Hannover (ots). Trotz Corona-Pandemie ist es der
Deutschen Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) erneut gelungen, die
Gewebespende weiter auszubauen und mehr Patienten mit Augenhornhäuten, Herzklappen,
Blutgefäßen und Amnionmembranen zu versorgen: Mithilfe der insgesamt 2.897
realisierten Gewebespenden war es der DGFG im letzten Jahr erstmals möglich,
über 7.000 Patienten mit einem Gewebetransplantat zu versorgen, darunter 4.145
mit einer Augenhornhaut.
Damit konnte die DGFG die Anzahl der zur Transplantation abgegebenen Gewebe
in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppeln (2011: 3.143 vermittelte
Gewebe). Die Pandemie sorgt außerdem offenbar für hohe Solidarität in der
Bevölkerung: 42 Prozent stimmten einer Gewebespende zu. Spendenstärkstes
Bundesland in 2021 ist Nordrhein-Westfalen: Hier wurden insgesamt 475
Gewebespenden realisiert.
Hohe Solidarität in der Gewebespende unter Corona
Die Corona-Pandemie hält insbesondere die Medizinwelt weiter in Atem, führte jedoch bislang zu keinem Einbruch in der Gewebespende. Im Rahmen der 7.390 Aufklärungsgespräche wurde 3.103-Mal einer Gewebespende zugestimmt. Damit liegt die Zustimmungsquote in 2021 bei 42 Prozent, erneut höher als im Vorjahr (2020: 40,7 %). Insgesamt meldeten die Kliniken der DGFG 44.231 potentielle Gewebespender. Obwohl ein Großteil aus medizinischen Gründen wie einer COVID-19-Infektion für eine Gewebespende nicht in Frage kam, führte die hohe Zustimmung in der Bevölkerung zu einem dennoch positiven Ergebnis in den Spendezahlen.
Mehr Menschen treffen zu Lebzeiten eine Entscheidung für
die Gewebespende
Erfreulich ist auch die gestiegene Zahl an einer bereits zu Lebzeiten
getroffenen Entscheidung: 28 Prozent haben 2021 ihren Willen zu einer
Gewebespende bereits zu Lebzeiten geäußert oder dokumentiert. Vor zehn Jahren
lag dieser Anteil bei nur 14 Prozent. Ist der Wille nicht bekannt, können
Angehörige im Sinne der Verstorbenen entscheiden - in 2021 war dies in mehr als
zwei Dritteln der Fall (69,7 %). Der deutliche Appell der DGFG lautet daher:
Treffen Sie Ihre Entscheidung bereits zu Lebzeiten und teilen Sie sie ihren
Angehörigen mit. Schaffen Sie mit Ihrer Entscheidung Klarheit über den Tod
hinaus!
Gewebespende auch unabhängig von Organspende möglich
Im Unterschied zur Organspende ist die Gewebespende nicht an die
Hirntoddiagnostik gebunden. So wurde auch in 2021 der Großteil der
Gewebespenden nach Herz-Kreislauf-Stillstand realisiert (85,7 %). Eine Entnahme
von Herzklappen und Gefäßen ist bis zu 36 Stunden, eine Augenhornhautspende
sogar bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt möglich. In 2021 fand eine
Gewebeentnahme durchschnittlich nach 29 Stunden ab Feststellung des
Todeszeitpunktes statt.
Nach wie vor ist die Organspende wichtig für die Patientenversorgung
insbesondere mit kardiovaskulärem Gewebe (KVG), d. h. Herzklappen und
Blutgefäßen: Insgesamt stammten 369 Gewebespenden von Organspendern (12,7 %).
Bei 59 Prozent dieser Gewebespenden konnte das Herz für die Gewinnung der noch
funktionsfähigen Herzklappen und Gefäße entnommen werden. Der Bedarf dieser
Gewebe ist hoch. Mit 154 vermittelten Herzklappen konnte in 2021 die Hälfte
aller Anfragen bedient werden. "Das ist noch immer zu wenig. Hinter jeder
dieser Anfragen steht ein Patient, dessen Leben auf dem Spiel steht", so
Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG. Aus diesem Grund treibt die DGFG die
von der Organspende unabhängige KVG-Spende bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen
voran und konnte seit 2017 insgesamt 122 solcher Spenden realisieren.
Bedarf an Gewebe trotz steigender Spenderzahlen noch
immer nicht gedeckt
Der stete Ausbau des Spendeprogrammes im gesamten Bundesgebiet sowie die
wachsende Bereitschaft in der Bevölkerung haben dazu geführt, dass die DGFG die
Patientenversorgung mit Gewebe innerhalb der letzten zehn Jahre mehr als
verdoppeln konnte. Um diesem hohen Spendevolumen gerecht zu werden, arbeiten 13
Gewebebanken im Netzwerk der DGFG für die Aufbereitung der Gewebe zusammen.
