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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Do.., 22. April 2021

  1. Christine Lambrecht sagt zum Fall Wirecard aus
    3. Untersuchungsausschuss/Ausschuss
  2. Digitale Chancen für den Tourismus
    Tourismus/Ausschuss


01. Christine Lambrecht sagt zum Fall Wirecard aus

3. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/LL) Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wurde am Mittwochnachmittag vom 3. Untersuchungsausschuss ("Wirecard") befragt. Dabei ging es vor allem um die Rolle der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), die den Bilanzbetrug der Wirecard AG nicht aufdeckte, und deren Verbindung zum Bundesministerium der Justiz.

Entsprechend dem vom Deutschen Bundestag 2004 einstimmig beschlossenen Bilanzkontrollgesetz führe die 2005 vom Finanzministerium zertifizierte privatrechtlich organisierte DPR seit 2005 stichprobenartig Bilanzkontrollverfahren bei Kapitalmarktunternehmen auf der ersten Stufe eines zweistufigen Verfahrens durch, erläuterte Lambrecht. Auf der zweiten Stufe werde die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als Teil der hoheitlichen Verwaltung tätig.

Für dieses Verfahren habe man sich in Reaktion auf die großen Unternehmensskandale vom Anfang der 2000er Jahre entschieden, sagte die Ministerin und erinnerte daran, dass es in Deutschland vorher gar keine Bilanzkontrolle gegeben habe. Man sei damals der Idee der Selbstregulierung der Wirtschaft gefolgt, habe eine mit hochkarätigen Experten aus der Wirtschaft besetzte Einrichtung geschaffen, mit Leuten, die sich auf Augenhöhe mit den zu kontrollierenden Unternehmen bewegten und wüssten, wo sie bei der Prüfung hinschauen müssen. Unstimmigkeiten sollten zunächst auf Ebene des Privatrechts gelöst werden.

Noch 2017 habe die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA das deutsche Verfahren als vorbildlich bezeichnet. 1.500 Prüfverfahren habe die DPR bis heute durchgeführt und in einzelnen Fällen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt, den Finanzbetrug bei Wirecard jedoch leider nicht entdeckt. "Da ist das zweistufige Verfahren an seine Grenzen gestoßen." Für Bilanzbetrug, kriminelle Strukturen, kriminelle Energie sei die DPR auch nicht zuständig, sondern lediglich für die Bilanzkontrolle und gegebenenfalls die Feststellung von Fehlern in der Rechnungslegung.

Ihr Haus, das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) selbst sei nicht Teil des Enforcement-Geschehens, habe keinen Einblick in Einzelfälle, erläuterte Lambrecht. Informationspflichten der DPR bestünden ausschließlich gegenüber der BaFin. Die Beschäftigten der DPR unterlägen sogar einer strafrechtlich bewährten Verschwiegenheitspflicht.

Das sei "das Konstrukt, wie es der Gesetzgeber 2004 einstimmig beschlossen hat." Daher habe das BMJV auch nicht über das laufende Prüfverfahren gegen die Wirecard AG informiert werden können. Im Zuge der Wirecard-Krise habe man sich das zweistufige Prüf-Konstrukt dann aber genauer angeschaut. Um Rechtssicherheit herzustellen und politischen Handlungsspielraum für eine Neuordnung zu bekommen, habe ihr Haus den Vertrag mit der DPR am 29. Juli 2020 im Rahmen einer ordentlichen Kündigung aufgelöst. Dieser laufe nun noch bis Ende 2021. Dies sei ausdrücklich nicht als Schuldvorwurf gegen die DPR zu verstehen. Die Bilanzkontrolle werde im Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz neu geregelt.

Die Ausschussmitglieder konfrontierten die Ministerin mit der Frage, wie sich die vom Gesetzgeber geforderte personelle Unabhängigkeit der DPR-Prüfer damit vertragen habe, dass der Leiter der Prüfstelle, Edgar Ernst, bis zuletzt drei Aufsichtsratsmandate bei den Unternehmen Metro, Tui und Vonovia inne hatte.

Lambrecht klärte auf, dass der damals laufende Dienstvertrag des Prüf-Chefs dies durchaus erlaubt habe. Die 2016 novellierte Verfahrensordnung der DPR habe dann ausgeschlossen, neue Aufsichtsratsmandate anzunehmen, jedoch auf zukünftige Dienstverträge gezielt und zudem Ausnahmen für die DPR-Spitze vorgesehen. Und: "Uns ist dann klar geworden: Da warten wir nicht, bis jemand neues kommt," sondern man fordere das bereits vom aktuellen Präsidenten an, wenn es zu dessen Vertragsverlängerung komme. Bei bestehenden Aufsichtsratsmandaten könne der für die DPR zuständige Nominierungsausschuss Ausnahmen zulassen. Demnach dürften der Präsident und sein Vize jeweils höchstens drei Aufsichtsratsmandate behalten, bei Ernst eben die von Metro, Tui und Vonovia. Es dürften jedoch keine neuen Engagements übernommen werden.

"Die drei bestehenden Aufsichtsratsmandate durfte er behalten", monierte Matthias Hauer (CDU/CSU). "Das hört sich an wie ein Placebo: Nach außen verschärfen wir die Regeln, und nach innen bleibt alles so wie es ist."

Hauer brachte auch die "nicht besonders tief gehenden Regelungen" des Anerkennungsvertrags zu Sprache, der das Verhältnis zwischen DPR, BaFin und BMJV zum Gegenstand hat. Eine in diesem Papier vorgesehene Präzisierung der Arbeitsbeziehungen durch eine weitere gesonderte Vereinbarung zwischen Behörde, Prüfstelle und Ministerien habe es wohl auch nie gegeben, stellte der CDU-Mann fest.

