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Krachendes Eigentor im Landtag - KENIA-Koalition stimmt gegen sich

21. August 2018


Sexuelle Identität in GG & Landesverfassung | Politisches Streitgespräch am 23.08. in MD


Die Ergänzung des Gleichheitsartikels im Grundgesetz war bereits im Jahr 1990 Bestandteil des ersten Grundsatzprogrammes des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD). Viele LSBTI*-Organisationen, insbesondere die CSDs, greifen seit den letzten 28 Jahren die zentrale Forderung des LSVD deutschlandweit auf und fordern zudem die Änderungen der Landesverfassungen in den einzelnen Bundesländern. In Sachsen-Anhalt haben CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im aktuell gültigen Koalitionsvertrag vereinbart: „Die Koalitionspartner werden die Landesverfassung um das Merkmal der sexuellen Identität ergänzen.“

 

Am vergangenen Freitag beriet der Rechtsauschuss des Landtages von Sachsen-Anhalt eine Initiative der Fraktion DIE LINKE. Konkret ging es um die Unterstützung der Bundesratsinitiative mehrerer Länder zur Einfügung des Merkmals der sexuellen und geschlechtlichen Identität in Artikel 3 Satz 1 Grundgesetz (Bundesrat Drs. 225/18). Der Rechtsausschuss lehnte den Antrag (Drs. 7/2864) zur Unterstützung dieser Initiative in seine Beschlussempfehlung eiskalt ab, trotz zustimmender Briefe und mitten in der CSD-Saison.

 

Dazu erklärt Mathias Fangohr vom Lesben- und Schwulenverband Sachsen-Anhalt (LSVD):

 

„Häufig lehnen Koalitionsfraktionen Anträge der Opposition ab. Im konkreten Fall aber bescherte sich die Regierung aus CDU, SPD und Grünen ein krachendes Eigentor. Nichts im Koalitionsvertrag ist klarer festgelegt als ‚die Abschaffung aller Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität in Sachsen-Anhalt wie auf Bundesebene‘ und die ‚Ergänzung der Landesverfassung um das Merkmal der sexuellen Identität‘ (S. 37/38 Koalitionsvertrag).“

 

„Dabei wäre eine Beschlussempfehlung zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht erforderlich gewesen. Weder im Bundesrat, noch im Landtag gibt es aktuell die Dringlichkeit dazu abschließend zu entscheiden. Ich kann mir die Ablehnung nur so erklären: Entweder haben die schwarz-rot-grünen Mitglieder des Rechtsausschusses geschlafen und die Abstimmung vollkommen verpatzt, oder man verabschiedet sich glasklar vom eigenen Koalitionsziel.“

 

„In mehreren, kurz vor der Abstimmung formulierten Briefen, versicherten SPD und Grüne sich für die Ergänzung von Grundgesetz und Landesverfassung einzusetzen. Gemäß Mitteilung der Staatskanzlei seien zur Ergänzung der Landesverfassung sogar vorbereitende Schritte aufgenommen.“

 

„Wenn die Kenia-Koalition sich von der Diskriminierungsfreiheit von Lesben und Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in unserem Land verabschiedet, ist das Wortbruch, Vertragsbruch, taktlos und einfach nur verlogen. Wir sind gespannt, wie die Politik diesen beispiellosen Vorgang beim CSD-Podium am kommenden Donnerstag um 19 Uhr im Magdeburger Familienhaus erklären will.“

 

„Aus Sicht des LSVD kann verloren gegangenes Vertrauen nur wiederhergestellt werden, wenn der Landtag bei seiner Sitzung der Ablehnung des Rechtsausschusses nicht folgt und die Verankerung des verfassungsrechtlichen Schutzes vor Diskriminierung aufgrund unterschiedlicher sexueller Identitäten in dieser Legislatur zeitnah parlamentarisch zu Beschluss bringt, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.“

 

HINTERGRUND ZUM WIDERSPRUCH INNERHALB DER KENIA-KOALITION


STAATSKANZLEI & JUSTIZMINISTERIUM IN VORBEREITUNG ZUR ÄNDERUNG DER LANDESVERFASSUNG

+ ZUSTIMMUNGS-SIGNALE von KOALITIONS-FRAKTIONEN VERSUS ABLEHNUNG IM RECHTSAUSSCHUSS DURCH KOALITION

 

Im Brief der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 13. Juli 2018 erklärt Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann: „Im Ausschuss werden wir uns mit Nachdruck für eine Beschlussempfehlung einsetzen, die diese Initiative unterstützt. In dessen Windschatten ist dann auch das Vorhaben zur Änderung der Landesverfassung erneut zu platzieren.“

 

Die Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Dr. Katja Pähle, formulierte in ihrem Brief vom 31. Juli 2018: „In der Tat ist der Koalitionsvertrag von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in dieser Frage sehr eindeutig und ich darf Ihnen versichern, dass wir alles daran setzen,  diesen Punkt des Koalitionsvertrages auch wortgetreu umzusetzen. Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung wird sich weiter mit diesem Anliegen beschäftigen. Ich darf Sie ermutigen, in Ihrem Engagement in dieser Frage nicht nachzulassen, damit auch andere Fraktionen, die in dieser Frage vielleicht nicht so klar aufgestellt sind wie die SPD, die Notwendigkeit zum Handeln erkennen.“

 

Der von der Staatskanzlei im Namen des Ministerpräsidenten verfasste Brief vom 25.07.2018 ging sogar noch weiter. Darin heißt es: „Wie Ihnen das zuständige Ministerium für Justiz und Gleichstellung schon mitgeteilt hat, sind zur Umsetzung der von den Koalitionsparteien vereinbarten Prüfbitten und /oder Verfassungsänderungen die erforderlichen vorbereitenden Schritte bereits aufgenommen worden.“


 

VERANSTALTUNG / PODIUM | SEXUELLE VIELFALT VERFASSUNGSRECHTLICH SCHÜTZEN

 

Wann?             Donnerstag | 23. August 2018 | 19:00 Uhr

 

Wo?                 Familienhaus im Nordpark | Hohepfortestraße 14 | 39106 Magdeburg

In einem Impulsvortrag wird Günter Dworek (Mitglied im Bundesvorstand des LSVD) die Notwendigkeit der Änderungen von Grundgesetz und Landesverfassung für LSBTI* und für die gesamte Gesellschaft untermauern.

 

Im Anschluss diskutieren:

Anne-Marie Keding (CDU, Justiz- und Gleichstellungsministerin und Schirmfrau des CSD Magdeburg 2018)

Cornelia Lüddemann (Fraktionsvorsitzende BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag Sachsen-Anhalt)

Prof. Angela Kolb-Janssen (SPD-Landtagsfraktion, gleichstellungspolitische Sprecherin)

Eva von Angern (Fraktion DIE LINKE im Landtag, rechts- und queerpolitische Sprecherin)

Philipp Edlich (Vorsitzender der Liberalen Schwulen- und Lesben Mitteldeutschland)

 

Moderation: Henny Engels (Mitglied im Bundesvorstand des LSVD).

 

Eine Veranstaltung des LSVD Sachsen-Anhalt, gefördert vom Ministerium für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt und vom Amt für Gleichstellungsfragen der Landeshauptstadt Magdeburg.