Kiel (wad) – Viren können krank machen. Neben Infektionen
wie etwa Masern oder Grippe verursachen sie jede sechste Tumorerkrankung
weltweit. Die ansteckenden Erreger können aber auch nützlich sein. Kieler
Wissenschaftler untersuchen nun, ob sogenannte Lentiviren dabei helfen können,
Prostatakrebszellen zu zerstören. Die Deutsche Krebshilfe unterstützt das
Forschungsprojekt mit rund 266.000 Euro.
Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts erkranken in
Deutschland jedes Jahr rund 60.700 Männer neu an Prostatakrebs. Damit ist diese
Tumorart die häufigste Krebserkrankung bei Männern, gefolgt von Lungen- und
Darmkrebs.
Viren befallen und zerstören Tumorzellen
Die Entwicklung einer neuen Waffe gegen Prostatakrebs ist
das Ziel der Forschungsarbeiten von Professor Dr. Stefan Rose-John vom Institut
für Biochemie der Christian-Albrechts-Universität Kiel und seinem Team.
Professor Rose-John hat bereits in Vorarbeiten und in Zusammenarbeit mit der
Arbeitsgruppe von Professor Dr. Lukas Kenner vom Klinischen Institut der
medizinischen Universität Wien den gp130 Signalweg in Prostatakrebszellen identifiziert.
Dieser blockiert das Wachstum des Tumors. Das Problem: das Signal ist nicht
ständig angeschaltet, der Krebs kann wachsen. „Zunächst haben wir ein
sogenanntes Designer-Gen erzeugt, das den Signalweg dauerhaft aktiviert“,
erläutert Professor Rose-John seinen Forschungsansatz. „Nun wollen wir dieses
Designer-Gen in die Krebszelle einschleusen.“
Für den „Transport“ dieses
Gens wollen die Wissenschaftler Lentiviren gentechnisch verändern. „Lentiviren
sind Experten darin, sich in einer fremden Zelle einzunisten, diese unter ihre
Kontrolle zu bringen und für ihre eigenen Zwecke zu benutzen“, erklärt
Professor Rose-John. Das macht sie zu gefährlichen Krankheitserregern – in der
Virotherapie kommen jedoch nur harmlose Varianten zum Einsatz. „Wir bauen die
Viren im Labor um, so dass sie keine Krankheiten mehr verursachen können und
ausschließlich Prostatakrebszellen befallen: sie dienen dann einzig und allein
dem Einschleusen des nützlichen Gens.“ Nachdem die Viruspartikel von der
Krebszelle aufgenommen wurden, integrieren sie das mitgebrachte Gen direkt in
deren Erbgut. Die Forscher hoffen, dadurch den Signalweg dauerhaft anzuschalten
und das Wachstum des Tumors zu stoppen.
„In den vergangenen Jahren sind Viren verstärkt in den
Fokus der Krebsforschung und -therapie gerückt“, erklärt Gerd Nettekoven,
Vorstandvorsitzender der Deutschen Krebshilfe. „Innovative Krebsforschung zu
fördern, sieht die Deutsche Krebshilfe als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben
an, um neue und effektivere Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene zu
entwickeln.“
Hintergrundinformation Virotherapie
Schon Einzelfallbeobachtungen vor mehr als 100 Jahren
versetzten Ärzte in Erstaunen: zufällige Infektionen bei Krebspatienten ließen
bösartige Tumore schrumpfen. Heute verändern Wissenschaftler Viren mit
gentechnischen Methoden so, dass sie fähig sind, Krebszellen anzugreifen. Die
Eigenschaft der Viren, in Körperzellen einzudringen und sich zu vermehren,
unterstützt diese Methode. Um Fortschritte in der Krebstherapie zu erreichen,
wird an unterschiedlichsten Virenarten geforscht, wie beispielsweise an
Herpes-, Masern- oder Grippeimpfviren.
Hilfe für Krebspatienten
Wer sich detailliert über die Themen Prävention,
Früherkennung, Behandlung und Nachsorge von Prostatakrebs informieren möchte,
erhält HIER kostenlose Informationsmaterialien. Eine persönliche Beratung
bieten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Informations- und
Beratungsdienstes der Deutschen Krebshilfe INFONETZ KREBS unter der kostenlosen
Rufnummer 0800 / 80 70 88 77.
Projektnummer: 70112589
Quelle - Text und Foto: Deutsche Krebshilfe