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Online Dicki

Lucy & Dicki, Teil 8 – Eine Geschichte von Kathrin König aus Haldensleben

Am wilden Bach ins kalte Wasser

Haldensleben, 14. Oktober 2018


Eine Geschichte von Kathrin König

Fleischermeister Silbernagel geht mit seinen beiden großen Hunden einen schmalen Weg am Bach entlang. Er lässt sie ohne Leine laufen, denn sie hören sofort, wenn er sie ruft. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und die Vögel zwitschern so schön. Ja, so hat er sich seinen Ruhestand vorgestellt. Herr Silbernagel hat sein Geschäft seinem Sohn übergeben, der ebenfalls Fleischermeister ist und den Laden nun weiterführt. Alles läuft wie am Schnürchen und er freut sich darüber.

Plötzlich wird er durch lautes Bellen und Knurren aus seinen Gedanken gerissen. Was ist denn da los?, denkt er und geht mit schnellen Schritten zu seinen Hunden. Bello benimmt sich wie wild, aber Falko fiept ängstlich und wartet auf sein Herrchen. Herr Silbernagel schaut in den Bach hinein und entdeckt dort eine schwarze Katze, die mit der Strömung mitgerissen wird. Sie versucht, dagegen anzukämpfen, aber die Böschung ist zu hoch, um wieder herauszukommen. Er befiehlt Bello – der sofort gehorcht – Platz zu machen. Dann ruft er Falko zu: „Spring! Rette die Katze!“, und der Hund macht, was sein Herrchen sagt. Falko läuft zum Bach, schlittert die Böschung hin-ab und erwischt die Katze. Vorsichtig, um ihr nicht wehzutun, schnappt er sie und zieht sie aus dem Wasser. Herr Silbernagel hat sich eine niedrigere Stelle gesucht und kommt Falko zu Hilfe. „Gut gemacht, mein Braver!“, sagt er und tätschelt seinen Hund. Bello liegt immer noch im Gras und horcht, ob er kommen soll. Auf einmal schwimmt noch eine Katze an Falko heran. Der Hund hält sie ebenfalls fest und zieht sie aus dem Wasser. Du meine Güte, denkt Herr Silbernagel, haben wir denn heute Schwimmunterricht für Katzen?

Er kann die beiden durchnässten und erbärmlich aussehenden Katzen hier nicht liegen lassen. Also steckt er beide unter seine Watteweste, um sie mit nach Hause zu nehmen.  Mit großen Schritten wählt er den Weg durch seinen Garten, weil dieser kürzer ist, als durchs ganze Dorf zu gehen. In der Küche holt er ein dunkles Handtuch aus dem Schrank und trocknet eine Katze nach der anderen ab. Weil er leise mit ihnen spricht, haben sie Zutrauen zu ihm und lassen alles mit sich geschehen. Sie sind ganz schön entkräftet. 

Was für eine blöde Idee aber auch, die kleinen Fische im Bach zu fangen. Damit fing es nämlich an. Dicki hatte Lucy erzählt, dass er schon öfters am Bach war und Fische gefangen hat. Er wollte es ihr zeigen. Dicki machte ihr vor, wie man so einen kleinen Fisch fängt und als Lucy herantrat und mit der Pfote zulangen wollte, rutschte sie ab und fiel ins Wasser. Das war ein Schreck für beide. Lucy versuchte, wieder an Land zu kommen, aber es gelang ihr nicht, weil die Strömung im Bach zu stark war. Sie ruderte und paddelte mit ihren Pfoten, bis ihr die Kräfte langsam versagten. Dicki lief am Bach entlang und wollte ihr helfen. Er sah, wie sie ermattete und sprang dann auch ins Wasser, um zu ihr zu gelangen. Die Strömung trieb erst Lucy, dann Dicki dicht an dem großen Hund vorbei und der schnappte im richtigen Moment zu. Dass der Hund ihr das Leben gerettet hatte, hat Lucy gar nicht mehr so in Erinnerung. Der Mann hatte sie dann mit Grasbüscheln abgerieben, um das meiste Wasser herauszubekommen. Unter seiner Weste war es warm und sie zitterten nicht mehr so sehr. 

