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Online Collage Arno1

Lucy & Dicki, Teil 6 – Eine Geschichte von Kathrin König aus Haldensleben

Eine Scheune, ein Rätsel und eine Katzenbande

Haldensleben, 30. September 2018


Eine Geschichte von Kathrin König

Lucy und Dicki liegen noch immer auf ihren Decken und schlafen. Es ist schon Mittag, da werden beide so langsam wach. Dicki putzt sich ausgiebig, denn es heißt ja nicht umsonst 'Katzenwäsche'. Lucy räkelt sich nun auch und riecht zuerst das leckere Fressen. Beide hauen ordentlich rein und gehen danach raus. 

Auf dem Hohen Hof wälzen sie sich im Sand. „Was wollen wir heute machen?“, fragt Lucy. Dicki überlegt, denn die Geschichte von gestern mit dem Spielen auf den Gleisen war eine ganz schlechte und lebensgefährliche Idee gewesen. Er hatte die Moralpredigt von seiner Katzenmama Anne noch in den Ohren und sie auch verstanden. 
„Ich zeige dir heute mal einen tollen Spielplatz und vielleicht fangen wir dort ein paar Mäuse.“, sagt Dicki zu Lucy. Dicki rennt vorneweg und Lucy beeilt sich, ihm zu folgen. Sie laufen unter Büsche und durch hohes Gras bis sie zu einer Feldscheune kommen, die etwas abseits von einem Gehöft steht. Munter marschieren sie drauf los. Lucy hat etwas Angst, denn so ganz geheuer kommt ihr das große Gebäude mit den schiefen und kaputten Toren doch nicht vor. „Du brauchst dich nicht zu fürchten, Lucy. Hier ist keiner! Wenn wir ganz leise sind, dann fangen wir bestimmt ein paar Mäuse. Hast du schon mal eine Maus  gefangen?“ Lucy schüttelt den Kopf. Warum sollte sie auch, denn ihre Katzenmama Undine sorgt immer für leckeres Fressen. 

Als sie die Scheune betreten, sind sie nicht allein. Mehrere Kater und Katzen kommen auf sie zu und bilden einen Kreis um sie. Lucy geht einen Schritt zurück, aber Dicki lässt sich nicht beirren und bleibt stehen. Er ist mutig. „Was wollt ihr hier?“, fragt ein großer, dicker, mehrfarbiger Kater, der aus der Dunkelheit hervortritt. Er hat ein paar Kerben in seinen Ohren. Dicki antwortet: „Wir wollen hier Mäuse jagen.“ „Hahaha!“, lacht er. „Das ist mein Revier und das meiner Freunde! Hier jage nur ich und sonst keiner!“ Dicki zuckt nicht mit der Wimper, sondern entgegnet: „Na, du jagst doch schon lange nicht mehr! Dafür bist du schon viel zu alt und zu dick!“ „Waaas bin ich – zu alt und zu dick? Komm her, du eingebildeter Plüschkater, wenn du dich traust!“ Dicki schluckt, denn auf einen Zweikampf will er es nicht ankommen lassen. Er würde ganz bestimmt den Kürzeren ziehen und das vor Lucy. Sie erkennt die Lage sofort, in die sich Dicki gebracht hat und ersinnt eine List. Lucy schiebt Dicki beiseite und geht ein paar Schritte nach vorn. „Bist du nicht der verwegene und berühmte Kater, der Kühlschränke öffnen kann?  Du und Deine Freunde ärgern nachts die Hofhunde. Die Menschen können nicht schlafen, weil die Hunde so laut bellen. Du bist ein starker Kater, der es in den Krallen hat – aber bist du auch so klug und kannst ein Rätsel lösen?“ Lucy wundert sich selber, dass sie so mutig ist, das zu sagen. Alle Katzen schauen Lucy an und sind gespannt, was Arno wohl antworten wird. Er kommt ein paare Schritte näher, sodass sich beide fast berühren. „Du bist ganz schön keck! Ich bin Arno und natürlich der Klügste unter allen Katzen auf dieser Welt. Stell dein Rätsel und ich gebe dir die richtige Antwort!“, sagt er. Lucy fragt: „Wenn du die Antwort nicht weißt, lässt du uns dann trotzdem gehen?“ „Warum soll ich euch dann gehen lassen?“ „Weil du ein kluger und großmütiger Kater bist, wirst du auch als Verlierer noch viel mehr Achtung von deinen Freunden bekommen, als du sie jetzt schon hast.“ Die Antwort gefällt Arno und er wartet auf Lucys Rätsel. 