Insgesamt haben die Gewebebanken allein im letzten Jahr 6.362 Spendeneingänge
bearbeitet. Trotz steigender Zahlen herrscht in Deutschland jedoch noch immer
ein Mangel an Gewebe: In 2021 konnte die DGFG 73 Prozent aller Anfragen für ein
Hornhauttransplantat zeitnah bedienen; bei den Herzklappen waren es nur 50
Prozent. Jede offene Anfrage bedeutet für die Patienten ein noch längerer, mit
Leid verbundener Weg zum Erhalt eines erlösenden Transplantats.
Amnionmembran echte Alternative in der Behandlung
schwerer Wundheilungen
46 Lebend-Gewebespenden konnte die DGFG in 2021 realisieren. Zur
Lebend-Gewebespende zählt die Spende der Plazenta und der darin enthaltenen
Amnionmembran im Rahmen einer geplanten Kaiserschnittgeburt. In der
Augenheilkunde kommt sie zur Behandlung der Hornhautoberfläche zum Einsatz und
kann als AmnioClip-plus ähnlich wie eine Kontaktlinse auf das erkrankte Auge
gelegt werden. Insgesamt konnte die DGFG 2.072 Amniontransplantate, darunter 74
AmnioClip-plus, vermitteln. Die wundheilungsfördernden und antientzündlichen
Eigenschaften der Amnionmembran machen sie auch für die Versorgung weiterer
Wundgebiete wertvoll - und führen zu wachsendem Interesse unter Medizinern:
Zwölfmal kam die Amnionmembran bei chronischen Wunden in Form eines
"Wundpflasters" bereits erfolgreich zum Einsatz. Mit der Auszeichnung
des Deutschen Wundpreises 2021 erfährt die Zusammenarbeit zwischen DGFG und dem
Rhein-Maas-Klinikum im Kontext Wundversorgung besondere Wertschätzung.
Erstmals berührungslose Hornhauttransplantation in
Deutschland möglich
Eine weitere Errungenschaft in 2021 im Netzwerk der DGFG war die Einführung
der sogenannten LaMEK preloaded: Die bereits vorgeladene Hornhautlamelle, eine
dünne Schicht der Spenderhornhaut, kann von Augenärzten bei einer speziellen
Form der Hornhauttransplantation (DMEK) berührungsfrei injiziert werden. Diese
dünne Schicht wird in einer Gewebebank im DGFG-Netzwerk bereits vorpräpariert
und qualitätsgeprüft, was hohe Sicherheit für Operateur und Patient garantiert.
Die Vermittlung der LaMEK preloaded erfolgt über die DGFG. Das
Transplantationssystem wurde zusammen mit der Augenklinik Sulzbach und der
Geuder AG entwickelt.
25 Jahre Gewebespende - 15 Jahre DGFG
In 2022 begeht die DGFG ihr 15-jähriges Jubiläum. Von 1997 bis 2007
organisierte sie noch als Tochter der Deutschen Stiftung Organtransplantation
(DSO) als Gesellschaft für Gewebetransplantation (DSO-G) die Gewebespende.
Heute profitiert die DGFG von ihren 25 Jahren Erfahrung in der Gewebemedizin
und mit ihr die zahlreichen Patienten, die Jahr für Jahr mit Gewebe versorgt
werden können.
Diese beiden Jubiläen geben der DGFG den Anlass, am 2. Juni 2022 in
Hannover im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung auf die Entwicklungen in
der Gewebemedizin zurückzuschauen sowie Zukunftsperspektiven aufzuzeigen. Den
Rahmen wird die jüngst mit dem German Design Award ausgezeichnete
Fotografieausstellung Gewebespende erleben bilden. Entstanden sind die
Patienten- und Berufportraits, Stillleben und Reportagen in einem
mehrsemestrigen Kooperationsprojekt mit Fotografiestudierenden an der
Hochschule Hannover (HsH). Weitere Informationen zu der Jubiläumsveranstaltung
entnehmen Sie der Internetseite www.gewebenetzwerk.de/15-jahre-dgfg/.
Über die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation
(DGFG)
Die DGFG fördert seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in
Deutschland. Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und
Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle
Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre
Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten
Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der
DGFG beziehen. Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG
ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen:
Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das
Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die
Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum
Neubrandenburg. Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der
Unterstützung durch die Netzwerkpartner und ihrer Unabhängigkeit von privaten
oder kommerziellen Interessen einzigartig in Deutschland.
Text / Foto: Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation gGmbH - news
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