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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mi., 1. Juli 2020

  1. Kritik an US-Sanktionen gegen Pipeline
  2. Ausschuss billigt Grundrentengesetz
  3. Sonderregelung für Kandidatenaufstellung
  4. Linksfraktion will EZB-Mandat ändern
  5. Ausfälle bei der Umsatzsteuer
  6. Finanzberatung und Lobbyismus


01. Kritik an US-Sanktionen gegen Pipeline

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/FLA) Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat die US-Sanktionen gegen den Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland verurteilt: "Ich glaube, es wird nicht ohne Gegensanktionen gehen", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Nord Stream AG am Mittwoch im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Schröder legte Wert darauf, als einer der Sachverständigen eingeladen worden zu sein zu einer öffentlichen Anhörung. Die Sitzung unter Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) stand unter der Überschrift "Sicherung der Souveränität deutscher und europäischer energiepolitischer Entscheidungen (Nord Stream 2)"

Die Arbeiten an der überwiegend fertiggestellten zweiten Gaspipeline nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern mussten nach ersten US-Sanktionen gegen die Unternehmen von Verlegeschiffen eingestellt werden. Gegen die für Herbst geplante Wiederaufnahme der Arbeiten mit einem nun russischen Spezialschiff drohen neuerliche Sanktionen jetzt gegen alle rund 120 beteiligten Firmen und sogar deutschen Amtsträgern gemäß dem im Juni vorgelegten Gesetzentwurf "Protecting Europe's Energy Security Clarification Act" (PEESCA) - das rückwirkend zum 19. Dezember 2019 in Kraft treten soll.

Schröder mochte sich nicht dazu äußern, wie Gegensanktionen aussehen können. Er mahnte dazu, angesichts des Beginns einer umfassenden Politisierung der Handelsbeziehung durch die USA den Anfängen zu wehren. Er werde "den Deubel tun", sich russische Reaktionen vorzustellen. Sollte die Pipeline nicht zu Ende gebaut werden, müssten Investitionen in Höhe von zwölf Milliarden Euro abgeschrieben werden. Jährlich fielen zusätzliche Kosten für Erdgasbeschaffung in Höhe von fünf Milliarden Euro an. Falsch sei aber, beim Projekt Nord Stream 2 jetzt schon die Flinte ins Korn zu werfen. Er dämpfte die Hoffnung, dass sich mit einer möglichen Wahl von Joe Biden zum neuen US-Präsidenten im November bald etwas an der Handelspolitik der USA ändern werde.

Michael Harms (Ost-Ausschuss - Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft) hielt es für wichtig, dass die EU ihre Resilienz, also ihre Widerstandskraft gegen Angriffe von außen stärkt. Er regte einen EU-Schutzschirmmechanismus für zu Unrecht von Sanktionen betroffene europäische Unternehmen an. Forderungen nach wirtschaftlichen Sanktionen gegen die US-Wirtschaft etwa in Form von Strafzöllen und persönlichen Gegensanktionen gegen US-Abgeordnete sah er kritisch. Statt in eine Spirale aus Gegensanktionen und Protektionismus zu kommen, solle im Gegenteil gerade internationales Recht gestärkt werden.

Felix Helmstädter (Morrison & Foerster) meinte, es helfe betroffenen Unternehmen wenig, dass das exterritoriale Vorgehen der USA als völkerrechtswidrig eingestuft werden könne. Sie seien in der schwierigen Lage, entweder gegen EU-Recht oder gegen US-Sanktionsrecht zu verstoßen. Er gehe davon aus, dass sich die Firmen an Sanktionen halten würden, wenn sie denn von den USA verhängt werden.

André Wolf vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut, erklärte, für geäußerte Befürchtungen, das Projekt könnte zu einer gefährlichen Dominanz Russlands als Energieanbieter führen, bestehe aktuell wenig Grundlage. Angesichts zur Neige gehender Ressourcen in der Nordsee werde der Lieferanteil Russlands auch ohne Nord Stream 2 steigen. Von einem wachsenden Erpressungspotenzial zu sprechen, erscheine dennoch unangemessen, da Russland im Hinblick auf seinen Staatshaushalt aller Voraussicht nach auch zukünftig auf die Einnahmen aus Energieexporten Richtung Europa in bedeutendem Maße angewiesen sein werde.

