Bonn/Heidelberg/Berlin (ots). Die steigende Anzahl von
Coronapatienten, die intensivmedizinisch versorgt werden müssen, bringt auch
die Krebszentren in Deutschland an die Belastungsgrenze. Schon jetzt haben zwei
Drittel der befragten Kliniken keine Kapazitäten mehr, um weitere
Krebspatienten aufzunehmen. Das geht aus der aktuellen Erhebung der Corona Task
Force des Deutschen Krebsforschungszentrums, der Deutschen Krebshilfe und der
Deutschen Krebsgesellschaft hervor. Die drei Krebsorganisationen appellieren
erneut an die Bevölkerung, das Impfangebot wahrzunehmen und
Kontaktbeschränkungen einzuhalten.
Die Lage an den großen Krebszentren in Deutschland spitzt sich weiter zu.
Die Versorgungskapazitäten der Zentren sind nahezu ausgeschöpft, das Personal
arbeitet unter maximaler Belastung. Derzeit scheint es zwar, als würde sich die
Zahl der Corona-Neuinfektionen stabilisieren, doch rechnen Experten damit, dass
die Inzidenz bald wieder ansteigt. "Bei steigenden Fallzahlen müssen wir
mit einem erneuten Anstieg an Patienten rechnen, die intensivmedizinisch
betreut werden müssen. Die Intensivstationen können aber schlichtweg niemanden
mehr aufnehmen - das gilt sowohl für Coronapatienten als auch für Menschen mit
anderen schweren Erkrankungen. Tritt dies ein, wird die Triage zum
Klinikalltag", warnt Professor Dr. Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender
des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg.
Es sei wichtiger als je zuvor, entsprechende Versorgungskapazitäten in den
Kliniken und Krankenhäusern, insbesondere in den Krebszentren, für
Krebspatienten sicherzustellen. "Der Anteil an freien Intensivkapazitäten
liegt aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie in weiten Teilen Deutschlands bei 10
Prozent oder darunter. Als ärztlicher Direktor einer universitären Klinik bin
ich täglich damit konfrontiert, dass aufgrund des enormen Betreuungsaufwands
von COVID-19-Erkrankten personelle Engpässe in der stationären Krebsversorgung
entstehen, auch dringende Operationen verschoben werden oder Patientinnen und
Patienten nach einer Krebs-OP frühzeitig die Intensivstation verlassen müssen,
weil ihr Bett dringend gebraucht wird", bestätigt Professor Dr. Thomas
Seufferlein, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft. "Wir müssen uns
darüber im Klaren sein, dass überfüllte Intensivstationen wegen Covid-19 zu
einer ungewollten Priorisierung der zu behandelnden Patientinnen und Patienten
- und damit zu einer stillen Triage - führen."
Doch nicht nur die Politik, sondern auch die Gesellschaft ist gefordert, um
den Kollaps des Krankenversorgungssystems abzuwenden. Gerd Nettekoven,
Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krebshilfe dazu: "Wir richten erneut
unseren dringenden Appell an jeden einzelnen. Bitte lassen sie sich impfen,
egal ob es die erste, zweite oder dritte Impfung ist. Halten Sie sich an die
bestehenden Kontaktbeschränkungen und Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie -
gerade jetzt im Hinblick auf die bevorstehenden Feiertage. Wir müssen die Zahl
der Neuinfektionen unbedingt verringern, um alle schwerkranken Patienten adäquat
versorgen zu können!"
Hintergrund
Um mögliche Beeinträchtigungen der onkologischen Versorgung zu erfassen,
haben das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Deutsche Krebshilfe und
die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) ihre regelmäßige Befragung an 18 großen
deutschen universitären Krebszentren (Comprehensive Cancer Center)
wiederaufgenommen. Diese Befragung war 2020 von der Corona Task Force von DKFZ,
Deutscher Krebshilfe und DKG initiiert worden, um Versorgungsengpässe und
-einschränkungen frühzeitig zu erkennen und den Dialog mit politischen
Entscheidungsträgern zu suchen. Nachdem während der ersten Pandemiewellen
erhebliche Einschränkungen in einzelnen Versorgungsbereichen verzeichnet
wurden, hatte sich die Versorgungslage in den ersten Monaten der zweiten
Jahreshälfte 2021 normalisiert. Angesichts der steigenden Infektionszahlen und
der sich starken Belastung der stationären Versorgungskapazitäten dokumentiert
die Task Force das onkologische Versorgungsgeschehen erneut in regelmäßigen
Abständen.
Text / Foto: Deutsche Krebshilfe - news aktuell / pixabay