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LAMBSDORFF-Interview: Ausgestreckte Hand nach Moskau

Das FDP-Präsidiumsmitglied und Vizepräsident des Europäischen Parlaments 
Alexander Graf Lambsdorff ( Foto ) gab der „Deutschen Welle“ heute das folgende Interview. Die Fragen stellte Viacheslav Yurin:

Frage: Es ist gut möglich, dass die FDP wieder in den Bundestag einzieht. Würde sie in der neuen Bundesregierung den Außenminister stellen?

Lambsdorff: Sie sind sehr mutig. Ich glaube, wir wollen erst einmal in den Bundestag kommen.

Frage: Was kann man Ihrer Meinung nach im Hinblick auf Russland und die Ukraine anders machen, als es die Außenminister Gabriel und Steinmeier getan haben?

Lambsdorff: In der Außenpolitik hat Parteipolitik wenig verloren. Es sollte tatsächlich das Interesse Deutschlands im Vordergrund stehen, und das sind gute und enge Beziehungen zu Russland, aber auf Grundlage der Wahrheit. Wir sind als Freie Demokraten die Erben Hans-Dietrich Genschers (Red.: deutscher Außenminister 1974-1992). Er stand immer für den Dialog auch in schwierigen Zeiten. Das wird die FDP auch in der Zukunft machen, ganz gleich ob aus der Opposition oder der Regierung heraus. Einerseits eine ganz klare Verankerung in EU und NATO. Und von diesem festen Fundament der Verankerung im Westen aus eine ausgestreckte Hand nach Moskau, um mit den russischen Partnern ins Gespräch zu kommen, damit sich die Beziehungen hoffentlich wieder verbessern. Der Versuch in der Ukraine-Krise, bei der Destabilisierung in der Ostukraine mit dem Minsker Prozess zu deeskalieren, war im Prinzip richtig. Auch die Versuche, immer wieder das Gespräch zu suchen, waren richtig. Ich bin bei Sigmar Gabriel als Außenminister eher kritisch, was seine Israel-Politik angeht. Ich finde, dass er seinen Besuch in Israel ganz schlecht gemacht hat. In der Russland-Politik, finde ich, müssen wir jetzt genau hinschauen, was man weitermachen kann und wo man vielleicht nuancieren muss. Aber einen fundamentalen Kurswechsel sehe ich nicht.

Frage: Im Westen spricht man oft von der Einhaltung des Minsker Abkommens. Aber die Krim ist darin nicht erwähnt. Ist auch ein Abkommen zur Krim nötig?

Lambsdorff: Die Annexion der Krim war eindeutig rechtswidrig. Alle Vergleiche, die aus Moskau angeboten werden – der Kosovo und die deutsche Wiedervereinigung, sind Unsinn. Wenn es auf der Krim wirklich ein Problem gegeben hätte, mit einer angeblichen Diskriminierung der russischsprachigen Minderheit, dann hätte Moskau Verhandlungen und das Gespräch suchen müssen. Das gerade ist nicht geschehen und das war beim Kosovo anders. Ich glaube, dass der Westen die Annexion der Krim nicht anerkennen wird. Ich vermute, dass wir eine Situation wie mit den baltischen Staaten im Kalten Krieg haben werden. Deren Annexion durch die Sowjetunion war auch nicht anerkannt.

Frage: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg war jüngst in Kiew. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko betonte erneut, sein Land wolle in die NATO. Sollte die Ukraine aufgenommen werden?

Lambsdorff: Deutschland hat 2008 gesagt, als die Ukraine schon einmal den Antrag gestellt hatte, in die NATO aufgenommen zu werden, die Ukraine solle nicht in die NATO. Die anderen Länder in Mittel- und Osteuropa, die diese freie Bündniswahl getroffen haben, haben wir aufgenommen. Das war ihr gutes Recht. Wir müssen aber auch die Interessen der NATO selbst sehen. Könnten wir die Ukraine verteidigen? Ich sehe dazu ehrlich gesagt kaum Bereitschaft. Ich sehe die Bereitschaft, die Ukraine zu stabilisieren, zu demokratisieren, wirtschaftlich erfolgreicher zu machen. Aber eine Garantie des Artikels 5 des NATO-Vertrags, also die Beistandspflicht, dazu sehe ich keine Bereitschaft.

Frage: Die baltischen Staaten und Polen fürchten sich vor dem russischen Militär. Die NATO schickt jetzt 4000 Soldaten dorthin. Reicht das, um diese Staaten verteidigen zu können?

Lambsdorff: Natürlich nicht. Das ist auch nicht der Zweck. Diese 4000 Soldaten – das ist eine Brigade und drei Bataillone – sind nichts im Vergleich zur Westtruppe der russischen Streitkräfte. Hier reden wir über Divisionen. Das sind mehrere 10.000 Soldaten. Mit anderen Worten: Die NATO-Soldaten könnten die Staaten nicht erfolgreich verteidigen. Das ist aber auch nicht der Sinn der Sache. Sollte es, was wir nicht hoffen und was ich nicht glaube, einen russischen Angriff geben, dann wären nicht nur Lettland, Litauen oder Estland, sondern sofort die ganze NATO betroffen. Das weiß man in Moskau.

Frage: Unter den westlichen Sanktionen gegen Russland leiden auch deutsche Exporteure, die eine Aufhebung oder Lockerung fordern. Wie steht die FDP zu den Sanktionen?

Lambsdorff: Wir gelten als Partei, die sich sehr für die Wirtschaft und Unternehmen einsetzt. Trotzdem sagen wir, dass die Sanktionen richtig sind. Warum? Weil der Völkerrechtsbruch auf der Krim und in der Ostukraine, die Störung unserer Friedensordnung, der Friedensordnung auch der OSZE, dem Lebenswerk von Hans-Dietrich Genscher, so schwer ist, dass diese Störung nicht ohne Folgen bleiben kann. Was waren die Alternativen? Wir hatten die Möglichkeit, nichts zu tun, eine militärische Eskalation zu beginnen oder einen Mittelweg zu gehen und Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Ich glaube, dass der Mittelweg richtig war. Das sagen wir auch der deutschen Wirtschaft ganz klar. Das muss sie verstehen.

Frage: Der Vorwurf, Russland habe sich in den US-Wahlkampf eingemischt, ist nicht vom Tisch. Die Präsidenten Trump und Putin haben sich jetzt in Hamburg getroffen. Machen Sie sich nach diesem Treffen mehr oder weniger Sorgen um die russisch-amerikanischen Beziehungen?

Lambsdorff: Weniger. Wenn die beiden zweieinhalb Stunden zusammensitzen, so unterschiedlich sie auch sind, dann ist das erst einmal ein gutes Zeichen. Deswegen ärgern mich diese idiotischen G20- Proteste und Gewalttaten. Was kann man denn gegen Dialog haben? Wenn die beiden dort miteinander zusammensitzen und reden, dann sind nicht alle Probleme bewältigt, dann hat man noch keine Konzepte für diese oder jene Frage. Aber man hat zumindest ein persönliches Kennenlernen und das ist eine wichtige Voraussetzung. Wir leben in einer globalisierten Welt. Die wichtigsten Staats- und Regierungschefs müssen einander persönlich begegnen und miteinander reden. Insofern war das ein gutes Zeichen.