In der deutschen Bevölkerung gibt es große Irrtümer
bezüglich der Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Depression im Alter.
Deshalb wird die Erkrankung bei Senioren häufig falsch oder gar nicht
behandelt, was mit zu den drastisch erhöhten Suizidraten im Alter beiträgt. Das
zeigt das heute veröffentlichte dritte "Deutschland-Barometer
Depression" der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, gefördert durch die
Deutsche Bahn Stiftung. Die repräsentative Befragung untersucht Einstellungen
und Erfahrungen zur Depression in der Bevölkerung. Befragt wurden 5.350
Personen zwischen 18 und 79 Jahren aus einem repräsentativen Online-Panel.
"Bei Senioren wird die Depression noch häufiger als
bei jüngeren Menschen übersehen. Depressive Symptome wie Hoffnungs- und
Freudlosigkeit, Schlafstörungen oder Erschöpfungsgefühl werden oft nicht als
Ausdruck einer eigenständigen schweren Erkrankung gesehen, sondern als
nachvollziehbare Reaktion auf die Bitternisse des Alters oder als Folge
körperlicher Erkrankungen fehlinterpretiert", erläutert Prof. Ulrich
Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und
Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt/Main.
Depression gilt fälschlicherweise als Erkrankung der
Berufstätigen
83% der Bevölkerung glauben, dass Depression am
häufigsten im jungen und mittleren Erwachsenenalter auftritt. Diese Annahme
liegt vor allem darin begründet, dass Stress (97%) und Belastung am
Arbeitsplatz (95%) für die Deutschen zu den Hauptursachen der Depression
zählen. Da diese berufsbezogenen Aspekte bei Senioren weniger bedeutsam sind,
wird die Erkrankung im Alter als weniger relevant angesehen. Nur 45% der
Bundesbürger wissen, dass Depression auch eine Erkrankung des Gehirns ist.
"Depression hängt viel weniger von den aktuellen Lebensumständen ab, als
viele glauben. Es ist eine eigenständige Erkrankung, die jeden treffen kann -
auch Senioren", stellt Psychiater Hegerl klar.
Irrtümer über Depression im Alter führen zu großen
Behandlungsdefiziten
86% der Deutschen gehen davon aus, dass es Älteren
schwerer fällt, sich bei Depression Hilfe zu suchen. Dies gilt insbesondere für
die Psychotherapie: 71% der Befragten glauben, dass Ältere seltener bereit
sind, die Hilfe eines Psychotherapeuten anzunehmen. Tatsächlich sind 31% der an
Depression erkrankten Befragten zwischen 30 und 69 Jahren in
psychotherapeutischer Behandlung. Bei den Betroffenen über 70 Jahren sind es
nur 12%. Das Deutschland-Barometer Depression deckt jedoch einen großen Irrtum
auf, denn: Eine deutliche Mehrheit (64%) der befragten Menschen über 70 wäre
bereit, eine Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. "Älteren Menschen wird
viel zu selten eine Psychotherapie angeboten. Sie werden im Versorgungssystem
eindeutig benachteiligt", so Ulrich Hegerl.
22% der Befragten meinen, dass bei Älteren die Behandlung
körperlicher Erkrankungen wichtiger ist. Jeder sechste Deutsche (17%) spricht
sich gar dafür aus, Ressourcen des Gesundheitssystems lieber für die Behandlung
jüngerer Patienten mit Depression auszugeben. "Jeder sollte wissen: Eine
Behandlung der depressiven Erkrankung ist bei älteren Patienten ebenso wichtig
wie bei jüngeren Menschen. Sowohl Psychotherapie als auch medikamentöse Therapie
haben sich als wirksam erwiesen", betont Hegerl. Die Erhebung zeigt auch,
dass ältere Betroffene weniger Vorurteile gegenüber Antidepressiva haben: 81%
der Menschen über 70 Jahren würden Medikamente gegen Depression nehmen, bei den
jungen Befragten (18 bis 29 Jahre) sind es nur 67%.
Demografischer Wandel verstärkt Problem - Programm für
Altenpflegekräfte
Zwei Drittel der Befragten gaben im Deutschland-Barometer
Depression an, dass sie sich über die Erkrankung im Alter nicht gut informiert
fühlen. Deshalb ist eine Aufklärung über Depression und Suizidprävention für
ältere Menschen besonders wichtig. "Wenn das persönliche Umfeld Depression
als Reaktion auf die Bitternisse des Alters und nicht als eigenständige,
behandelbare Erkrankung auffasst, dann werden die betroffenen Senioren nicht
auf dem Weg in eine professionelle Behandlung unterstützt. Das ist aber
entscheidend, da die Betroffenen oft zu erschöpft und hoffnungslos sind, um
sich selbst Hilfe zu organisieren", erläutert Prof. Hegerl.
Aufgrund des demografischen Wandels gewinnt das Thema in
den kommenden Jahren zusätzlich an Relevanz. Ambulanten Pflegekräften und
pflegenden Angehörigen kommt hier eine große Bedeutung zu, da sie oft der
einzige regelmäßige Ansprechpartner sind. Die Stiftung Deutsche
Depressionshilfe entwickelt deshalb ein E-Learning-Programm zum Thema
"Depression im Alter und Umgang mit Suizidalität" für Pflegekräfte
und Angehörige. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert
und ab Mitte 2020 kostenfrei zur Verfügung stehen.
Informations- und Hilfsangebote für ältere Menschen mit
Depression
- weiterführende
Informationen zu Depression im Alter unter:
- ausführliche
Erfahrungsberichte älterer Patienten finden Sie auf
der
Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung,
die in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche
Depressionshilfe entstanden ist:
www.gesund-aktiv-aelter-werden.de/gesundheitsthemen/depression-im-alter/
- Info-Telefon
Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe:
0800 33 44 5
33
Text / Grafik: Stiftung Deutsche Depressionshilfe