Timm Kehler (Zukunft Erdgas) meinte, auch jenseits des Energiesektors dürfe es für die wirtschaftliche Entwicklung Europas nicht akzeptabel sein, wenn die USA zunehmend mittels des Instruments von Sanktionen Handelspolitik betrieben. Eine geschlossene Position des Bundestags, flankiert durch eine starke Reaktion anderer betroffener EU-Staaten und eine Intervention der EU-Kommission bei der US-Regierung, sei geboten. Neue Erdgasinfrastrukturen seien für die sichere Gasversorgung Europas von zentraler Bedeutung und dürften nicht durch extraterritoriale Sanktionen gefährdet werden.

Für Kirsten Westphal (Stiftung Wissenschaft und Politik - SWP) erweist es sich angesichts des neuen internationalen Umfelds als Problem, dass der Staat heute über keine direkten Einflusskanäle im Energiesektor verfüge und sich Deutschlands Marktmacht außenpolitisch nur unzureichend hebeln lasse. Um im Machtkonzert der Großen Gehör zu finden, solle die Herstellung europäischer Souveränität klarer Referenzpunkt deutscher Energiepolitik sein. Überdies könnten Deutschland und die EU ein "Airbus-Projekt" europäischer Staaten für Lithium-Ionen-Batterien und vielleicht auch im Wasserstoffbereich anstoßen.

Volker Treier (Deutscher Industrie- und Handelskammertag - DIHK) stellte fest, dass der aktuelle Instrumentenkasten der EU kein wirksames Mittel enthalte, welches deutsche Unternehmen vor exterritorialen Sanktionen schützt. Deutsche Unternehmen müssten vor der rechtlichen wie politischen Einflussnahme durch Drittstaaten geschützt werden. Eine Eskalation von Handelskonflikten wäre nach seinem Dafürhalten allerdings nicht im Interesse der deutschen Unternehmen. Gegensanktionen mit exterritorialer Wirkung seien kein ratsam anzuwendendes Mittel.

Jonathan Hackenbroich (European Council on Foreign Relations) legte dar, dass Deutschland und Europa den Entschluss fassen müssten, einen schwerwiegenden Präzedenzfall zu verhindern. Es könne nicht sein, dass deutsche Amtsträger oder Unternehmer bedroht würden, damit Washington, Peking oder andere Staaten geopolitische oder wirtschaftliche Ziele erreichen. Besonders besorgniserregend sei, dass es sich wie bei den Nord-Stream-2-Sanktionen um Politikideen aus dem Kongress, nicht aus dem Weißen Haus handle. Deutschland und Europa könnten in zwei Bereichen reagieren: Resilienz europäischer Handelsbeziehungen gegenüber Sanktionen - und Gegenmaßnahmen, die Europa aufgebürdete Nachteile ausgleichen und eine abschreckende Wirkung haben.

Zu Beginn der Sitzung hatte der Staatsminister im Auswärtigen Amt Niels Annen (SPD) einen drohenden schwerwiegenden Angriff gegen die EU-Souveränität kritisiert. Es sei damit zu rechnen, dass das US-Gesetz bald komme. Er riet zu politischen Verhandlungen, Sanktionen seien der falsche Weg. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Thomas Bareiß (CDU), sprach von einem massiven Angriff auf die Energiesouveränität Deutschlands und Europas.



02. Ausschuss billigt Grundrentengesetz

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwochvormittag den Weg für die Grundrente freigemacht. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD stimmte der Ausschuss für das Grundrentengesetz (19/18473) der Bundesregierung in geänderter Fassung. AfD-Fraktion und FDP-Fraktion stimmten gegen das Gesetz, Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich.

