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Online Lucy   Dicki

Lucy & Dicki, Teil 9 – Eine Geschichte von Kathrin König aus Haldensleben

Am wilden Bach ins kalte Wasser

Haldensleben, 28. Oktober 2018


Eine Geschichte von Kathrin König

Es ist Sonntagmittag. Lucy und Dicki haben sich auf dem Hohen Hof verabredet. Sie liegen unterm Nussbaum und sind gelangweilt. „Was wollen wir heute machen?“, fragt Lucy. Dicki überlegt und sagt: „Wir können heute mal zum Bauernhof gehen. Dort kauft meine Katzenmama Anne immer die Eier und das Gemüse. Wir schauen uns da mal um.“ Beide machen sich auf den Weg zum Bauernhof. Sie laufen durch die Gärten der Nachbarn und sind bald da.

Herr Silbernagel geht sonntags immer zum Mittagessen zu seinen beiden Schwestern Greta und Hildegard. Sie haben einen großen Garten und verkaufen täglich ihr frisches Gemüse und die Eier von ihren glücklichen, freilaufenden Hühnern. Auch eine junge Frau, die in der Stadt ein Biogeschäft hat, kauft täglich bei ihnen ein. 

Herr Silbernagel ist schon mit seinem Hund Falko unterwegs und legt einen Schritt zu, denn er möchte doch pünktlich zum Essen da sein. Als er auf den Hof kommt und zur Veranda geht, sieht er, dass die Gazetür einen Spalt geöffnet ist. Die Gazetür wurde wegen der vielen Fliegen und großen Brummer extra eingesetzt. Er wundert sich. Er betritt die Veranda und sieht auf dem gedeckten Tisch zwei Katzen, die sich am Essen laben. Das sind doch Lucy und Dicki? Ja, natürlich sind sie das! Lucy nascht gerade vom Vanillepudding und Dicki kaut an einer Bulette, die er vom großen Teller mit vielen lecker duftenden Buletten gezogen hat. Herr Silbernagel klatscht in die Hände und die Katzen springen erschreckt vom Tisch. Er macht ihnen die Gazetüre auf und schon flitzen beide hinaus. Herr Silbenagel zieht die weiße Tischdecke wieder glatt, die sich beim Hinunterspringen der Katzen verzogen hat. Die angefressene Bulette wickelt er schnell in eine Serviette ein und steckt sie in die Hosentasche. Bello wird sich nachher darüber freuen. Den Vanillepudding kann er nicht so stehen lassen und diesen selber noch essen, mag er auch nicht. Schließlich hatte Lucy recht viel davon genascht. Er horcht, ob seine Schwestern kommen und hört nur ihr emsiges Treiben in der Küche. Er nimmt die Kompottschale und geht damit auf den Hof. Er gibt den Hühnern den Rest des Puddings und schleicht wieder zurück. Nichts ist mehr von dem unerlaubten Eindringen der Katzen zu sehen und er setzt sich an den Tisch. Nein, er wird seinen Schwestern nicht erzählen, dass Lucy und Dicki hier auf dem Tisch waren. Greta und Hilde kommen aus der Küche und bringen die Kartoffeln, Soße und das Gemüse mit. Sie begrüßen sich und fangen mit dem Essen an. Greta wundert sich nur, dass ihr Bruder zuerst den Pudding gegessen hat, denn seine Kompottschale ist leer. Das macht er doch sonst nicht, denkt sie. Aber es gibt so viel zu erzählen, dass sie nicht mehr darüber nachdenkt. 

Nach dem Essen räumen sie zusammen den Tisch ab. Greta bereitet alles für den Geschirrspüler vor und Hilde bringt die Kartoffel-reste zu den Hühnern raus. Immer, wenn sich die Verandatüre öffnet, kommt die Hühnerschar angelaufen. Der Hahn ruft auch laut sein „Kikeriki!“ und lockt seine Hennen zur Futterstelle. Hilde macht die Stalltüre zu. Sie weiß ja nicht, dass sich Lucy und Dicki im Stall verstecken, nach dem sie von Herrn Silbernagel in der Veranda entdeckt wurden. Jetzt ist die Stalltüre zu. Und wie kommen wir hier wieder raus?, fragen sich Lucy und Dicki. Sie gehen zur Türe und wollen sie mit ihren Pfoten aufstoßen. Sie merken schnell, dass die Türe nicht nachgibt. Auch das staubige Stallfenster, an dem so viele Spinnweben hängen und die dicken Spinnen auf fette Beute warten, ist geschlossen. Nun sitzen sie ratlos im Stall. 

