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Fraktion DIE LINKE: Umkämpfte Geschichte - Umkämpfte Gegenwart.

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt.


Erklärung der Landesvorsitzenden Birke Bull-Bischoff und des
Fraktionsvorsitzenden Swen Knöchel zum Jahrestag des Beginns der
nationalsozialistischen Diktatur:

1923 wurde die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei für zwei
Jahre verboten. Keine zehn Jahre später war sie an der Macht. Kein
Staatsstreich, sondern Wahlen brachten Hitler ins Amt. Keine
Machtergreifung, sondern eine demokratische Machtübergabe an die seit
1932 stärkste Partei im Reichstag besiegelte das Ende der Weimarer
Demokratie. Bei der Wahl im März 1933 konnte die NSDAP ihre Gewinne
nochmals auf über 43 Prozent der Wählerstimmen steigern.

84 Jahre später schauen wir mit neuem Interesse auf Weimar und die
Feinde der Demokratie. Inwieweit beeinflusste die Weltwirtschaftskrise
den Aufstieg der Nazis? Welche Debatten bestimmten die Wahlkämpfe?
Welche Fehleinschätzungen begleiteten die Parteien im Allgemeinen und
die zerstrittene Arbeiterbewegung im Besonderen? Warum zog der beißende
Antisemitismus dieser Zeit so viele an und stieß zu wenige ab?

Wohin wir schauen, die Unantastbarkeit der Demokratie, die Gewissheiten
der Nachkriegsordnung wanken. Ohne den Blick in den Abgrund
nationalsozialistischer Vernichtungspolitik und zweier Weltkriege hätte
es die Erklärung der Menschenrechte, die Vereinten Nationen, die
Europäische Union, die Schutzabkommen und das Recht auf Asyl nicht
gegeben. Heute wird dies wieder in Frage gestellt. Unselige Begriffe der
Weimarer Zeit erleben ihre Wiedergeburt [-] Volksgemeinschaft und
Patriotismus könne man ganz unbeschwert wieder verwenden. Als wäre der
Holocaust nur ein Irrweg, eine Sackgasse nationaler Politik, nur ein
privates Projekt Hitlers gewesen. Die Grenzen des Sagbaren werden
täglich erweitert, das Verbotsverfahren gegen die NPD scheitert zur
gleichen Zeit.

Geschichte wiederholt sich nicht einfach. Aber Menschen machen
Geschichte. Es werden parlamentarische Mehrheiten sein, die über die
Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei abstimmen. Es werden
Mehrheiten die neue Präsidentschaft in Frankreich oder die
Zusammensetzung des niederländischen Parlaments bestimmen. Es sind laute
Minderheiten in Deutschland, die zu relevanten Gruppen geworden sind und
die Parteienlandschaft bereits jetzt verschoben haben.

Der schleichenden Spaltung der Gesellschaft ist die herrschende Politik
mit viel Gleichgültigkeit begegnet, CDU, SPD und GRÜNE Regierungen haben
sie verschärft. Gegen die Wahlenthaltung vieler haben wir zu zaghaft
nach Antworten gesucht. Jetzt aktivieren Rechtspopulisten diese
Verdrossenen wieder. Und geben damit auch denen einen Lautsprecher, die
gegen die schreiende Ungerechtigkeit zwischen Nord und Süd, zwischen
reich und arm, die Mauern immer höher ziehen wollen.

Wir müssen dagegen halten. Manchmal gemeinsam und manchmal jeder an
seinem Platz. Demokratie müssen wir buchstabieren und nicht als leere
Hülse vor uns hertragen. Antifaschismus und Antirassismus werden immer
Bezugspunkte LINKER Politik bleiben. Der pädagogische und
architektonische Ausbau der Gedenkstätte Isenschnibbe muss im
Landeshaushalt 2017/2018 sichergestellt werden. Bildung,
Geschichtsvermittlung und eine sozialpolitische Offensive (Butterwegge)
sind die Aufgaben und Zielsetzungen in der Landes- und Bundespolitik.
Nicht Extremismusdebatten stärken die Demokratie, sondern soziale
Gerechtigkeit, ein starker Sozialstaat und die Solidarität mit
bedrängten Gruppen. Nie mehr darf das Individuum schutzlos den
Interessen auch von Mehrheiten ausgesetzt sein.

Geschichte und Erinnerung sind keine schnurgeraden Prozesse. Jede Zeit
erfordert neue Perspektiven. Jede Zeit erfordert Stimmen gegen das
Verschweigen: Erst seit 1985 wurde in Westdeutschland der 8. Mai als Tag
der Befreiung anerkannt. Erst fünf Jahrzehnte nachdem Rotarmisten das
Todeslager Auschwitz-Birkenau befreiten, wird der 27. Januar zum
Gedenktag. 2011 [-] 66 Jahre nach dem Ende des II. Weltkrieges [-] beginnt
sich eine neue wirksame Rechtsauslegung für die juristische Verfolgung
von Wachmännern in Konzentrationslagern durchzusetzen."

Oranienbaum - Wörlitz, 29. Januar 2017