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TB Alchemie Umschlag  1

Buchtipp / Rezension: „Alchemie und Wissenschaft des 16. Jahrhunderts“

Rezension zu Luther und Sohn, der Alchemist war

Martin Luthers Sohn als Alchemist und Leibarzt

Von Uta Luise Zimmermann-Krause

Im Mittelalter galt die Alchemie als suspekte Transmutation. Unedle Metalle sollten durch die Wirkung eines Agens - dem Stein der Weisen - in Gold und Silber gewandelt werden. Dass die Alchemie zunächst mehr Ablehnung als Bewunderung fand, basierte auf der Tatsache, dass es partout nicht gelingen konnte, Blei in Gold zu verwandeln oder gar die Erbsünde damit auszugleichen. Im Ergebnis einer Tagung am Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle (Saale) mit mehr als 20 renommierten Referenten verschiedener Wissenschaftsdisziplinen entstand die umfassende Publikation »Alchemie und Wissenschaft des 16. Jahrhunderts – Fallstudien aus Wittenberg und vergleichbare Funde«, mit der die Herausgeber Harald Meller, Alfred Reichenberger und Christian-Heinrich Wunderlich einer breiten Öffentlichkeit die Alchemie, hervorragend definiert durch die Präsentation der Grabungsfunde einer Alchemisten-Werkstatt, zugänglich machen. Wichtige Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf das Wirken universitärer Kapazitäten im einstigen Franziskanerkloster zu Wittenberg zu.

Die Universität in Wittenberg zählte schon bald nach ihrer Gründung im Jahr 1502 zu den führenden Universitäten Europas und war Wirkstätte des Reformators Martin Luther. 

Das Prinzip ad fontes, bei Luther die Bibel, bei Paracelsus das Buch der Natur, sowie die Forderung, dass auch Laien Zugang haben sollen, ließ Paracelsus ein Abbild der Reformation werden. Und wenn Martin Luther zu seinen Kindern sprach: »Die ganze Welt ist voller Wunder«, waren ihm wohl auch die Einflüsse der »Schule von Salerno« und ihre Rezeption auf die arabisch-islamische Medizin nicht unbekannt.

Katarina von Bora - Ehefrau Martin Luthers und umsichtige Unternehmerin, erntete in ihren Gärten Heilkräuter und Mohn. Und so geschah es, dass sich eines ihrer Kinder, Sohn Paul, schon früh für die Kunst des Heilens interessierte. Täglich musste er mit ansehen, wie verschiedene Krankheiten seinen Vater quälten und dass seine Mutter versuchte, dem Vater ihrer sechs Kinder die Schmerzen zu lindern. 

Deutlich früher kamen die Ursprünge der Heilkunde antiker Autoren ins mittelalterliche Europa und erreichten auch Wittenberg. Arzneiherstellung mittels chemischer »Kunst«, das heißt Umsetzung, Abtrennung unerwünschter Bestandteile durch Auflösung, Extraktion, Sublimation. Grundlage hierfür bildeten vor allem die Rezepturen des Mediziners Galen zur Fertigung arabischer Arzneiformen wie Salben, Pillen oder Trochisci als Pastillen. Quecksilberpräparate, Kalomel, fanden Verwendung zur Behandlung bestimmter Infektionskrankheiten. Etliche Personen aus dem Umkreis der chymisch-medizinischen Wittenberger Universität fanden Interesse an der Alchemie, mitunter mit schrecklichem Ausgang, wie es das Schicksal des ermordeten Wandermönchs und Alchemisten Sebastian Siebenfreund lehrt. Auch Dr. Faustus´ Aktivitäten als Alchemist, Schwarzkünstler und Sterndeuter mit dem Drang nach der Vermehrung von weltlichem Wohlergehen, so besprach ihn Luther in einer seiner Tischreden, nahmen ein entsetzliches Ende in der Hölle. Anders bei Paul Luther, Sohn des Reformators Martin Luthers und seiner Frau Katharina von Bora. Er wurde 1533 in Wittenberg geboren und wuchs mit seinen Brüdern und Schwestern im großen Haus der Eltern auf. Die sechs Kinder sollten mit Vernunft erzogen werden, so Luther, strafen ja, sie aber auch lieb haben als sein »eigen Fleisch und Blut«. - Tiefe Verbundenheit zwischen Luther und seinen Söhnen ergab sich im kalten Januar 1546, als der von Krankheit geplagte Luther seine drei Söhne Johannes, Martin und Paul nach Eisleben mitnahm zu den Ausgleichsverhandlungen mit den Grafen von Mansfeld. Während der Beratungen weilten die Brüder in Mansfeld bei der Familie ihres Onkels Jakob Luther. Rasch kehrten Martin und Paul nach den Verhandlungen zum Vater zurück. Johannes hingegen blieb noch bei den Verwandten in Mansfeld und war am 18. Februar beim plötzlichen Tod seines Vaters in Eisleben nicht anwesend. Erst im Trauerzug durch Wittenberg fanden die Brüder wieder zusammen - vom Elstertor bis zur Schlosskirche.

