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POESIE AUS MAGDEBURG ZUM WOCHENENDE


Geburtstag

Man schätzt den Menschen als ein kluges Wesen.
Das ist er auch, du siehst es selbst recht oft:
Er ist mal für, mal gegen Hypothesen,
mit etwas Glück erreicht er, was er hofft.

Doch weshalb denn, so heißt die große Frage,
ist er voll Übermut und froh beschwingt,
wenn man ihm - wie es üblich an dem Tage -
die Hände schüttelt und ein Ständchen bringt?

Im Jugendalter kann man das verstehen;
begrüßt wird freudig jedes neue Jahr:
Man darf die ersten Liebesfilme sehen,
dass es Geschenke gibt, ist sonnenklar.

Die Zeiten ändern sich und die Gefühle,
die ersten kleinen Runzeln zeigen sich - 
statt Spielzeug gibt es eine Kaffeemühle,
und glücklich sitzt man am Geburtstagstisch.

Die Jahre bringen mit sich manches Leiden.
Das Rheuma plagt dich und der dicke Bauch.
Sogar den Kaffee musst du jetzt schon meiden:
Zu hohen Blutdruck hast du nämlich auch.

Die lieben Gäste aber singen heiter:
„Es lebe hoch heut’ das Geburtstagskind!“
Man lacht, man trinkt und schunkelt fröhlich weiter,
und du lachst mit, derweil die Zeit verrinnt…

Ja, sollte man den Tag nicht ganz vergessen,
der immer kürzer macht die Lebensbahn?
Ach was, lasst uns Geburtstagskuchen essen.
ergreift die Gläser und stoßt kräftig an!

 Helga Schettge 

Entnommen aus:

Robinienschnee. – 2. Ausg. – Magdeburg, 2013. –
ISBN: 978-3-942503-27-3