Verhungern werden sie jedenfalls nicht, stellt Dicki fest. Hier stehen Kornsäcke und wo Korn ist, gibt es auch Mäuse. Dicki tröstet Lucy: „Mach dir keine Sorgen, Lucy! Hier gibt es jede Menge Mäuse. Das wird ein Spaß, wenn wir die jagen!“ Lucy hat keinen Appetit auf Mäuse und sie will auch keine jagen. Sie sitzt traurig am Fenster und schaut den Hühnern und dem Hahn zu, wie sie im Sand scharren. Das ist schon ein komisches Volk, diese Hühner und der laut krähende Hahn. Sie sieht, wie ein paar Spatzen ebenfalls Körner fressen und andere in der großen Wasser- pfütze baden. Irgendwie ist das doch recht spannend, dem Treiben auf dem Hof zuzusehen. Als sie Dicki sagen will, was sie so sieht, will er nicht gestört werden: „Pst! Ich will Mäuse jagen!“ So vergeht einige Zeit. Dicki wartet umsonst an einem Mauseloch auf ein Mäuschen. Von einem anderen Mauseloch aus sehen ihn die kleinen Gesellen und sie lachen sich eins: „Piep! Piep!“ „Hihihi! Schaut mal! Da sitzt ein dicker Kater vor unserem Hauseingangsloch und will uns fangen!“ Irgendwann hat auch Dicki keine Lust mehr, dort zu sitzen und zu warten, bis ein Mäuschen kommt. Er setzt sich zu Lucy aufs Fensterbrett und schaut hinaus. „Oh, hast du das gesehen, Lucy? Da draußen rennen die Mäuse und holen sich Körner. Und wir sind hier drinnen eingesperrt!“ 

Nach gefühlten Stunden des Wartens geht die Verandatüre auf und Herr Silbernagel und Falko kommen heraus. Lucy und Dicki sehen sie und rufen laut: “Miau! Miau!“ Falko spitzt die Ohren und geht zur Stalltüre. „Wuff!“, sagt er und Herr Silbernagel dreht sich um. Nun sieht er auch die beiden Katzen im Stall am Fenster sitzen. Er öffnet die Stalltür und sagt: „Da seid ihr ja!“ Lucy und Dicki schmusen um seine Beine und sind froh, dass sie wieder draußen sind. „Na, dann kommt mal mit! Wir gehen jetzt nach Hause!“, sagt Herr Silbernagel. Lucy und Dicki gehen ein Stück des Weges mit Herrn Silbernagel und seinem Hund Falko. Sie kommen zur hohen Gartenmauer und die beiden Katzen klettern in den Baum. Von dort aus gelangen sie auf die Mauer und springen in den Garten.

„Nun sind wir wieder zu Hause! Es war kein schönes Gefühl, im Stall eingesperrt zu sein! Ich hatte richtig Angst!“, sagt Lucy. „Aber verhungert wären wir nicht! Irgendwann wären die Mäuse an die Kornsäcke gegangen und dann schnapp – ich hätte sie alle gefangen. Selbstverständlich hätte ich mit dir geteilt, denn schließlich bist du ja meine Freundin!“, meint Dicki. Sie sitzen wieder auf dem Hohen Hof und putzen die Ereignisse des Tages aus dem Fell und erzählen über das duftende Essen auf dem Tisch, wie gut die Bulette geschmeckt hatte und wie lecker der Pudding war. Aber irgendwie fühlt sich Lucy nicht wohl. Sie hat Bauchweh bekommen. Ob das vom Pudding kommt? Dicki schwärmt noch immer von der Bulette. Musste ausgerechnet Herr Silbernagel kommen und sie beim Fressen stören? 

Sie plaudern noch ein Weilchen und dann will Lucy schnell nach Hause. „Bis morgen!“, ruft Lucy und Dicki antwortet: „Ja, bis morgen!“