Sohn Martin bereitete seinem Vater Sorgen, denn schon bald tat er sich als Eigenbrötler hervor. Vielleicht nicht so sehr, wenn der Kleine nur zu oft mit dem Familienhund Tölpel Schabernack trieb, sondern eher, dass der Siebenjährige eine Puppe besaß, die er sein »Bühlichen«, seine »kleine Buhle«, seine »Liebste« nannte. Der Junge kleidete und schmückte seine geliebte Puppe aufs Feinste und verteidigte sich gegen die Vorwürfe seines Vaters. Später studierte der Sonderling Theologie in Wittenberg, zog sich auf das elterliche Gut Wachsdorf zurück, betrieb Landwirtschaft und heiratete Anna Heilinger, die Tochter des Wittenberger Bürgermeisters. Mit 33 Jahren starb er kinderlos. -

Hingegen Martin Luthers dritter Sohn Paul (Paulus Luther * 29.1.1533 - † 8.3.1593), war zielstrebig und hatte seinen späteren Beruf im Blick. Fleißig studierte er die griechische und lateinische Sprache bei Philipp Melanchthon und Veit Winsheim. Und auf Verlangen seines Vaters und Philipp Melanchthons studierte er ab 1550 Medizin in Wittenberg.

Sein Interesse für diese Fachrichtung hatte er seiner Mutter Katharina zu verdanken, denn sie sei eine »gute Arzneikundige und Krankenpflegerin« gewesen. Ihr verdanke er viel von seinen Kenntnissen. Noch als Student heiratete er Anna von Warbeck, eine Ratstochter aus Torgau und wurde 1557 zum Doktor der Medizin promoviert.

Danach war er herzoglicher Leibarzt (Betreuer und Vertrauter) an verschiedenen Fürstenhöfen wie in Gotha, Weimar, Berlin und Dresden. Außerdem beschäftigte er sich mit Pharmazie und erlag dem »Goldmachen« in der Alchemie schon während des Studiums in Wittenberg. Die Alchemistenwerkstatt im Franziskanerkloster war ihm wohl bekannt.