Lucy macht es spannend und räuspert sich: „Welcher Hahn kann nicht krähen, kann nicht laufen und lebt noch nicht einmal auf dem Bauernhof?“ Alle tuscheln durcheinander und Kater Arno kratzt sich hinter seinem Ohr. Das ist ein sehr schwieriges Rätsel, das er nicht beantworten kann. Er überlegt hin und her, es fällt ihm nicht ein. Ein Hahn, der nicht laufen kann und nicht auf einem Bauernhof lebt, gibt es nicht!, denkt Arno. Auch die anderen Katzen können ihm nicht helfen. Sogar Dicki überlegt. Lucy lächelt stolz und wartet ab. Sie hatte dieses Rätsel im Fernsehen in einer Kindersendung gehört und ist nun froh, dass sie aufgepasst hatte. Kater Arno kratzt sich immer noch am Ohr, diesmal ist es das andere. Aber die Antwort fällt ihm einfach nicht ein. Was hat Lucy gesagt? Er ist ein kluger und großmütiger Kater? Ja, das stimmt! Und  er wird noch mehr Achtung von seinen Freunden erhalten, auch wenn er das Rätsel nicht lösen kann! „Nun, kleines Fräulein, wie lautet die Antwort? Ihr könnt danach auch unbehelligt unser Revier   verlassen!“ Lucy macht eine lange Pause und merkt, wie das Interesse bei den an-deren Katzen immer mehr steigt. Einer aus der Reihe sagt: „Ja, wer ist es denn! Nun sag es doch endlich!“ 

Sie antwortet: „Freunde! Es ist ein Hahn in der Wand, aus dem Wasser kommt, wenn man  ihn aufdreht. Den gibt es in jedem Haus im Badezimmer, in der Küche, auf dem Hof oder in der Waschküche. So einen Hahn nennt man Wasserhahn!“
Alle Katzen sagen: „Oh!“ und „Ah!“. Kater Arno meint: „Ach ja! Der Wasserhahn! Das Wort lag mir auf der Zunge. Aber trotzdem, es ist ein schönes Rätsel. Ihr könnt jetzt gehen!“ Das lassen sich Lucy und Dicki nicht zweimal sagen. Der Katzenkreis öffnet sich und sie gehen stolz, aber mit klopfenden Herzen, aus der Scheune. Als sie draußen sind, nehmen sie ihre Beine in die Hand und laufen so schnell sie können nach Hause. 

Auf dem Hohen Hof legen sich beide unter den Nussbaum und putzen ihr staubiges Fell sauber. Lucy findet zuerst ihre Sprache wieder und sagt zu Dicki: „Weißt du, Dicki, ich hatte große Angst um dich! Mit diesen Katzen ist nicht zu spaßen! Sie stromern nachts durch die Straßen der Dörfer. Sie fressen überall die vor der Haustüre stehenden Katzenteller leer und setzen sich unter die Schlafzimmerfenster der Leute, um sie mit ihrer Katzenmusik zu stören. Das machen sie nur, um die Leute zu ärgern. – Was für ein aufregendes Abenteuer wir in der Feldscheune erlebt haben! Da gehen wir aber nicht wieder hin!“ „Miau!“, sagt Dicki. „Da gehen wir bestimmt nicht wieder hin!“