Foto: Grüne Schubkarre auf einem
Rasen gefüllt mit frischem Wintergemüse wie Möhren und Wirsing.
(ams). Müde und erschöpft?
Konzentrationsprobleme? Die Gelenke tun weh? Könnte das etwa an einer
versteckten Übersäuerung des Körpers liegen. Das legen zumindest manche
Ernährungsratgeber nahe. Was ist dran an der Theorie der Übersäuerung und was
hat es mit dem Säure-Basen-Haushalt auf sich? Macht eine basische Ernährung
Sinn? Karolin Wagner, Ernährungswissenschaftlerin und Ernährungsberaterin bei
der AOK, hat Antworten.
Hunderte von Ernährungsbüchern, spezielle
Kostformen und jede Menge Produkte wie Basentees oder basische Tabletten: Sie
sollen helfen, eine Übersäuerung des Körpers zu vermeiden oder ihr
entgegenzuwirken. "Das Konzept ist etwa 100 Jahre alt und geht auf alternative
Ernährungslehren zurück", sagt Wagner. "Diese Theorie der
Übersäuerung entspricht allerdings nicht ganz dem aktuellen Stand der
Wissenschaft."
Zitronen sind basisch
Fakt ist aber, so die AOK-Ernährungsexpertin
weiter: "Es gibt säurebildende und basisch wirkende Lebensmittel."
Getreide oder tierische Produkte etwa gehören zu den Lebensmitteln, bei deren
Verdauung im Körper saure chemische Verbindungen entstehen. Obst und Gemüse
dagegen sorgen für basische Verbindungen im Körper. "Dabei hat die
Bezeichnung ‚sauer‘ nichts mit dem Geschmack zu tun", betont Wagner.
"Eine Zitrone etwa schmeckt sauer und enthält viel Säure, ist aber
basenbildend, wenn sie vom Organismus verdaut wird."
Das Konzept der Übersäuerung meint, dass
die Balance des Säure-Basen-Haushalts aus dem Gleichgewicht gerät, wenn ein
Mensch zu viele säurebildende Lebensmittel konsumiert, etwa viel Fleisch, Wurst
und Fertiggerichte, Reis oder Vollkorngetreide. Eine Basenkur oder ein
Basenfasten, in der nur basische Lebensmittel wie etwa Obst und Gemüse verzehrt
werden, soll den Säure-Basen-Haushalt wieder in Balance bringen und
überflüssige Säuren und Säureüberschüsse, auch als "Schlacken"
bezeichnet, abbauen. Soweit die Theorie.
Puffersysteme des Körpers
Dass ein Gleichgewicht des
Säure-Basen-Haushalts für den Stoffwechsel des Körpers von zentraler Bedeutung
ist, steht außer Frage, so die AOK-Expertin. Die Organe im Körper brauchen
unterschiedliche pH-Werte, damit sie richtig funktionieren können. So sollten
das Blut und auch die Flüssigkeiten des Nervensystems zum Beispiel im leicht
basischen Bereich bei einem pH-Wert von 7,4 liegen. Doch Ernährungsberaterin
Wagner stellt klar: "Der Organismus ist über verschiedene Puffersysteme,
an denen auch Organe wie Lunge, Niere und Leber beteiligt sind, in der Lage,
den Säure-Basen-Haushalt selbst zu regulieren." Bei gesunden Menschen
schaffen es die Puffersysteme des Körpers, auch sehr große Mengen von Säuren
auszugleichen oder auszuscheiden. Der Körper könne mit säurebildenden
Lebensmitteln gut umgehen, deshalb seien spezielle Ernährungsformen oder
Nahrungsergänzungsmittel, die auf den Säure-Basenhaushalt abzielen, unnötig.
Säuren und Basen im Körper
In der Chemie ist Säure eine Substanz, die
in Wasser gelöst positive Teilchen abgibt, Basen bilden hingegen negativ
geladene Teilchen. Der pH-Wert gibt auf einer Skala zwischen 0 bis 14 an, wie
sauer oder basisch eine Körperflüssigkeit ist. Der Wert von 7 gilt als neutral,
darunter beginnt der saure, darüber der basische Bereich. Das Blut im Körper
ist leicht basisch, Haut und Urin dagegen sind meist leicht sauer.
Wenn der pH-Wert richtig sinkt
Eine echte Übersäuerung, medizinisch
Azidose genannt, droht in der Regel nur bei Menschen, die aufgrund einer
Erkrankung Probleme mit dem Stoffwechsel haben, etwa an einer chronischen
Niereninsuffizienz oder an Diabetes leiden. Auch wenn die Atmung durch eine
Lungenerkrankung wie etwa Asthma oder chronisch obstruktive Lungenerkrankung
eingeschränkt ist, kann es zu einer Azidose, also krankhaft niedrigen pH-Werten
des Blutes kommen. Der pH-Wert liegt dabei unter 7,35. Nur im Fall solch
schwerer Erkrankungen könnten spezielle Basenpulver oder -tabletten in Frage
kommen, das aber nur unter ärztlicher Aufsicht. Ansonsten gilt es, die
Grunderkrankung in den Griff zu bekommen.
Das A und O: Viel Gemüse und Obst essen
Mehrmals am Tag Gemüse und zwei Portionen
Obst zu essen, "das entspricht auch den modernen Konzepten einer
vollwertigen Ernährung", so AOK-Ernährungsberaterin Wagner. Beim Obst rät
sie zu zuckerarmen Sorten wie Beeren. "Ab und an dürfen auch hochwertige
naturbelassene tierische Produkte, also nicht als Wurst, auf den
Speiseplan." Naturbelassene Milchprodukte, etwa Jogurt oder Quark, sind
ebenfalls empfehlenswert. "Auf säurebildende Lebensmittel, wie Vollkorngetreide
gänzlich zu verzichten, ist für gesunde Menschen nicht notwendig", sagt
Wagner. "Auch diese Produkte liefern wichtige Nährstoffe. Eine ausgewogene
Kombination von säure- und basenbildenden Lebensmitteln ist daher
sinnvoll."
Text / Foto: AOK-Bundesverband