Als medizinischer Gelehrter und praktischer Arzt hielt Paul Luther auch Vorlesungen an der Universität Jena, auch über Galens Lehre von der Medizin an. Mit Eifer widmete er sich neben seinen chemischen Arzneiforschungen der Spagyrik (Ziel: Verwandlung der Erze bis zur Herstellung von Gold). Dr. Paul Luther war nicht nur Arzt und Alchemist, sondern galt auch als »Artzney Doctor«. Unaufhörlich entwickelte er neue Medikamente wie Unguentum ex nitro (gegen die ´Lustseuche´), Aurum potabile (Goldtinktur), oder auch Extrakte aus Pflanzen, die allesamt in sächsischen Apotheken hergestellt wurden. -Als kurfürstlicher Leibarzt von Kurfürst August von Sachsen, erstellte der umsichtige Mediziner und Alchemist am 13. Oktober 1571 eine Vorschrift, die er dem am 8. Juli 1571 geborenen kurfürstlichen Sohn Adolf verordnete: » ... er wolle ihm die Säcklein aus Löwenmist, Turteltauben und Riekenmist selbst fertigen, es sei gut, ihm in den Brei einzumischen die Küchlein Manus Christi mit dem frischen Anisöl, auch solle er bekommen Infusion der Lindenblüthe, Hintlaufwurzeln, lithauischen frischen Honig. « Doch kurze Zeit später starb der kleine Adolf. Gott hat die Welt geordnet nach Gewicht, Maß, Zahl. - Nach dem Tod von Joachim II. im Jahre 1571 trat Paul Luther als Leibarzt bei Kurfürst August in Dresden in den Dienst. Beide waren Anhänger der lutherischen Konfession und der Spagyrie. In einer Schrift von 1626, bei J. Weber in Leipzig veröffentlicht, setzt sich Dr. Paul Luther »über diätetisches Verhalten in Pestzeiten« auseinander. - Seine letzten Jahre verbrachte er als praktischer Arzt in Leipzig. Kurz vor seinem Tod ernannte ihn Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar, Administrator des Kurfürstentums Sachsen, noch zum Leibarzt für sich und die kurfürstlichen Kinder. - Paul Luther: »Ich war es leid, zusehen zu müssen, was verdienstvollen Leuten geschah und zog mit meinen Büchern und meiner Laboratoriumseinrichtung nach Leipzig, wo ich mich als Leutearzt niederließ. Das war a. 1590. Es tat gut, dem Hofleben mit seinen Lügen und Intrigen, der erforderlichen Geschmeidigkeit und auch Feigheit entronnen zu sein.

Meine Patienten in Leipzig waren meist normale Bürgersleute, die für jede Zuwendung dankbar waren und auch nicht dauernd mein Handeln in Frage stellten. Am liebsten aber waren mir am Ende meiner ärztlichen Tätigkeit die Armen, die ich kostenlos behandelte. Sie nahmen jeden Tod als gottgewollt und nicht vom Arzt verschuldet hin, was mir das Leben erleichterte. Nach zwei Jahren erreichte mich die Aufforderung des kurfürstlich-sächsischen Administrators Friedrich Wilhelm von Sachsen-Weimar, für ein sehr ansehnliches Gehalt Leibarzt für ihn und die kurfürstlichen Kinder zu werden. Trotz vieler Bedenken und meiner stärker werdenden Lebensmüdigkeit sagte ich zu.

Diese Tätigkeit war nur kurz, denn seit Wochen bin ich krank und kein Arzt, sondern selbst Patient.« - Am 8. März 1593 starb der berühmte Sohn des Reformators Luther.

Paul wurde in der als Universitätskirche genutzten Pauliner-Kirche zu Leipzig bestattet, wo sein Vater einst gepredigt hatte. Die Grabesruhe dauerte 375 Jahre, bis am 4. April 1968 das letzte öffentliche Konzert hier stattfand. Nur  wenige Wochen später, am

30. Mai, wurde das Gotteshaus gesprengt. Proteste wurden untersagt und der Denkmalschutz war machtlos. Nicht alles konnte zuvor aus dieser bedeutsamen Kirche gerettet werden.

       

  • Harald Meller, Alfred Reichenberger, Christian-Heinrich Wunderlich (Hrsg.).

Alchemie und Wissenschaft des 16. Jahrhunderts. Fallstudien aus Wittenberg

und vergleichbare Funde. 

Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle, Bd. 15, Halle (Saale) 2o16.

4o4 Seiten, durchgehend farbig bebildert, 2 Karten,

Format: 21,0  x  29,7 cm, Hardcover,

Hardcover, Löhnert Druck, Markranstädt,

ISBN 978-3-9445o7-48-4 

Verkaufspreis: 49 EUR

 

  • Harald Meller, Alfred Reichenberger, Christian-Heinrich Wunderlich (Hrsg.).
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Die Suche nach dem Weltgeheimnis. . Begleithefte zu Sonderausstellungen im  Landesmuseum für Vorgeschichte Halle, Bd. 5, Halle (Saale) 2o16.
132 Seiten, durchgehend farbig bebildert Format: 13 x 21 cm, Klappenbroschur, Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, 
ISBN 978-3-9445o7-49-1
Verkaufspreis: 11 EUR