Kernstück des Gesetzes ist die Einführung einer Grundrente für langjährig Versicherte, die an bestimmte Bedingungen geknüpft ist: Wenn mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten vorliegen (aus Beschäftigung, Kindererziehung oder Pflegezeiten), soll die Rente um einen Zuschlag erhöht werden, wenn die Entgeltpunkte des Erwerbslebens unterdurchschnittlich, aber nicht ganz gering waren. Dabei soll der Zuschlag in einer Staffelung von 33 bis 35 Jahren ansteigend berechnet werden. Allerdings sollen diejenigen keine Grundrente erhalten, deren Arbeitsentgelte häufig lediglich die Bedeutung eines ergänzenden Einkommens hatten (zum Beispiel durch Minijobs).

Die Höhe des Zuschlags soll durch eine Einkommensprüfung ermittelt werden. Dabei soll zunächst ein monatlicher Einkommensfreibetrag in Höhe von 1.250 Euro für Alleinstehende und 1.950 Euro für Eheleute oder Lebenspartner gelten. Für die Einkommensprüfung soll auf das zu versteuernde Einkommen abgestellt werden. Gleich hohe Renten sollen gleichbehandelt werden. Daher soll das zu versteuernde Einkommen unter Hinzurechnung des steuerfreien Teils der Rente beziehungsweise eines Versorgungsfreibetrages und der Einkünfte aus Kapitalvermögen zugrunde gelegt werden. Die Übermittlung des zu versteuernden Einkommens soll durch einen automatisierten Datenabgleich zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden erfolgen.

Der Gesetzentwurf sieht in einem weiteren Aspekt die Einführung von Freibeträgen im Wohngeld in der Grundsicherung für Arbeitsuchende des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), in der Hilfe zum Lebensunterhalt, in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) und in den fürsorgerischen Leistungen der Sozialen Entschädigung vor.

Durch den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde der Entwurf nicht substanziell geändert, es handelt sich vor allem um rechtstechnische Anpassungen und die Einführung einer Widerspruchsabweisung gegen Bescheide bis Ende 2022. Diese Zeit brauche die Rentenversicherung für die Einführungsphase, betonte die Koalition. Allerdings einigte sie sich noch auf eine Anhebung der Einkommensgrenze beim BAV-Förderbetrag (Betriebliche Altersvorsorge) von 2.200 auf 2.575 Euro und auf eine Anhebung des BAV-Förderbetrags auf 288 Euro ab 2020. Dies seien deutliche Verbesserungen, mit denen künftig 2,5 Millionen Geringverdiener einen Zugang zu dieser Vorsorge haben, ohne Beiträge einzahlen zu müssen, hieß es in den Reihen der Koalitionsfraktionen.

Die Oppositionsfraktionen ließen sich dennoch nicht überzeugen, kritisierten mangelnde Zielgenauigkeit, überbordende Bürokratie beim Verfahren der Einkommensprüfung und eine ungeklärte Finanzierung.



03. Sonderregelung für Kandidatenaufstellung

Inneres und Heimat/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Auf eine Sonderregelung zur Aufstellung von Kandidaten für die Bundestagswahl in Ausnahmefällen wie der Corona-Pandemie zielt ein Gesetzentwurf der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (19/20596) ab. Danach zeigen die jüngsten Erfahrungen in den Ländern im Zuge der Covid-19-Pandemie, "dass Situationen möglich sind, in denen die Durchführung von Versammlungen zur Kandidatenaufstellung für die Bundestagswahl in dem dafür vorgesehenen Zeitraum nicht möglich ist".

Daher soll das Bundesinnenministerium laut Entwurf für Fälle einer Naturkatastrophe oder ähnlicher Ereignisse höherer Gewalt, durch die Versammlungen zur Kandidatenaufstellung ganz oder teilweise unmöglich sind, "durch Rechtsverordnung Abweichungen von den Bestimmungen über die Aufstellung der Wahlbewerber" zulassen können, um deren Benennung ohne Versammlungen zu ermöglichen.

Das könnte der Vorlage zufolge "in der Weise geschehen, dass schriftlich Vorschläge eingereicht werden können, die Kandidaten sich jedenfalls schriftlich mit der Übersendung der Briefwahlunterlagen, gegebenenfalls auch auf elektronischem Wege allen Stimmberechtigten vorstellen können, dann aber jedenfalls die Schlussabstimmung in geheimer Abstimmung per Briefwahl erfolgt". Bei Listenaufstellungen "könnten vorbereitende Schritte auf elektronischem Wege oder zum Beispiel eine weitere Kandidatur für einen anderen Listenplatz in einem weiteren Briefwahlgang ermöglicht werden", heißt es in der Begründung weiter.

