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Doris Richter Dornauszieher

Magdeburg-News: Lebensweisheiten und Sprüche von Doris Richter

Sonntag, den 2. Januar 2020

In manchen Kirchen, so auch im Dom St. Mauritius und Katharina zu Magdeburg sind zahlreiche Darstellungen, die auf Lebensweisheiten und Gebote Bezug nehmen. Wir haben im Dom ein wunderschönes Chorgestühl. Das Chorgestühl ist eine geweihte Einrichtung, ein Element des gesegneten Chorraumes. Der Klappsitz bildet den Kern des Chorstuhls. Ist er herunterklappt, kann der Mönch sitzen, ist er hochgeklappt, kann der Mönch stehen und knien. Aber auch ein Stehsitzen kann praktiziert werden, eine Haltung zwischen Sitzen und Stehen, wenn er sich auf der verbreiterten Vorderkante des Klappsitzes – der Miserikordie, dem Sitz des Erbarmen – niederlässt. Eine fünfte Haltung ermöglichen neben Stehen, Knien, Sitzen und Stehsitzen die Schulterringe oder Accoudoirs, Auflageflächen für die Arme, durch die sich Mönche im Stehen hängen lassen können. Die Miserikordien unter den Klappsitzen tragen eine Fülle von humorvollen, derben Bildern, die mit ernstem Hintergrund die Domherren an einen gottgefälligen Lebenswandel gemahnen.

Die jeweiligen Domherren hielten ihre Feststunden im Chorgestühl nach den Regeln stehend. Mit dem Po konnten sie sich an den Stegen der Klappstühle ein wenig abstützen.  Da das mitunter beschwerlich war, wurden diese Stühle „mise recordian“ (habt Erbarmen) getauft. Wenn sie auf den Klappstühlen saßen und sich erhoben, klappten die schweren Teile nach Hinten und verursachten viel Krach. Dann sprach so manchen Nachbar „Halt die Klappe“ (Sei leise). Diese Aufforderung wurde auch im profanen Leben übernommen.

Die Wasserspeier am gotischen Dombau dienen sehr praktisch der Ableitung des Wassers von den Dächern, sollen aber in ihrer symbolhaften Gestaltung auch das Böse fernhalten. Das Speien oder Anspucken fand auch im „normalen“ Leben Anwendung, so will man sich Böses vom Laibe halten.

Der Dombesucher kann einen Epithaph finden, auf dem ein römischer Soldat die Heilige Katharina umbringen will. Da er damit etwas Böses versucht, wurde er mit einem nackten Po dargestellt. Das entsprach der Bezeichnung „So ein Arsch“ für einen Menschen, der anderes Böses zufügen wollte oder zufügte. Epitaphien werden Grabinschriften oder ein Grabdenkmal für einen Verstorbenen an einer Kirchenwand oder einem Pfeiler bezeichnet. Sie sind in der Regel künstlerisch gestaltet, müssen aber nicht an einem Bestattungsort aufgestellt sein.

An der Grablege des Friedrich von Wettin gibt es einen kleinen Dornauszieher. Wenn jemand in seinem Leben viel Unangenehmes erlitten hatte, brauchte er ein Hilfe, ihn von manchen Leid und Makel zu befreien. Die liegende Grabplatte stellt den 1152 verstorbenen Erzbischof Friedrich von Wettin dar. Der Bischofsstab tritt mit der Spitze auf die kleine hockende Figur des antiken Dornausziehers als Symbol des Heidentums, das durch das Christentum überwunden wurde.

Wer ist schon makellos und bräuchte nicht Hilfe? Also seid in diesem Sinne auf der Suche nach Symbolen und Ähnlichkeiten!

Die liegende Grabplatte im Dom stellt den 1152 verstorbenen Erzbischof Friedrich von Wettin dar. Foto Dornauszieher