Überversorgung und Qualitätsdefizite gefährden die
Gesundheit
Die wirkliche Qualität in Deutschlands Krankenhäusern ist
weitgehend intransparent. Weil die von den Fachgesellschaften empfohlenen
Mindestmengen nicht eingehalten werden oder die technische Ausstattung zu
wünschen übrig lässt, sterben jährlich tausende von Menschen unnötig vorzeitig.
Als Hauptursache identifizieren die Bertelsmann-Stiftung und andere
deutschlandweit ein Überangebot an Krankenhäusern und Betten mit einem
einhergehenden Fachkräftemangel. Sigrid König, Vorständin des BKK
Landesverbandes Bayern: „Bei Masern waren einzelne Todesfälle ausreichend,
bundesweit eine mit Strafgeldern sanktionierte Impfpflicht einzuführen.
In Deutschlands Krankenhäusern sterben durch Personal-,
Erfahrungs- und Hygienemängel jährlich tausende von Patienten, aber politisch
bleibt es still.“
Deutschland ist Spitzenreiter, was das Angebot an
Krankenhäusern und Betten angeht. Bundesweit gibt es 65 Prozent mehr Betten,
als im europäischen Vergleich. Aufgrund der Krankenhausdichte ist die
Konkurrenz um das knappe Gut Fachkräfte groß, insbesondere im pflegerischen
Bereich: Viele Pflegestellen bleiben deshalb unbesetzt und im europäischen
Vergleich ist das Betreuungsverhältnis Personal zu Patient in Deutschland
infolgedessen unterdurchschnittlich.
Darüber hinaus sorgt die breit gestreute, kleinteilige
Versorgungsstruktur dafür, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestmengen,
wie etwa bei der Operation an der Bauchspeicheldrüse mit 10 Eingriffen im Jahr
und oder der Kniegelenks-Totalendoprothetik mit vorgeschriebenen 50 Eingriffen,
nicht eingehalten werden. Allein in Bayern erreichen ein Drittel der Kliniken
mindestens eine der aktuell sieben gesetzlich vorgegebenen Mindestmengen nicht.
Zusammengenommen führt dies nach Ansicht des BKK
Landesverbandes Bayern und vieler Experten dazu, dass in Deutschland pro Jahr
bis zu zwanzigtausend Menschen durch Krankenhausinfektionen, bis zu
siebentausend Menschen an falsch behandelten Herzinfarkten und weitere Tausende
durch Behandlungsdefizite und Qualitätsmängel anderer Krankheiten sterben.
Sigrid König: „Wer diese Zahlen ernst nimmt, muss jetzt strukturelle
Veränderungen anpacken und auf Klasse statt auf Masse setzen: Wir brauchen in
Summe weniger, aber besser qualifizierte Kliniken.“
König fordert in einem ersten Schritt ein Offenlegen der
tatsächlichen Verhältnisse in den Krankenhäusern vor Ort in den
behandlungsstärksten 50 Diagnosen. „Nur wenn wir ehrlich mit den Zahlen, Daten
und Fakten umgehen lernen, wird auch eine Veränderung der Bilder in den Köpfen
und ein offener politischer Diskurs möglich sein.“
Mehr Klasse in der Versorgung bedeutet für König auch,
Erfahrungen in der Behandlung, ausreichendes Pflegepersonal und eine dem
Behandlungsbedarf angemessene Infrastruktur. Sigrid König: „Es geht nicht
darum, wahllos Krankenhäuser zu schließen oder gar Gelder zu sparen. Es geht
darum, Versorgungsstrukturen so zu ändern, dass die Bevölkerung vor
Qualitätsmängeln geschützt wird. Denn die Losung unser aktuellen
Krankenhausplanung nach dem Motto, „wer kann, der darf“, gefährdet die Gesundheit.“
Weitere Informationen finden Sie unter:
Studie der Bertelsmann-Stiftung zur Krankenhausversorgung
Text: BKK Landesverband Bayern