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csm Ministerin Petra Grimm Benne ae2698c74a

Sachsen-Anhalt-News: Lage der Beschäftigten im Gesundheitswesen und der Krankenhäuser während der Corona-Pandemie / Situation der Beschäftigten im Gesundheitswesen verbessern

Donnerstag, den 22. April 2021

Rede Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration

Landtagssitzung vom 22. April 2021

Die Rede im Wortlaut...

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!

Wir sind mitten in der Dritten Welle und wir wissen um ihre Belastungen der Beschäftigten in der Pflege. Die Lage ist mehr als angespannt – in Krankenhäusern, in der Altenpflege und in der ambulanten Pflege. Ich weiß aus vielen Gesprächen, dass viele nach einem Jahr Dauereinsatz unter Pandemie-Bedingungen ausgebrannt sind, dass sie für ihre Patienten und Patientinnen seit Monaten über ihre Grenzen gehen, dass sie sich sehr wünschen, dass endlich das Licht am Ende des Tunnels kommt. Und ich weiß auch, dass mancher, der seinen Beruf eigentlich liebt, überlegt, auszusteigen.

Es ist mir wichtig, dass voranzustellen. Es ist Aufgabe der Politik die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass gute Pflege möglich ist. Ich werde hier aber zugleich deutlich dem Eindruck entgegentreten, wir hätten nicht unterstützt.

Genau wie ich der These entgegentreten, das Gesundheitssystem sei mit der aktuellen Lage überfordert.

In dem Antrag, den wir heute debattieren, werden letztlich drei Thesen aufgestellt:

Zum ersten wird behauptet, dass sich die Krankenhäuser aufgrund ihrer Auslastung der Intensivbetten schon jetzt teilweise nicht mehr in der Lage sehen, weitere Intensivpatienten mit einer COVID-19-Infektion aufzunehmen.

Dann wird behauptet, dass eine Erweiterung der Intensivbettenzahl zwar aufgrund technischer Reserven möglich und auch notwendig sei, aber an der Verfügbarkeit des medizinischen Fachpersonals scheitere.

Zum dritten wird die aktuelle Situation als lebensbedrohlich eingeschätzt.

Bevor ich aber im Einzelnen auf diese Thesen eingehe, möchte ich ein paar Worte zu den Rahmenbedingungen sagen.

Anrede,

eine der ersten Maßnahmen, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nach seiner Amtsübernahme durchsetzte, war die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen – begleitet von hohem Dokumentationsaufwand. Damit wollte er das Pflegepersonal der Krankenhäuser vor Nachstellungen durch gewinnstrebende Krankenhausleitungen schützen.

Ein bestimmter Personalbedarf wurde zur Norm ernannt und Unterschreitungen dieser Norm wurden durch Erlöseinbuße sanktioniert.

Im Ergebnis dieses – grundsätzlich sehr guten – Gedankens, kam es zu erheblichem Wettbewerb der Krankenhäuser um examinierte Pflegekräfte. In diese Konkurrenzsituation traf die Pandemie. Zwischendurch wurden die Regelungen zu den Personaluntergrenzen ausgesetzt – aktuell gelten sie für die Krankenhäuser, welche keine Ausgleichszahlungen erhalten. Der hohe Dokumentationsaufwand blieb.

Zu Beginn der Pandemie hat Herr Spahn den Krankenhäusern versprochen, dass sie durch die Pandemie nicht schlechter dastehen sollten als zuvor. In Erfüllung dieses Versprechens wurde die Freihaltung von Kapazitäten für die Behandlung von Corona-Patient*innen bis Ende September vergangenen Jahres durch Freihaltepauschalen finanziert.

Seit dem 18. November 2020 werden Ausgleichszahlungen ausgereicht, die an die Notfallstufe des Krankenhauses gebunden sind. Es soll also nicht mehr die Pandemie-bedingte Minderbelegung vergütet werden, sondern die Last der Pandemie-Bekämpfung.

Insgesamt sind über 128 Millionen € an Abschlagszahlungen in die Krankenhäuser geflossen. Letztlich bleibt es aber trotzdem bei Mindereinnahmen, welche die Krankenhäuser durch die Vereinbarung von Erlösausgleichen mit den Krankenkassen ausgleichen müssen. Da dies nicht zeitnah geschehen kann, kommt es zu Liquiditätsengpässen. Die finanzielle Situation der Krankenhäuser ist angespannt.