"Das zugrunde liegende Gesetz stellt keine schärferen Anforderungen", machte Lambrecht klar, die das Amt erst seit knapp zwei Jahren bekleidet. "Und jetzt soll ja alles neu geregelt werden." Die Ministerin unterstrich, dass es sich bei der DPR um eine unabhängige, privatwirtschaftlich organisierte Stelle handele, die dem Zeitgeist von 2004/2005 entsprechend, unabhängig, mit Experten aus der Wirtschaft ausgestattet, auf Kooperation ausgerichtet, handeln sollte. Man müsse bedenken: "Vorher gab es nichts" dergleichen.



02. Digitale Chancen für den Tourismus

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Um die Chancen der Digitalisierung für die Reisewirtschaft nutzbar zu machen, bedarf es zusätzlicher Anstrengungen. So lautete am Mittwoch der Tenor eines Fachgesprächs im Tourismusausschuss. Einigkeit unter den Teilnehmern bestand darüber, dass die Coronakrise einen Digitalisierungsschub ausgelöst habe, der das Konsumverhalten von Reisenden und folglich das Angebot von Veranstaltern, Beherbergungswirtschaft und Gastronomen betreffe. Dabei sei aber auch der Nachbesserungsbedarf unübersehbar geworden.

Michael Buller, Vorstand im Verband Internet Reisevertrieb, wies darauf hin, dass der Anteil der Menschen mit Netzzugang in Deutschland in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten von 31 auf 89 Prozent gewachsen sei. Derzeit würden 67 Prozent aller Reisebuchungen auf digitalem Wege abgewickelt. Auf der anderen Seite lasse die digitale Bildung immer noch sehr zu wünschen übrig. Sie könne nicht einmal in den Lehrplänen angemessene Berücksichtigung finden, weil diese in der Regel mit fünfjährigem Vorlauf entwickelt würden und bis dahin vom digitalen Wandel überholt seien. "Digitalisierung ist kein Alibi, sondern eine ernste Haltung", nämlich derjenigen, die auf Innovations- und Experimentierfreude setzten, sagte Buller. Die Politik müsse Geld in die Branche pumpen, um vor allem die "Mutigeren und Stärkeren" zu fördern.

Von einer "neuen digitalen Konsumentenrealität" als Folge der Pandemie sprach Michael Faber, einer von zwei Geschäftsführern des Netzwerkes "Tourismuszukunft - Realizing Progress", das nach seinen Worten seit 14 Jahren Anbieter im Reisesektor dabei unterstützt, sich auf den digitalen Wandel einzustellen. Auch auf seiten der Unternehmen beobachte er derzeit eine bisher nie dagewesene Veränderungsbereitschaft, betonte Faber. In diesem Prozess seien die Mitarbeiter die "tragende Säule". Abgesehen davon, dass die Branche für ihre Beschäftigten attraktiv bleiben müsse, komme es daher auf eine "Transformation der Ausbildungsinhalte" sowie neue, praxisnahe Weiterbildungsangebote an. Hybride sowie digitale Lern- und Beratungsformate seien dafür von großer Bedeutung. Ohne elektronische Hilfsmittel - Stichworte: Besucherlenkung, Sensorik, digitaler Impfpass - seien auch die Folgen der Pandemie nicht zu bewältigen.

Der Geschäftsführer der Guide2 GmbH, eines seit 2016 tätigen Anbieters einer Buchungs- und Informations-App für die schleswig-holsteinische Westküste, Michael Faltis, berichtete über ein Projekt, das es Kurorten erleichtern soll, auf digitalem Wege die Meldedaten ihrer Gäste zu erheben und die Kurabgabe einzuziehen. Der Vermieter brauche dabei nicht mehr eingeschaltet zu werden. Statt in 20 oder 30 Minuten, die es dauere, einen Meldezettel korrekt auszufüllen und einzureichen, sei der Vorgang in zwei Minuten abzuwickeln. Die Daten seien so auch zu Zwecken der Statistik einfacher zu verwalten.

Die großen Internet-Plattformen, sagte Professor Eric Horster von der Fachhochschule Westküste im holsteinischen Heide, seien im Wortsinne "Treiber" der Entwicklung: "Sie treiben die Kunden zu anderen Gewohnheiten." In diesem Sinne habe auch die Pandemie ihr Gutes: "Sie hat alle zu anderen Gewohnheiten gezwungen. Wir mussten uns digitalisieren." Horster, der in Heide internationales Tourismus-Management lehrt, hob unter anderem die Bedeutung einer "digitalen Gästekarte" für die Besucherlenkung in gefragten Reiseregionen hervor.

"Deutsche Urlaubreisende sind immer smarter", stellte der Geschäftsführer der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH, Dieter Hütte, fest. Sie erwarteten zum Beispiel zeit- und ortsnah abrufbare Informationen über ihre Reiseziele. Seine Organisation habe daher jetzt 100 "Info-Stelen" installieren lassen. Bereits seit zwei Jahrzehnten sei eine landesweite Datenbank verfügbar mit Angaben über 14.000 Besuchsziele sowie 5.000 buchbare Angebote. Erforderlich sei freilich auch ein "digitales Bewusstsein der Tourismus-Anbieter", so Hütte. Hieran fehle es noch vielfach, was auch mit der von Kleinstbetrieben dominierten Struktur des Gewerbes zu tun habe. Viele Unternehmen seien bisher nur unzureichend in der Lage, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Es bedürfe verbesserter Beratungsangebote und eines "landesweiten Wissensmanagements".