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Christian Lindner  Martin Rulsch  1

LINDNER-Interview: Wenn die Inhalte stimmen, übernehmen wir gerne eine gestaltende Rolle

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner (Foto) gab „WDR 5“ das folgende Interview. Die Fragen stellte Judith Schulte-Loh.

Frage: Wenn die Wähler am Sonntag entschieden haben, kommt für Sie dann noch ein Jamaika-Bündnis mit den Grünen und der Union infrage? Katrin Göring-Eckardt hat das im WDR 5 Morgenecho nicht ausgeschlossen.

Lindner: Nein. Wir schließen es auch nicht aus. Aber ich habe inzwischen keine große Erwartung mehr daran. Die Wahrscheinlichkeit geht nahe null. Das hängt damit zusammen, dass die Grünen sich selber die Latte sehr hoch gelegt haben. Die Grünen haben keine Konsequenzen aus der Flüchtlingskrise 2015 gezogen. Sie wollen immer noch nicht, zum Beispiel nach Marokko, abschieben, es zum sicheren Herkunftsland erklären. Auch in der Energiepolitik halten die Grünen mit Quoten und Subventionen an alten Konzepten fest, die sich als sozial und ökologisch nicht wirksam erwiesen haben.

Frage: Aber es gibt auch einige Punkte, bei denen Liberale und Grüne gar nicht so weit auseinander liegen. Beide Parteien wollen ein Einwanderungsgesetz, den Schutz der Bürgerrechte. Auch die Innen- und Sicherheitspolitik sind Punkte, wo man sich durchaus treffen könnte.

Lindner: Wir müssen sogar noch zwei weitere Punkte ergänzen. Die Grünen wollen auch wie wir Aktien des Staates von Post und Telekom verkaufen, um ins Glasfasernetz zu investieren. Und die Grünen wollen auch unseren Bildungsföderalismus, die Konkurrenz der 16 Länder, auf den Prüfstand stellen. Aber bei diesen Gemeinsamkeiten darf man nicht übersehen, dass es doch fundamentale Unterschiede gibt, wenn es um Bürokratismus geht und mehr Flexibilität für die Menschen, wenn es darum geht, auch die Mitte der Gesellschaft bei Sozialabgaben und Steuern zu entlasten. Ich sage nochmal: Gerade was die Frage nach einer geordneten Zuwanderungspolitik angeht, die unseren Interessen dient und humanitär verantwortlich ist, die aber eben doch sehr viel stärker differenziert zwischen Flüchtlingen und qualifizierter Einwanderung und Flüchtlingen, die irgendwann in die alte Heimat zurückmüssen, da haben die Grünen einen weiten Weg zu gehen.

Frage: Die Jamaika-Koalition wäre kein Novum. In Schleswig-Holstein gibt es sie seit gut drei Monaten und die zwei führenden Köpfe von FDP und Grünen, Wolfgang Kubicki und Robert Habeck, arbeiten dort zusammen. Es scheint also zu funktionieren. Warum nicht im Bund?

Lindner: Die FDP regiert sogar mit SPD und Grünen in Rheinland-Pfalz, weil das da möglich war. Man muss immer schauen: Wie sind die inhaltlichen Fragen? Selbstverständlich wären wir bereit zu Gesprächen. Daran kann es gar keinen Zweifel geben. Nur die Wählerinnen und Wähler müssen vor der Wahl auch wissen, wie wahrscheinlich das ist. Und die Grünen haben die FDP gerade in der Frage der Einwanderung und in der Frage Energie ja zum „Gottseibeiuns“ erklärt und eine ganze Kampagne auf der Denunziation der FDP aufgebaut. Wie wollen sie das ihren eigenen Anhängern erklären, dass das alles nur dummes Zeug war, was sie vor der Wahl über die FDP behauptet haben?

Frage: Im Wahlkampf schenkt sich ja niemand etwas. Auf einer emotionalen Ebene wäre doch noch eine Annährung möglich?

Lindner: Aber selbstverständlich. Wir sind ja Profis und es geht darum, gut zu regieren. Nur ich will nochmal sagen: Die FDP hat schon mit der CDU ganz erhebliche Meinungsunterschiede, wenn es etwa um die Frage Europa geht. Ich habe den Eindruck, dass Frau Merkel mit Herrn Macron schon neue Geldtöpfe verabredet hat, in die deutsches Geld reinfließt und das ohne Zweckbindung in andere europäische Länder gehen soll. Eine Art Finanzausgleich auf europäischer Ebene, der völlig ausgeschlossen ist für uns, weil wir Europa stabil machen wollen. Das geht nur durch Stärkung der finanzpolitischen Eigenverantwortung, durch marktwirtschaftliche Reformen. Da sind die Unterschiede ja schon so groß. Deshalb, wie gesagt: Gesprächsbereitschaft ja, aber man muss auch realistisch sein, wie die Wahrscheinlichkeiten sind.

Frage: Realistisch bewerben Sie sich gerade eher für eine Oppositionsrolle.

Lindner: Kein bisschen.

Frage: Worauf setzen Sie dann?

Lindner: Wir gehen eigenständig in die Wahl, wollen gewählt werden für unser Programm, für unsere Prinzipien und unsere Kandidatinnen und Kandidaten. Danach sind wir bereit zu sprechen. Nur jeder muss wissen, die FDP geht in eine Regierung, wenn man Gutes bewirken kann. Das haben wir ja bewiesen in den Ländern. Aber in Baden-Württemberg sind wir der Einladung in die Regierung von Herrn Kretschmann letztes Jahr nicht gefolgt, weil es eben keine Möglichkeit gab, unsere Themen auch miteinzubringen. Wir wollen ja nicht alles bestimmen, aber schon ein paar Akzente setzen. Und es gibt für uns rote Linien. Rote Linie heißt für uns Verbot des Verbrennungsmotors, rote Linie heißt für uns Schuldenvergemeinschaftung in Europa, rote Linie heißt für uns, es gibt kein Einwanderungsgesetz.

Frage: Sie hängen die Latte ziemlich hoch. Reizt es Sie nicht, im Bund wieder mitregieren zu können?

Lindner: Doch gerne. Enthusiastisch gerne würden wir gestalten.

Frage: Aber dann müssten Sie noch viele Stimmen bekommen.

Lindner: Wir sind bereit, sogar gerne, für die Übernahme von Verantwortung. In Nordrhein-Westfalen haben wir das im Mai ja gezeigt. Nur nicht um jeden Preis. Die Inhalte müssen stimmen und dann übernehmen wir gerne auch eine gestaltende Rolle. Aber zu sagen, Jamaika hat eine Mehrheit, jetzt machen wir das einfach, das geht mit uns nicht. Dafür war der Weg durch die außerparlamentarische Opposition zu rau und zu hart, als dass wir noch einmal unsere Grundüberzeugungen infrage stellen lassen würden.