Neben den Finanzhilfen zum laufenden Betrieb haben die Krankenhäuser Zuschüsse für die Anschaffung zusätzlicher Beatmungsgeräte erhalten. Eine COVID-19-Infektion hat in schweren Fällen die Ausprägung einer doppelseitigen Lungenentzündung. Nach Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums und der Länder sollten darum die Behandlungskapazitäten innerhalb des Jahres 2020 etwa verdoppelt werden. Für Sachsen-Anhalt ist das gelungen. Das ist vom Bund mit 50.000 € pro Behandlungseinheit und vom Land mit 35.000 bzw. 30.000 € bezuschusst worden. Dafür hat das Land ca. 15 Millionen € aufgewendet. Von Bund und Land zusammen sind über 48 Millionen € für Investitionen in die Krankenhäuser geschlossen.

Anrede,

um die Belastung der Krankenhäuser und ihres Personals richtig einschätzen zu können, muss man zudem wissen, dass die Belegung jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist. Über Weihnachten gibt es grundsätzlich einen Belegungseinbruch, der bis in die 2. Januarhälfte andauert. In diese Phase der geringeren Belegung traf die zweite Welle. Das unterscheidet sie wesentlich von der dritten Welle, die wir gegenwärtig erleben.

Wie geschildert, werden seit Beginn der Pandemie Betten für Corona-Patient*innen freigehalten. Selektive Eingriffe werden verschoben. Solange sie nicht „eilig“ sind, können auch lebenserhaltende Maßnahmen, wie zum Beispiel Tumoroperationen verschoben werden. Außerdem waren viele Patient*innen zu ängstlich, um ins Krankenhaus zu gehen. Da viele verschobene Eingriffe aber mittlerweile zu Notfällen geworden sind, trifft die dritte Welle in volle Krankenhäuser. Auch das ist ein elementarer Unterschied.

Da die Belastung durch die Bekämpfung der Pandemie aber auch jetzt nicht alle Kliniken und nicht alle Regionen gleich trifft, ist hier in besonderem Maße solidarisches Handeln erforderlich.

Um einen „Lastenausgleich“ zwischen den Ländern herzustellen, wurde das so genannte Kleeblatt-System eingeführt. Innerhalb der einzelnen „Blätter“ unterstützen sich die Länder. Sachsen-Anhalt gehört zum „Ost-Kleeblatt“, zusammen mit Brandenburg, Berlin, Sachsen und Thüringen. Im Auftrag dieses Kleeblatts wurde in Sachsen-Anhalt eine Umfrage mit Stichtag 13. April zur Belegung und Altersstruktur der Covid-Patienten im Krankenhaus durchgeführt. Mit Ausnahme eines Krankenhauses (Saalekreis) haben sich alle Krankenhäuser beteiligt.

Die zentralen Ergebnisse:

1. Es wurden mehr Männer als Frauen behandelt. Von den 549 Patient*innen sind 235 Frauen und 283 Männer (Gesamtverhältnis 1 zu 1,2)

2. Das Durchschnittsalter ist geringer als in der 2. Welle

Es liegt bei ca. 66-68 Jahre

nun sind auch jüngere Patient*innen im Intensivbereich

3.    Das Verhältnis von ITS zu Nicht-ITS liegt bei 1 zu 3,15

o   Das ist eine relative Zunahme des ITS-Anteils

4.    Es gibt eine angespannte Lage bei verfügbaren ECMO-Kapazitäten, also der Fälle, bei denen eine Maschine teilweise oder vollständig die Atemfunktion von Patient*innen übernimmt.

 
Anrede,

Was die Thesen der aktuellen Debatte angeht, kann man zusammenfassend sagen:

Es stimmt nicht, dass die Krankenhäuser sich außerstande sehen, weitere Covid-Intensivpatienten aufzunehmen. Es gibt Reserven. Und die Krankenhäuser helfen sich untereinander.

Laut DIVI-Intensivregister sind in Sachsen-Anhalt 146 Intensiv- und Beatmungsbetten mit einem Covid-19-Pateienten belegt, 76 dieser Pateienten werden beatmet (Stand: 19.04.). Es muss mit einem weiteren Anstieg der Belegung gerechnet werden.

Die gegenwärtige Prognose des RKI sieht für Sachsen-Anhalt so aus, dass das von der Uniklinik Halle koordinierte Süd-Cluster tatsächlich an seine Grenzen stoßen könnte. Reserven gibt es dann aber noch im Norden des Landes. Wenn das nicht reicht, können andere Länder um Hilfe gebeten werden.

Nach jetziger Einschätzung werden die neu geschaffenen Intensivkapazitäten zur Behandlung der Corona-Patient*innen ausreichen. Was allerdings Anlass zur Sorge sein kann, ist die hohe Zahl von Non-Corona-Patient*innen – unter anderem auch auf der Intensivstation. Aber auch dieses Problem wird zu lösen sein.

