Es gibt also einen ganzen Mix an Umweltfaktoren und auch
genetischen Faktoren wie den Hauttyp. Auf vieles davon können wir aber Einfluss
nehmen - durch medizinischen Fortschritt, die Gestaltung unserer Umwelt und
auch unser Verhalten.
Was leistet die Hautkrebsfrüherkennung, insbesondere das
GKV-Hautkrebs-Screening, im Kampf gegen den Hautkrebs?
Breitbart: Während wir durch UV-Schutz versuchen, das
Hautkrebsrisiko zu senken, soll Früherkennung helfen, Krebs früh zu entdecken.
Wichtig zu verstehen dabei ist, dass das Hautkrebs-Screening eine Art
Aussiebungsprozess ist. Es richtet sich an Menschen ab 35 Jahren, die sich
gesund fühlen, also an sehr viele Menschen. Mit dem kurzzeitigen und
schmerzfreien Screening wird nach verdächtigen Hautstellen geschaut, mehr erst
einmal nicht. Falls das Screening-Ergebnis positiv ist, folgen weitere
Schritte. Das bedeutet noch lange nicht, dass man Hautkrebs hat, sondern dass
die Wahrscheinlichkeit dafür höher ist, als bei Menschen mit negativen
Screening-Ergebnis, was die Masse darstellt. Bei sorgfältiger Durchführung kann
das Screening, Hauttumore in einem frühen Stadium entdecken, was die
Heilungschancen deutlich erhöht und die Behandlung schonender macht.
Viele
Krankenkassen bieten das HKS schon ab 18 Jahren an und unter jungen Frauen bis
35 Jahre ist das maligne Melanom nach Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung.
Bedeutet das, dass der Einsatzpunkt für das gesetzliche Hautkrebsscreening in
der gesetzlichen Krankenversicherung mit 35 Jahren zu spät liegt?
Breitbart: Die Altersgrenze wurde vor Einführung des
Hautkrebs-Screenings intensiv diskutiert. Man hat sich gesellschaftlich
entschieden, es bei einem Einstiegsalter in die GKV-Hautkrebsfrüherkennung bei
35 Jahren zu belassen, weil die Zahl der Melanom-Erkrankungen insgesamt erst
danach in der Menge deutlich ansteigt. Das Ganze ist aber auch schon über 10
Jahre her und es wird gerade intensiv diskutiert, wie das bisherige Screening
zu bewerten ist.
Dieser Prozess zieht sich aber wahrscheinlich noch etwas,
da die Datenlage nicht eindeutig ist.
Wenn die Entwicklung so wie von Ihnen dargestellt
verläuft und die Masse der Hautschäden schon in Kindheit und Jugend erworben
wird, ist der UV-Schutz für Ältere jenseits der 50 doch eigentlich entbehrlich,
oder?
Breitbart: Die Haut begleitet uns ein ganzes Leben lang,
da schadet es auch nicht, sie auch das ganze Leben bestmöglich zu schützen,
nicht nur was Hautkrebs betrifft. Gerade wenn das "Sonnenkonto" der
Haut schon überzogen ist, sollte man es nicht noch schlimmer machen. Neue Hautkrebse,
vor allem Basalzellkarzinome, können immer entstehen. Zumal heute viele
wirklich sehr, sehr viel älter werden. Die Altersgruppe der über 90- und
100-jährigen ist die bei uns prozentual am stärksten wachsende Alterskohorte.
Und hohe UV-Belastungen gehen auch zu Lasten des Immunsystems. Auch an
Hautkrebs erkrankte Menschen sind deshalb aufgerufen, verantwortlich mit der
UV-Strahlung umzugehen, das Ganze nennt sich dann tertiäre Prävention.
Das Interview führte Ralf Blumenthal/BVDD
Text - Quelle: Berufsverband der Deutschen Dermatologen
e.V.
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