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Zug Bahn Lok pixabay

Sachsen-Anhalt-News: Fahrplanwechsel bedeutet Licht und Schatten auch für Sachsen-Anhalt



veröffentlicht am Dienstag, 13. Dezember 2022

Magdeburg. Der Fahrgastverband PRO BAHN Mitteldeutschland sieht mit dem Fahrplanwechsel Licht und Schatten für die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt. Begrüßt wird die Wiederaufnahme von internationalen Nachtzugverbindungen. Kritisiert wird vor allem die hohe Anzahl der Baustellen im Netz, fehlende Abstimmung der verschiedenen Baumaßnahmen und die fehlenden Alternativstrecken sowie Reduzierungen des Fahrplanangebots in Südwestsachsen.

Zwar wird der vor einigen Jahren eingestellte Nachtzug Prag-Dresden-Leipzig-Frankfurt (Main)-Zürich wiederbelebt. Dafür verkehrt die 2020 wiederaufgelegte Verbindung mit dem „Vindobona“ Berlin-Dresden-Prag-Wien-Graz im neuen Fahrplanjahr baustellenbedingt nicht. „Internationale Angebote brauchen Verlässlichkeit“, erklärt Ingo Koschenz, PRO BAHN-Referent für Osteuropaverkehre: „Die vielen Baustellen tragen leider erheblich zum Vergraulen von Fahrgästen bei und behindern so die ökologische Verkehrswende“, meint er - auch im Hinblick auf derzeit bestehende Schienenersatzverkehre im Elbtal, sowie die angekündigte Sperrung der direkten Bahnlinie Berlin-Dresden ab April nächsten Jahres. Es räche sich, dass das Netz in den letzten Jahren kaputtgespart wurde und ausreichende Alternativstrecken nicht zur Verfügung stehen. „Bis 2030 möchte der Bund die Zahl der Bahnreisenden verdoppeln. Die Elbtalstrecke ist derzeit aber die einzige elektrifizierte Strecke zwischen Deutschland und Tschechien und somit ein Nadelöhr des internationalen Verkehrs. Der Fernverkehr muss hier mangels alternativer Trassen für den Güterverkehr freigegeben werden. Das ist kaum zu glauben.“ Die Strecken waren schließlich bereits in der Vergangenheit von zahlreichen Baustellen und Sperrungen betroffen, beispielsweise zur Instandsetzung nach diversen Hochwassern und zum Ausbau für höhere Geschwindigkeiten. „Nach einer Sperrung sollte eigentlich 20 Jahre Ruhe sein. Bei DB Netz taucht aber schon nach wenigen Monaten die nächste Baustelle auf. Es bleibt zu hoffen, dass der Konzern - wie unlängst angekündigt - in Zukunft anstehende Arbeiten besser bündelt als in der Vergangenheit“, so Koschenz. Infrastrukturbetreiber hätten ebenfalls eine Verantwortung für die ökologische Verkehrsabwicklung. „Mit etwas Glück wechseln die Reisenden zwischen Berlin, Dresden und Prag nur auf die bequemen Fernbusverbindungen und wandern nicht zum Auto oder Flugzeug ab. Autobahnen und Flughäfen sind von derartigen Sperrungen schließlich nicht betroffen“.

Der Fahrgastverband PRO BAHN Mitteldeutschland verweist darauf, dass auch im Nahverkehr ein verlässlicher Betrieb sichergestellt werden muss. Zwar wird mit der neuen halbstündigen Linie S10 (Leipzig Grünau - Leipzig Hbf oben) im mitteldeutschen S-Bahn-Netz eine weitere Linie zur Taktverdichtung geschaffen, doch von Beginn an fährt diese nur halb so oft. „Neue Linien bringen den Fahrgästen nichts, wenn die bestellten Züge nicht fahren“, bemerkt Carsten Schulze-Griesbach, Sprecher für die Region Leipzig/Halle des Fahrgastverbands PRO BAHN in Hinblick auf von DB Regio bereits jetzt auf dieser Strecke und für das gesamte Fahrplanjahr 2023 auf der S-9 (Halle-Delitzsch-Eilenburg) und auf der S-Bahn Dresden angekündigte Zugausfälle. „Es rächt sich, dass das System Bahn seit der „Bahnreform“ in allen Bereichen systematisch auf Verschleiß gefahren wurde. Eine marode Infrastruktur, unbesetzte Stellwerke, fehlende Lokführer und Zugbegleiter, Wartungsmängel der Loks und Wagen, in deren Folge überfüllte Züge, erhebliche Verspätungen und Zugausfälle. Das wird auch im Fahrplanjahr 2023 leider Alltag auf den sächsischen und sachsen-anhaltinischen Gleisen sein. Wie möchte der Bund so die angekündigte Verkehrswende schaffen? Das 49-Euro-Ticket nützt niemanden bei Stillstand auf den Gleisen.“  ergänzt Schulze-Griesbach. Aus Sicht des Fahrgastverbands sei daher eine Investitionsoffensive in den Schienenverkehr und eine Grundsatzdebatte über eine auskömmliche Verkehrsfinanzierung notwendig. „Es verwundert nicht, dass angesichts dieses katastrophalen Ist-Zustandes von diversen politisch angekündigten Elektrifizierungs- und Reaktivierungsinitiativen derzeit wenig umgesetzt wird. Bis 2030 ist aber nicht mehr viel Zeit. Der bisherige Weg der Bahnreform – einschließlich an den DB-Konzern gerichtete Gewinnvorgaben – bedarf jedenfalls deutlich vorher einer kritischen Bestandsaufname.“

Für Südwestsachsen kritisiert der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands, Markus Haubold, Reduzierungen des Fahrplanangebots: „Am Wochenende verkehren nachts ab 24 Uhr keine Züge mehr zwischen Chemnitz und Zwickau. Diese wurde vor allem im Freizeitverkehr genutzt.“ Vor dem Fahrplanwechsel gab es in den Nachstunden um 0:50 Uhr sowie 2:49 Uhr ab Chemnitz Hbf in Richtung Zwickau bzw. um 1:46 Uhr sowie 3:43 Uhr ab Zwickau Hbf die Möglichkeit, mit der RB 30 noch nach Hause zu kommen. Dies ist nun nicht mehr möglich. Auch wird der Takt auf der RB 45 zwischen Chemnitz und Riesa am Nachmittag der Wochenenden weiter ausgedünnt. „Das Angebot im Schienenpersonennahverkehr der Region wird so still und leise reduziert, gleichzeitig kündigt man aber für den April 2023 erneute Fahrpreiserhöhungen im Freistaat Sachsen an. Als Fahrgast bekommt man also für einen höheren Preis weniger Angebot. Das ist kaum noch zu vermitteln.“ so Haubold. „Wir fordern, nicht allein auf Kosten der Fahrgäste die Finanzierung des ÖPNV sicherzustellen.“

 
Über den Fahrgastverband PRO BAHN:

Der bundesweit aktive gemeinnützige Fahrgastverband PRO BAHN hat rund 4.000 Mitglieder und vertritt die Interessen der Nutzer des öffentlichen Verkehrs. Er arbeitet ehrenamtlich, ist in zahlreichen Gremien aktiv und wirkt sowohl auf Politiker und Behörden als auch auf Verkehrsunternehmen ein, um einen attraktiveren und besseren öffentlichen Personenverkehr zu erreichen. Der Landesverband Mitteldeutschland umfasst die Bundesländer Sachsen und Sachsen-Anhalt.


Text: Fahrgastverband PRO BAHN Mitteldeutschland e.V.
Foto: pixabay