Eine Erweiterung der Intensivkapazitäten ist aufgrund der neu geschaffenen Einheiten möglich. Und: Ja, die Verfügbarkeit des medizinischen Fachpersonals ist schwierig. Die Krankenhäuser haben aber im Verlauf des letzten Jahres sehr viele Mitglieder des Pflegedienstes und anderer Bereiche geschult der Pandemie mitzuhelfen. Mit diesen vereinten Kräften wird es gelingen, die dritte Welle zu bewältigen.

Insofern:

Nein, eine lebensbedrohliche Situation für die Menschen in unserem Lande sehe ich zurzeit nicht.


Anrede,

allerdings werden wir sehr lange mit der Folgenbeseitigung zu tun haben. In diesem Sinne verstehe ich auch die Forderungen aus dem Antrag: „Situation der Beschäftigten im Gesundheitswesen verbessern“.

Sie wissen: Ich kann den Personaleinsatz innerhalb der Pflege als Ministerin nicht bestimmen. Aber natürlich sehe ich mich als Sachwalterin der Belange der Beschäftigten!

Die tarifgerechte Bezahlung der Beschäftigten in der Pflege, gerade in der Altenpflege, ist keine neue Forderung und wird von der Landesregierung vehement unterstützt. Die Länder haben ihre Haltung in deutlich eingebracht, jetzt ist es an den Tarifpartnern, das auch umzusetzen.

 
Anrede,

der Bundesgesetzgeber hat in einem Maßnahmenbündel zur Bewältigung der Pandemie unter anderem den § 150 a SGB XI neu eingeführt. Dort ist die einmalige Sonderleistung für das Pflegepersonal in anerkannten Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI geregelt worden. Die jeweiligen Arbeitgeber wurden zu einer Einmalzahlung verpflichtet. Damit einher ging eine Refinanzierung, damit die Kosten keine Auswirkung auf die Pflegesätze haben.

Eine vergleichbare Regelung für Pflegepersonal außerhalb von anerkannten Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI wurde nicht eingeführt. Vor diesem Hintergrund hat das Land Sachsen-Anhalt nicht die Möglichkeit, weitere Arbeitgeber zu einer Prämienzahlung zu verpflichten.

„Sonderleistungen an Pflegekräfte aufgrund von besonderen Belastungen durch die SARS-CoV-2-Pandemie“ sind außerdem in § 26 a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes geregelt. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus veröffentlicht für jedes anspruchsberechtigte Krankenhaus[1] das Prämienvolumen im Internet Internetseite. Eine entsprechende Vereinbarung wurde durch die Selbstverwaltungspartner geschlossen. Das Land ist unbeteiligt. Die Prämienzahlung ist auch nur für Pflegekräfte vorgesehen. Andere Dienstarten sind nicht berechtigt.

Grundsätzlich sind Löhne- und Gehälter auf arbeits- oder tarifvertraglicher Grundlage zu bezahlen. Arbeitgeber könnten darüber hinaus Gratifikationen auf der Grundlage einer unternehmerischen Entscheidung auch freiwillig bezahlen.

Niemand wird in Abrede stellen, dass auch in anderen Bereichen von den Beschäftigten sehr belastende Arbeit mit großem Engagement geleistet worden ist. Insofern hat die einmalige Sonderleistung für die Beschäftigten im SGB XI Bereich und im Krankenhaus, die ich grundsätzlich sehr begrüße, zu einer gewissen Gerechtigkeitslücke bei den sozialen Berufen geführt.

Lohn- und Vergütungsunterschiede sind jedoch in dem vorgegebenen System mit den unterschiedlichen Zuständigkeiten, verschiedenen öffentlichen und privaten Arbeitgebern sowie den differenzierenden Rechtsgrundlagen letztlich unvermeidlich.

 
Anrede,

auch zu dem letzten Punkt des Antrages: „sich auf Bundesebene für die unverzügliche Deckelung der einrichtungseinheitlichen Eigenanteile in stationären Pflegeeinrichtungen auf niedrigem Niveau und für die Einführung einer solidarischen Gesundheits? und Pflegeversicherung einzusetzen“, gibt es Aktivitäten der Landesregierung.

Es gibt eine eindeutige Beschlusslage der Länder und die ausdrückliche Forderung einer Begrenzung der Eigenanteile

Allerdings sind die Signale auf Bundesebene nicht sehr vielversprechend, was eine Umsetzung dieses Vorhabens noch in dieser Legislatur anbelangt.

Ich werde jedoch nicht nachlassen und mich weiterhin für eine deutliche Entlastung der Pflegebedürftigen einsetzen.

 
Anrede,

Sie sehen: die Landesregierung ist an den entscheidenden Stellen aktiv geworden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 
[1] unter Angabe des Namens und des Kennzeichens nach § 293 Abs. 1 SGB V