Da liegen sie beide nun in der Küche an dem großen elektrischen Heizkörper. Herr Silbernagel hat ihn extra aufgestellt, damit die Katzen schneller trocken werden. Auch stellt er ihnen einen Suppenteller mit warmer Milch daneben. „Junge! Junge! Das wäre fast mit euch vorbei gewesen, wenn ich nicht zur rechten Zeit  am rechten Ort gewesen wäre!“ Bello und Falko liegen auf dem Hof. Vielleicht geht unser Herrchen mit uns noch mal spazieren, denken sie. Die beiden Katzen schlecken die warme Milch und erholen sich langsam. Auch hat Herr Silbernagel in der Zwischenzeit aus dem Fleischergeschäft etwas Leber und Rindfleisch geholt. In der Küche schneidet er beides in kleine Häppchen und reicht es den Katzen. „Ihr könnt nicht hierbleiben! Der Bello mag keine Katzen. Ihr müsst wieder nach Hause, wenn ihr euch erholt habt.“ Lucy und Dicki verstehen jedes Wort. Sie fressen das leckere Fleisch und werden munterer. Dicki trägt ein Halsband und lässt sich auch auf den Schoß nehmen. Auf der Innenseite des Halsbandes steht eine Telefonnummer. 

Anne und Walter trinken gerade Kaffe, als das Telefon klingelt. Die Katzenmama steht auf und meldet sich. Herr Silbernagel schildert den Ablauf des Geschehens. Anne ist ganz schön erschrocken und erzählt gleich ihrem Walter, was passiert war. Er holt sein Auto aus der Garage, Anne nimmt die Katzenbox und schon fahren sie zu Herrn Silbernagel. Sie kennen ihn recht gut, denn sie kaufen schon seit vielen Jahren in dem Fleischergeschäft ihre Wurst und ihr Fleisch. Herr Silbernagel wartet bereits auf sie und führt sie in die Küche. Da liegen nun Lucy und Dicki, die es fast nicht mehr gegeben hätte. Sie erzählen noch eine Weile und Herr Silbernagel holt ein kleines Päckchen aus dem Kühlschrank. „Hier, das können die Katzen morgen fressen, damit sie wieder zu Kräften kommen!“ Anne und Walter bedanken sich bei ihm und stecken Lucy in die Box. Walter stellt die Kiste auf den Rücksitz. Anne nimmt ihren Dicki auf den Schoß und schon geht es wieder heimwärts. „Was habt ihr beide euch nur dabei gedacht, am Bach zu spielen? Man gut, dass euch weiter nichts passiert ist. Und man gut, dass Herr Silbernagel mit seinen Hunden dort vorbei kam!“ Ja, man gut …!

Lucy und Dicki gehen gleich auf ihre Schlafdecken und melden sich den ganzen Abend und die ganze Nacht nicht mehr. Erst am frühen Morgen werden sie durch ihre Katzenmama Anne geweckt. Das Frühstück steht für sie bereit und es duftet wieder im ganzen Haus nach frisch gekochtem Kaffee. Allein das Haus verlassen dürfen sie allerdings nicht, damit sie nicht wieder irgendeine Dummheit machen. Anne ist mit dabei und passt auf, dass beide gleich wieder ins Haus gehen. 

Was für eine böse Geschichte!, denken Lucy und Dicki, die wegen des schlimmen Abenteuers noch immer ein schlechtes Gewissen haben. Sie trollen sich beide auf Dickis Decke und flüstern ab und zu mal: „Wir gehen nicht wieder an den Bach, um Fische zu fangen!“ „Ja, Lucy, da gehen wir nie wieder hin!“