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Heldbockhabitat Volker Neumann

Sachsen-Anhalt-News: NABU • geschützter Käfer fälschlicherweise als „Eichenzerstörer“ dargestellt

Dienstag, 5. Juli 2022

Gegendarstellung zu den Artikeln „Riesenkäfer bringt Eichentod“ https://www.volksstimme.de/sachsen-anhalt/schaedlicher-kaefer-heldbock-in-sachsen-anhalt-zerstoert-alte-eichen-3398607 und „Schädlicher Käfer: Heldbock in Sachsen-Anhalt zerstört besonders alte Eichen“ (MZ 28.06.2022 Bernburger Kurier und https://www.mz.de/mitteldeutschland/sachsen-anhalt/schaedlicher-kaefer-heldbock-in-sachsen-anhalt-zerstoert-alte-eichen-3398607)

Magdeburg. Die plakativen Überschriften der genannten Artikel erwecken den Eindruck, dass der Heldbock ein sich ausbreitende Schädling ist, welcher die Eichenbestände in Bernburg, im Salzlandkreis und in ganz Sachsen-Anhalt zerstört. Diese Darstellung ist grundlegend falsch.

Der Heldbock ist ein hochschutzwürdiger Käfer, welcher ein wertvoller Bestandteil unserer heimischen Fauna ist. Er ist ein Bewohner locker strukturierter Eichenbestände (Randbäume von Waldbeständen, Gehölze mit Hutewaldcharakter, Parkanlagen, Alleen, Straßenrandbäume, Eichengruppen bzw.  Solitärbäume). Er besiedelt ausschließlich sekundär vorgeschädigte, aber noch lebende Eichen, bevorzugt Alteichen. In Sachsen-Anhalt wie auch deutschlandweit ist der Heldbock vom Aussterben bedroht. Die Art unterliegt in der EU dem strengen Schutz der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, weshalb spezielle Schutzgebiete für ihn ausgewiesen wurden bzw. werden müssen. Sachsen-Anhalt hat einen wesentlichen Anteil am Hauptverbreitungsgebiet des Heldbockes in Deutschland, weshalb das Bundesland eine besondere Verantwortung für den Erhalt der Art trägt.

Martin Schulze, Stellv. Vorsitzender des NABU Landesverbandes, betont: „Die Bernburger sollten daher stolz darauf sein, über eine intakte stadtnahe Natur zu verfügen, die solche Kostbarkeiten noch beherbergt.“

Dr. Volker Neumann, NABU-Mitglied und ausgewiesener Bockkäfer-Spezialist des Landes, führt weiter aus: „In Bernburg sind aktuell nur 5 bis 10 Eichen vom Heldbock besiedelt, davon weisen lediglich 2 bis drei ein umfangreicheres Fraßbild auf, welches mindestens in einem Fall durch den gleichzeitigen Fraß von Raupen eines sich in Holz entwickelnden Schmetterlings mit ähnlichem Fraßbild, des Weidenbohrers Cossus cossus, verstärkt wird.“ Übrigens werden auch die Larvengänge der Bockkäfer von Nachmietern genutzt, so findet hier beispielsweise die Vierpunkt-Mausspinne ein geeignetes Habitat.

Im Salzlandkreis kommt der Heldbock insgesamt nur an wenigen Stellen vor, teilweise schon sehr lange am gleichen Standort ohne relevante Ausbreitungstendenzen. Das dortige Aussterberisiko ist also für den Heldbock sehr groß. Seine Larven leben nur kurzzeitig im lebenden Holz (Bastschicht, Splintholz), dann fressen sie im Kernholz, welches bereits abgestorben ist. Deshalb können besiedelte Eichen dem Käfer unter Umständen noch über Jahrzehnte als Brutbaum dienen. Erst bei längerer Besiedlung kommt es zu Absterbeerscheinungen am Baum, z. B. Wipfeldürre und viel später auch zum Absterben des Baumes. Standunsichere Eichen können zwischenzeitlich durch entsprechende Maßnahmen und Konstruktionen gesichert werden. Sind Fällungen später unumgänglich, sind zuvor umfangreiche spezielle Artenschutzmaßnahmen zu ergreifen. 

Der Mangel an lebenden Alteichen, das Fehlen von Anschlussbäumen, Holzeinschlag und Verkehrssicherheitsmaßnahmen in den Heldbockhabitaten sind wesentliche Gründe für die Seltenheit und Gefährdung dieses Käfers. Wassermangel durch die Trockenheit der letzten Jahre, Hitzestress und Sekundärschädlinge, vor allem Eichenprachtkäfer Agrilus biguttatus, führen zum Absterben von Eichen, hinzu kommt ein natürliches Absterben überalterter Eichen.

„Die Lebensräume des Heldbockes mit geeigneten Brutbäumen verschwinden immer mehr, auch durch die Förderung monotoner Nadelholzbestände, die Anpflanzung fremdländischer Baumarten wie Robinie und Douglasie und den zu frühen Einschlag von Eichen.“, erläutert Schulze. „Zum Schutz der vielen gefährdeten und an die Trauben- und Stieleiche gebundenen Insekten-, Vogel- und Fledermausarten sollten an möglichst vielen Stellen Verjüngungspflanzungen mit Eiche vorgenommen werden. Dies kann auch auf Kleinkahlschlägen in bestehenden und absterbenden Kiefern- und Pappelforsten erfolgen.“ 

Der NABU fordert zum Schutz des Lebensraums den Stopp des Einschlags von Alteichen, solange keine gleichermaßen geeigneten Habitatbäume für den Heldbock und bspw. auch den Mittelspecht, in den betreffenden Wäldern vorhanden sind. Ebenso sollte der Landesforst den bundesweiten Forderungen nach der Ausweisung von forstnutzungsfreien Wildnisgebieten, für die sich alteichenreiche Bestände hervorragend eignen, zügig nachkommen.  

Erwähnenswert ist, dass abgestorbene Heldbockeichen noch jahrzehntelang einen wertvollen Beitrag zur Biodiversität leisten. Totholzbewohner unterschiedlichster Art (Insekten, Vögel, Fledermäuse) finden hier günstige Lebensbedingungen (Entwicklungs- u. Wohnstätten, Nahrungsorte), so auch in Bernburg.

Bildunterschrift: Jahrzehntelang vom Heldbock besiedelter Eichenbestand im Biosphärenreservat „Mittelelbe“ mit Neuanpflanzung von Eichen.

Die beigefügte Abbildung zeigt einen Eichenbestand im Mittelelbegebiet, welcher seit über 60 Jahren vom Heldbock besiedelt ist. Hier wurden auch Artenschutzmaßnahmen durchgeführt. Larvenstadien und Käfer unterliegen Erkrankungen (Viren, Pilze) und einem hohen Druck von Fressfeinden (u. a. Buntspecht, Star, Waldkauz). Dies erklärt auch das plötzliche Erlöschen von Baumbesiedlungen, hier sind dann nur noch die alten Schlupflöcher des Käfers erkennbar.

TextNABU-Landesverband Sachsen-Anhalt e. V.
Foto: Volker Neumann