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ABB KennedyDasKalifat 978 3 406 71353 8 1A Cover

Buchtipp: „Das Kalifat“

Vom schier endlosen Kampf der Propheten Gottes

 

Von Uta Luise Zimmermann-Krause

Das neueste Werk „Das Kalifat – Von Mohameds Tod bis zum ´Islamischen Staat`“ von Hugh Kennedy, Professor für Arabistik an der School of Oriental and African Studies in London und Fellow der Royal Society of Edinburgh, gibt auf glanzvolle Weise die historische Entwicklung unterschiedlicher Kalifate seit dem Tod Mohammeds im Jahre 632 bis zur Neuzeit wieder. Der letzte osmanische Kalif dankte 1924 ab, jedoch blieb die Sehnsucht nach dem Kalifat lebendig und machte es dem „Islamischen Staat“ leicht, sich auf eine große Tradition zu berufen.

Doch der Reihe nach. Insgesamt waren es mehr als einhundert Kalife, die sich berufen fühlten, im Laufe der Jahrhunderte dem Konzept des Kalifats ihre eigene Interpretation zu verleihen. Allen gemeinsam ist jedoch die grundlegende Herrschaftsidee, bei der es um die gerechte Ordnung der muslimischen Gesellschaft gemäß dem Willen Gottes geht. Fürwahr ein breites Spektrum von Herrschaftsvorstellungen, die vordergründig allesamt vom Wunsch beseelt sind, Gottes Willen unter allen Muslimen verwirklicht zu sehen.

Sie erinnern an eine Welt, in der das Kalifat das mächtigste und fortschrittlichste Gemeinwesen unter dem gesamten eurasischen Himmel war. Damals hatte Bagdad eine halbe Million Einwohner, hingegen in London oder Paris lebten etwa einige Tausende. Das Kalifat verwaltete riesige Gebiete in strenger Ordnung. Es betrieb eine stehende Armee und eine Bürokratie, deren Beamte lesen, schreiben und rechnen konnten.

Zitate aus Originaltexten bereichern das Buch „Das Kalifat – Von Mohameds Tod bis zum ´Islamischen Staat`“, erschienen im C. H. Beck Verlag München, in der Übersetzung aus dem Arabischen und Persischen. Sie gewähren Einblicke in die gelebte Erfahrung des Kalifats und vermitteln Kenntnisse zu Traditionen in unterschiedlichsten politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen, die über die Jahrhunderte sich weiterentwickelten oder auch erfunden wurden. Die Vorstellung, dass eine Frau Kalifin werden könnte, kommt in historischen Debatten nicht vor. Ein Kalif musste vor allem aus dem Stamme des Propheten Mohammed († 632) -  der Quarisch - oder nach Meinung der Schiiten, sogar ein direkter Nachfahre über dessen Tochter F QUOTE   tima, dessen Schwiegersohn Al? und deren Kinder Hasan und Husain sein. Seit Mohammeds Tod beanspruchten immer mehr Menschen eine Abstammung von der heiligen Familie. Sie erfanden ihren Stammbaum, sie waren Betrüger und hofften, von einer so prestigeträchtigen Verbindung zu profitieren. Bedeutsame frühmittelalterliche Geschichtsschreiber wie Prokopios, Gregor von Tours, Beda Venerabilis nutzten historische Aufzeichnungen, um Standpunkte und Argumente zu vermitteln. Ebenso gingen auch die Autoren frühmuslimischer Chroniken und Sammlungen vor. Das vorliegende Buch gibt bildreiche Antworten auf verschiedenen Fragen: Wie ist ein Kalif zu wählen? Wie sollen Wesen und Ausmaß seiner Macht beschaffen? Wie wurden sie aufgezeichnet? Wie haben Menschen im Lichte verschiedener Epochen des Kalifats die für die Kalifatsidee durchgängigen Grundkonzepte für sich genutzt und missbraucht?

Wieso wurden Adam und König David zu Kalifen erwählt? Aus dem mächtigen Stamme der Quarisch in Arabien gingen bedeutende Kaufleute hervor, die Kamelkarawanen nach Syrien, seltener in den Irak oder nach Jemen, mit Weitblick organisierten. Doch die Ermordung eines Herrschers, so schlecht und tyrannisch man ihn empfinden mag, ist immer falsch, weil sie zu Schlimmeren führen kann, nämlich zu jener mit Gewalt, Spaltung und Zerstörung, die das Leben von Muslimen gefährdet und die richtige Ausübung der Religion verhindert. Und doch aller Skepsis bewusst, kam es im Dezember 656 bei Basra zu einem Aufeinandertreffen von Zubairs und Al?s Truppen, die als „Kamelschlacht“ in die Geschichte einging. Später war Umar nach Palästina gereist, um die Kapitulation Jerusalems entgegenzunehmen. Aus den Originaltexten erfahren wir von der Existenz männlicher und weiblicher Sklaven und ihrem Schicksal. Die Ideologie des takfir – Menschen, die anderer Meinung waren, als Nichtmuslime anzusehen – entstand wohl damals bei den Charidschiten, wurde aber bis heute von anderen Gruppen übernommen und liegt der Haltung des Islamischen Staates gegenüber Andersdenkenden zugrunde.

Von Sieg, glanzvoller Macht, blutigen Kämpfen und unausweichlichen Untergang der unterschiedlichsten Kalifate ist die Rede sowie von Bestrebungen, die Machtverhältnisse zu stabilisieren und auszudehnen bis in den europäischen Raum. Geographische Karten sowie eine Zeittafel für die Existenz sämtlicher Kalifate erleichtern die Orientierung bei Zuordnung und Interpretation der Herrscher und ihrer Untertanen in vergangenen Zeiten. Vor der Idee des Kalifats brauchen wir keine Angst zu haben, selbst wenn es Sorge bereitet, wie manche heute die Idee auslegen.      

  

  • Hugh Kennedy

Das Kalifat - Von Mohammeds Tod bis zum „Islamischen Staat“, 

367 Seiten, 11 Abbildungen, 2 Karten, gebunden,

13,9 x 21,7 cm, Hardcover, Schutzumschlag.

Aus dem Englischen von Ulrike Bischof,

Verlag C.H.Beck, 2017,

ISBN 978-3-406-71353-8 

Preis: 28,00 EUR