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Gesundheit-News: Mit Tumormodellen aus dem Labor - Mehr Medikamente gegen Kinderkrebs

5. März 2021

Foto: Zielgerichtete Behandlungen bei Kinderkrebs

Heute sind 20 Prozent der Tumoren im Kindesalter noch nicht heilbar; Krebs tötet 6.000 junge Menschen pro Jahr in Europa – er ist damit die Hauptursache für krankheitsbezogene Todesfälle bei unter-19-Jährigen“, schreibt die Innovative Medicines Initiative (IMI) auf ihrer Webseite.

Die IMI ist eine öffentlich-private Partnerschaft zwischen Europäischer Union und europäischer Pharmabranche. Eines ihrer Projekte beschäftigt sich seit 2017 damit, Tumormodelle im Labor zu züchten, um dadurch mehr über Kinderkrebs zu lernen und die Medikamentenforschung voranzutreiben.

In der Onkologie passiert gerade viel. Die Forschungen an Gen- und Zelltherapien versprechen eine „neue Ära der Medizin“ (s. Pharma Fakten); innovative Immuntherapien und zielgerichtete Behandlungsansätze bringen schon jetzt große Fortschritte für zahlreiche Krebs-Patient*innen. Doch: „Im Vergleich zu Erwachsenen ist für Kinder nur ein Bruchteil an Krebsmedikamenten zugelassen“, sagt IMI-Chef Pierre Meulien.

Eine von vielen Herausforderungen bei der pädiatrischen Forschung: Nur wenige Menschen leiden – glücklicherweise – in jungen Jahren an Tumorerkrankungen. Betroffene erhalten häufig im „Off-Label-Use“ Arzneimittel, die lediglich bei älteren Personen erprobt wurden, in reduzierter Dosis. Doch die Körper der Kleinen verstoffwechseln Wirkstoffe anders als die der Großen. „Und obwohl manche der Erwachsenen-Krebsmedikamente auch bei Kindern funktionieren, unterscheiden sich die biologischen und klinischen Merkmale fast aller Kinderkrebsarten erheblich von denen der Erwachsenen“, heißt es bei der IMI. „Sie brauchen eine zielgerichtete Behandlung“.

Kinderkrebs erforschen – in Partnerschaft

Tatsächlich gibt es einige Moleküle, bei denen durchaus denkbar ist, dass man aus ihnen Arzneimittel für Kinder entwickeln kann. Doch bislang mangelt es an den geeigneten Instrumenten und Modellen, mit denen die Forschenden präklinisch – also vor dem Einsatz bei Menschen – die Wirkungen dieser Moleküle auf Tumoren testen können.

Das IMI-Projekt ITCC-P4 („ITCC Pediatric Preclinical Proof of concept Platform“) wurde 2017 ins Leben gerufen, um das zu ändern. Gefördert mit über 16 Millionen Euro bis Ende 2021 bringt es mehrere Pharmaunternehmen wie Bayer, Pfizer oder Eli Lilly and Company (Lilly) mit Universitäten, Forschungseinrichtungen, öffentlichen Stellen, Non-Profit-Organisationen und kleineren Firmen zusammen. Das Konsortium hat es sich zum Ziel gesetzt, hunderte verschiedene Tumormodelle zu entwickeln: Dazu werden betroffenen Kindern Tumorzellen entnommen und diese auf Mäuse übertragen. Die Modelle ermöglichen, Kinderkrebs im Detail zu untersuchen und mehr darüber zu lernen. Und an ihnen sollen Moleküle erprobt werden, um herauszufinden, welche womöglich bei Kindern funktionieren könnten, wenn man sie zu Arzneimitteln weiterentwickelt.

Weil es dem Projekt kürzlich gelang, weitere Verbündete aus Industrie und öffentlicher Forschung zu gewinnen, wird nun sogar an Modellen für mehr Tumorformen gearbeitet als ursprünglich geplant: So konzentrieren sich die Verantwortlichen nicht mehr nur auf die häufigsten soliden Tumoren, sondern auch auf seltenere Leukämien. „Wir sind eine wirklich umfassende präklinische Plattform, die die große Mehrheit aller pädiatrischen Tumorformen umspannt“, meint Projektleiter Dr. Louis Stancato von Eli Lilly and Company.

Unsere größte Hoffnung ist, dass die Tumormodelle innerhalb der Plattform die Heterogenität der pädiatrischen Tumorformen repräsentieren“. Ein Beispiel – vereinfach ausgedrückt: „Es gibt 30 Möglichkeiten, wie eine normale Zelle verrücktspielen und zu einem kindlichen Sarkom werden kann. Wir erwarten, dass in unseren Modellen diese 30 Möglichkeiten repräsentiert sind.“ Kommt also ein erkranktes Kind in die Klinik, wird ein Stück des Tumors entnommen und sequenziert – „und man findet beispielsweise heraus, dass die Zelle auf eine bestimmte Art und Weise kaputtgegangen ist“, erklärt Stancato. Die Idee hinter ITCC-P4: Dass es auf der Plattform ein passendes Modell gibt, mithilfe dessen die Wissenschaftler*innen testen können, welche Arzneimittel wirken könnten. „Wenn das Kind eine bestimmte Mutation hat, hoffen wir, dass diese Mutation in unserer Kollektion vorhanden ist und dann können wir hoffentlich Arzneimittel in der Pipeline – oder vielleicht sogar auf dem Markt – identifizieren, die auf diese bestimmte Mutation abzielen.“

Letztlich ist es das Ziel durch die Modelle mehr über die molekularen Treiber, die Ursachen der Tumoren zu verstehen und so die Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten für Kinder voranzutreiben.

Mit Künstlicher Intelligenz mehr über Kinderkrebs lernen

Dazu möchte ITCC-P4 weiterwachsen, mehr Verbündete an Bord holen, mehr potenzielle Arzneimittel testen können. „Mit mehr finanziellen Mitteln könnten wir uns mit neuartigen Medikamentenkombinationen und Dosierungsansätzen befassen“, so Stancato. Auch wäre der Einsatz von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen denkbar, „um tatsächlich zu erschließen, was Tumoren antreibt, und zu identifizieren, wie wir sie aus mehreren Winkeln gleichzeitig attackieren können“. Denn in dieser Sache ist Krebs bei Kindern und Erwachsenen gleich: Er ist „clever“ – und findet oft Wege, um sich dem Immunsystem oder Arzneimitteln zu entziehen. Deshalb liegen große Hoffnungen auf Kombinationstherapien.


Text / Foto: Pharma Fakten e.V. / ©iStock.com/Katarzyna Bialasiewicz