Danach könnten elektronische Verfahren dabei "allenfalls zur Vorermittlung, Sammlung und Vorauswahl der Bewerbungen benutzt werden, also nur im Vorfeld und als Vorverfahren zur eigentlichen, schriftlich mit Stimmzetteln und geheim durchzuführenden Abstimmung der Stimmberechtigten über die Kandidaturen". Dabei sei zu sichern, dass jeder Stimmberechtigte ein Vorschlagsrecht hat, allen Kandidaten Gelegenheit gegeben wird, sich und ihr Programm vorzustellen, und dass geheim gewählt wird.



04. Linksfraktion will EZB-Mandat ändern

Europa/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die Bundesregierung soll sich nach dem Willen der Linksfraktion für ein Fragerecht des Bundestages gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB) einsetzen, das dem des Europäischen Parlaments gleichrangig ist. Falls erforderlich soll sie dafür eine Änderung des Bundesbankgesetzes auf den Weg bringen, fordern die Abgeordneten in einem Antrag (19/20552). Auf Ebene der EU plädieren sie für eine grundlegende Veränderung der EU-Verträge und der EZB-Statuten, um das Verbot der monetären Staatsfinanzierung aufzuheben. Die EZB müsse die Zahlungsfähigkeit der nationalen Regierungen garantieren können.

Die Geldpolitik der EZB müsse "selbstverständlich auch demokratischer Debatte und öffentlicher Kritik zugänglich sein, wo sie etwa Vermögenspreisblasen begünstigt oder wirtschaftliche Erholung und Vollbeschäftigung durch nachfragehemmende Auflagen für Anleihekäufe oder erschwert hat", betont die Linksfraktion. Grundsätzlich sei es jedoch Aufgabe von Zentralbanken, die Zahlungsfähigkeit von Staaten in eigener Währung jederzeit zu garantieren und als Kreditgeber der letzten Instanz im Banken- und Finanzsystem zu agieren. Würde das Mandat der EZB entsprechend geändert, wären das Verbot der monetären Staatsfinanzierung und weitere politische Konflikte, die juristisch ausgetragen würden, hinfällig.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte am 5. Mai zum "Public Sector Purchase Programme (PSPP)" der Europäischen Zentralbank (EZB) geurteilt und gerügt, dass die Bank die Verhältnismäßigkeit der Anleihekäufe nicht hinreichend geprüft und somit ihr Mandat überschritten habe.



05. Ausfälle bei der Umsatzsteuer

Finanzen/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Die FDP-Fraktion erkundigt sich in einer Kleinen Anfrage (19/20355) nach Steuerausfällen bei der Umsatzbesteuerung ausländischer Unternehmer. Die Abgeordneten nehmen Bezug auf Angaben des Bundesrechnungshofes, nachdem viele Zentralfinanzämter bereits heute am Limit arbeiten und die ausländischen Steuerausfälle lediglich noch verwalten würden. Die Bundesregierung wird nach Schätzungen zum Umsatzsteuerausfall im Vollzug ausländischer Steuerfälle gefragt. Außerdem soll die Bundesregierung den Bericht des Bundesrechnungshofes bewerten.



06. Finanzberatung und Lobbyismus

Finanzen/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Um die Einflussnahme von Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern auf den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (19/20259). Die Abgeordneten wollen unter anderem erfahren, welcher Regelungsvorschlag des Gesetzentwurfs mit konkreten Vorschlägen von Dritten identisch oder teilidentisch ist. Außerdem wird nach Gutachten und Studien gefragt, die von Dritten erstellt wurden und dem Gesetzentwurf als Erkenntnisquelle zugrunde lagen. Schließlich soll die Bundesregierung auch Auskunft über dienstliche Kontakte mit Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern im Zusammenhang mit der Erstellung des Gesetzentwurfs geben.