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Gallert Wulf Linke   Linke

Magdeburg-News: Gewerkschaftliche Kämpfe sind Voraussetzung für gute Entwicklung • Gallert (Linke)



veröffentlicht am Montag, 1. Mai 2023

In der Diskussion im Landtag um Streiks und Demonstrationen zum 1. Mai betont Wulf Gallert (Foto), wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE:

Magdeburg. „In Erinnerung an diese sogenannte „Haymarket-Affäre“ hat der Gründungskongress der 2. Internationalen 3 Jahre später den 1. Mai als Kampftag der Arbeiterbewegung ausgerufen. Der Begriff „Kampftag“ ist international seit mehr als über 130 Jahren mit dem Blut von Arbeiter:innen geschrieben worden, die sich für faire Löhne, eine Beschränkung der Arbeitszeit und für Arbeiternehmerrechte insgesamt eingesetzt haben, damals in den USA, später weltweit und natürlich auch in Deutschland, insbesondere in der Weimarer-Republik. Erinnert sei hier nur an den Blut-Mai von 1929 in Berlin, bei dem 33 Demonstranten getötet wurden, übrigens auf Befehl eines sozialdemokratischen Polizeipräsidenten von Berlin. Allerdings hat der 1. Mai in Deutschland auch eine besondere Geschichte. Der 1. Mai 1933 wurde durch die Nationalsozialisten zum „Tag der nationalen Arbeit“ umbenannt.

Die Nationalsozialisten versuchten, den 1. Mai zum „Tag der selbstlosen Aufopferung der Arbeiter und Arbeiterinnen“ für die deutsche Volksgemeinschaft umzudefinieren, was letztlich nichts anderes als die Aufopferung für ein Terrorregime und den Zweiten Weltkrieg vorbereitenden Staat bedeute. Die logische Konsequenz war, dass am 2. Mai 1933 faschistische Schlägertrupps die Gewerkschaftshäuser stürmten, das Eigentum der Gewerkschaften beschlagnahmten und aktive Gewerkschafter folterten, gefangenennahmen und später zum Teil umbrachten. In diesem Jahr jährt sich dieses Verbrechen zum 90. Mal und ich bin froh darauf verweisen zu können, dass Gewerkschaften dazu Gedenkveranstaltungen organisieren.    

Auch in diesem Jahr wird es wieder eine Reihe von Veranstaltungen von Gewerkschaften am 1. Mai geben. In diesem Jahr unter dem Motto „ungebrochen solidarisch“. Immer dann, wenn diese Solidarität und diese Gemeinsamkeit nicht hergestellt worden, gab es Reallohnverluste, sind Arbeiternehmerrechte abgebaut worden, ist die Spaltung der Gesellschaft vorangeschritten. Genau deshalb sind starke Gewerkschaften, die die gesellschaftlichen Interessen der Beschäftigten organisieren, für uns alle wichtig. Sie bilden den Kitt dieser Gesellschaft, und ein Angriff auf gewerkschaftliche Rechte ist auch immer ein Angriff auf gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Sozialstaat.

Natürlich haben wir es hier gerade in Ostdeutschland nach wie vor mit besonders schwierigen Bedingungen für gewerkschaftliche Tätigkeit zu tun. Die Massenarbeitslosigkeit der 1990er und 2000er Jahre führte bei vielen Beschäftigten zu Angst davor, sich zu organisieren, wenn man einen der viel zu wenigen Arbeitsplätze bekommen hat. Dazu kam die Kleinteiligkeit hiesiger Unternehmen, die es Gewerkschaften schwergemacht haben, Organisationen aufzubauen sowie die schon in den 90er Jahren einsetzende Privatisierungswelle im Bereich öffentlicher Dienstleistungen, die mit der Agenda 2010 noch einmal massiv forciert worden ist. Gerade im Gesundheitsbereich, der vorher durch einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad ausgezeichnet war, sprossen private Kleinunternehmen aus dem Boden, in denen es fast überhaupt keine gewerkschaftliche Vertretung mehr gegeben hat. Infolgedessen gab es gerade in diesem Bereich einen so massiven Reallohnverlust, der mit sinkender Qualität und dem heute bekannten Pflegenotstand einhergeht.

Die Forcierung von Midi- und Minijobs führten zu einer weiteren Aufspaltung der Belegschaften und der Reduzierung tarifgebundener Arbeitsplätze. Bis zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes gab es über eine 10 Jahre andauernde Phase des permanenten Reallohnverlustes mit all seinen sozialen, aber auch politischen Folgen. Damit verbunden erodierte das Vertrauen in staatliche Institutionen und demokratische Willensbildungsprozesse. Aus der sozialen Verunsicherung wurde eine gesamtgesellschaftliche Verunsicherung, deren Profiteure auch hier im Landtag am rechten Rand sitzen. Ohne starke Gewerkschaften funktioniert ein demokratisches Gesellschaftssystem nicht. Deswegen ist es auch kein Wunder, wenn diejenigen, die am meisten vom Verfall der Gesellschaft profitieren, nämlich die AfD, auch die schärfsten Gegner der Gewerkschaften sind.

Bundesweit, aber eben auch in Sachsen-Anhalt, hat gerade die letzte Tarifrunde eine höhere Kampfbereitschaft der Beschäftigten gezeigt. Ziel ist es im Wesentlichen, einen Inflationsausgleich bei Löhnen und Gehältern zu erreichen, zum Teil auch die Arbeitszeit zu reduzieren, zumindest aber hier keinen Rollback zuzulassen, der die Arbeitszeit wieder verlängert, wie es die Landesregierung bei den Lehrkräften gerade mit einer Verordnung durchgesetzt hat. Es gibt schon wieder Stimmen, die versuchen, dass ohnehin schon stark reglementierte Streikrecht noch weiter einzuschränken. So fordert die Mittelstandsunion von CDU und CDU eine Pflicht zur Ankündigung von Warnstreiks von mindesten vier Tagen und im Bereich von öffentlichen Dienstleistungen, dass es Streiks überhaupt nur noch nach einer Zwangsschlichtung geben dürfte. Der deutsche Arbeitgeberverband fordert eine gesetzliche Einschränkung der Möglichkeiten von Streiks, die sollen nur die Ausnahme sein. Streiks garantieren eine faire Verteilung des Reichtums dieser Gesellschaft, soziale Sicherheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Deshalb sind starke Gewerkschaften, ein starkes Streikrecht, eine hohe Tarifbindung und gute Tarifabschlüsse im Interesse von uns allen. So und nur so kann Sachsen-Anhalt attraktiv für Fachkräfte werden und Menschen eine Perspektive bieten, die Herausforderungen, die vor uns stehen, gemeinsam zu meistern.“


Text & Foto: DIE LINKE. Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt