header-placeholder


image header
image
SAN News

„Kein Täter werden“: Menschen mit pädophiler Neigung erhalten anonym Hilfe

Donnerstag, den 18. Juni 2020

Magdeburg. Als bundesweit erstes Flächenland startet Sachsen-Anhalt gemeinsam mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin ein Fernbehandlungs-Projekt für Jugendliche und Erwachsene mit pädophiler Neigung. „Der sexuelle Missbrauch von Kindern gehört zu den abscheulichsten Straftaten“, sagt Sozialministerin Petra Grimm-Benne vor dem Hintergrund der jüngsten Missbrauchsfälle in Münster, Lüdge oder Bergisch Gladbach. Die Opferzahlen seien hoch. Im vergangenen Jahr wurden bundesweit fast 15.000 Mädchen und Jungen Opfer sexuellen Missbrauchs, in Sachsen-Anhalt 579. „Das sind Fälle, die angezeigt wurden, die Dunkelziffer ist viel höher“, sagt Grimm-Benne. „Hier müssen wir dringend im Vorfeld präventiv tätig werden, um weitere Missbrauchstaten zu verhindern.“

Zusammen mit dem Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin als Projektträger bietet Sachsen-Anhalt ab sofort eine kostenlose und anonyme Fernbehandlung als virtuellen Standort des Präventionsnetzwerkes „Kein Täter werden“ über das Internet an. „Ziel ist es dabei, sexuellen Missbrauchshandlungen an Kindern in einem Stadium vorzubeugen, in dem noch nichts vorgefallen ist“, erklärt Initiator und Institutsdirektor Prof. Dr. Dr. Klaus M. Beier. Die aktuelle Forschung gehe davon aus, dass sich bei Menschen sexuelle Ausrichtungen in der Pubertät manifestieren, wozu auch die pädophile Neigung als die sexuelle Ansprechbarkeit für den kindlichen Körper gehört. „Menschen mit pädophilen Neigungen brauchen Beratung, damit Missbrauch verhindert werden kann“, sagt Grimm-Benne und betont, dass durch den Fernbehandlungsansatz auch die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme von Betroffenen niedriger ist.

„Die sexualmedizinische Diagnostik erlaubt eine zuverlässige Beurteilung der sexuellen Neigung und deren Risikoeinschätzungen“, sagt Prof. Dr. Dr. Beier. Das sei für die nachfolgende Therapie eine wichtige Voraussetzung. Bisherige Erfahrungen zeigten, dass durch das Behandlungsprogramm Risikofaktoren für sexuellen Missbrauch reduziert werden können. „Im Verlauf der Therapie erlernen die Patienten Strategien zur Verhinderung von sexuellen Übergriffen und der Nutzung von Missbrauchsabbildungen“, fasst Prof. Beier zusammen.

Auch für Jerome Braun, Geschäftsführer der Deutschen Kinderschutzstiftung Hänsel + Gretel, die das Präventionsprogramm seit seinem Start unterstützt, ist das therapeutische Angebot von „Kein Täter werden“ ein wichtiger Baustein in der Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs: „Das Hilfsangebot für Menschen mit pädophiler Neigung verfolgt, genau wie Maßnahmen in Kindergärten und Schulen, das Ziel, Kindesmissbrauch zu verhindern. Vorbeugende Maßnahmen sind Kinderschutz. Jede verhinderte Tat schützt ein Kind.“

Sollte ein persönlicher Kontakt für die Diagnostik in Berlin notwendig werden, sollen Betroffene nach Berlin reisen können. „Das Projekt sieht auch dafür die entsprechenden Reisekosten vor“, sagt Grimm-Benne. Das Sozialministerium unterstützt die Öffentlichkeitsarbeit des Projekts seit 2018 und finanziert in diesem Jahr rund 74.000 Euro, die Charité – Universitätsmedizin Berlin nimmt dafür rund 15.000 Euro in die Hand. Für ein mögliches zweites Modelljahr sind im Landeshaushalt rund 100.000 Euro reserviert. Zudem sind in Sachsen-Anhalt die Haushaltsansätze für den präventiven Kinderschutz kontinuierlich erhöht worden. Standen im Jahr 2019 rund 282.500 Euro zur Verfügung, sind es 2020 385.500 Euro und im Jahr 2021 rund 460.500 Euro.

Hintergrund:

Im Internet ist das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ erreichbar unter: www.kein-taeter-werden.de. Termine können auch telefonisch oder per E-Mail vereinbart werden unter 030 450529350 bzw. sachsen-anhalt@charite.de.