Magdeburg, 12. Dezember 2018. Die
Industrie- und Handelskammer Magdeburg hat im Rahmen der
Tagung der Vollversammlung der IHK Magdeburg hervorragende wissenschaftliche Leistungen, die
an der Universität „Otto-von-Guericke“ Magdeburg sowie an den Hochschulen
Magdeburg-Stendal und Harz erbracht worden sind, mit jeweils einem
„Forschungspreis 2018“ ausgezeichnet.
Otto-von Guericke-Universität Magdeburg
Preisträger: Dr.-Ing. Marcus Aßmus
Thema der
Dissertation:
Globale Strukturanalyse an Photovoltaik–Modulen – Theorie, Numerik,
Anwendung
Betreuer: Prof. Dr. Michael Scheffler, Fakultät für Maschinenbau
Zusammenfassung:
Während Montage, Transport und Betrieb sind
Photovoltaik-Module mechanischen Belastungen ausgesetzt. Aus diesem Grund sind
Strukturanalysen zum Nachweis der Festigkeit und Dauerhaftigkeit erforderlich.
Bisher kamen dazu Verfahren zum Einsatz die einen hohen Rechenaufwand und eine
hohe Berechnungsdauer aufweisen. In dieser Arbeit wird daher ein effizientes
Werkzeug für strukturmechanische Analysen an Photovoltaik-Modulen entwickelt.
Der in dieser Arbeit genutzte konzeptionelle Rahmen basiert zunächst auf einer Abstraktion, um eine mechanische Theorie für dreilagige Kompositionsstrukturen mit stark differierenden Geometrie- und Materialparametern herzuleiten. Die theoretischen Grundlagen basieren auf einem fünf-parametrigen, planaren Kontinuum, das eine pragmatische Version der COSSERAT-Schale darstellt. Der hier genutzte direkte Ansatz wird erweitert, wobei Zwänge zur Kopplung einzelner Kontinua eingeführt werden, woraus eine lagenweise Theorie resultiert. Einschränkungen werden hinsichtlich geometrischer und physikalischer Linearität getroffen. Nachdem geeignete Variablen für Kinematik und Kinetik definiert wurden, wird das Verhalten linear elastischer Materialien berücksichtigt, wobei die Steifigkeitstensoren im Kontext isotropen Verhaltens aller Lagen eingeführt werden.
Analytische Lösungen von derartigen Randwertproblemen sind üblicherweise mit starken Einschränkungen möglicher Randbedingungen verbunden. Um Näherungslösungen zu konstruieren wird ein Variationsprinzip als Grundlage für numerische Lösungen genutzt, wobei in Folge die Finite-Elemente-Methode Anwendung findet. Auf den planaren Betrachtungen basierend, wird ein achtknotiges SERENDIPITY-Element mit erweiterten Freiheitsgraden realisiert. Um künstliche Versteifungseffekte zu unterbinden, werden verschiedene Integrationsschemata angewandt.
In diesem Rahmen ist es möglich das globale Strukturverhalten von Photovoltaik-Modulen effektiv zu bestimmen, welches, zumindest bis zu einem gewissen Grad, effizient berechnet werden kann. Die Leistungsfähigkeit der eingeführten Methode in Kombination mit dem numerischen Lösungsansatz wird für mehrere Fall- und Parameterstudien demonstriert. Dabei werden optimale Geometrie- und Materialparameter zur Steifigkeitssteigerung analysiert und Ergebnisse von kinematischen und kinetischen Größen diskutiert.
Die entwickelte Strategie erweist sich im Konzeptions- und Entwicklungsprozess als besonders nützlich. Das mechanische Verhalten von Photovoltaik-Modulen kann mittels der numerischen Lösungsmethodik zeitsparend und unkompliziert vorausberechnet werden, womit ebenfalls hohe Kosten für experimentelle Analysen eingespart werden können.
Hochschule
Magdeburg-Stendal
Preisträger: Tino Fauk
Thema der Bachelorarbeit:
Anlagenkonzept zur Zucht von Insekten mit Ziel der Produktion von
Futter-, Nahrungs- und Düngemitteln in urbanen Brachen am Beispiel einer
ehemaligen Filiale des Lebensmitteleinzelhandels am Standort Niederndodeleben
Betreuer: Prof.
Dr. Petra Schneider, Fachbereich Wasser-Umwelt-Bau-Sicherheit
Zusammenfassung:
Die Arbeit befasst sich maßgeblich mit der Revitalisierung von Brachen
durch effiziente Raum- und Energienutzung bei gleichzeitiger Herstellung von
hochwertigen Produkten, bis hin zur zukunftsorientierten
Nahrungsmittelgewinnung.
Warum stellt das Wachstum der Menschheit eine derartige Herausforderung dar?
Die stetige Zunahme der Weltbevölkerung verbraucht mehr und mehr Raum. Für diesen Raum- bzw. Flächengewinn werden zunehmend intakte Ökosysteme zerstört. Natürlicher Lebensraum schwindet und Arten sterben aus. Darum ist es wichtig, bereits versiegelte Flächen einem neuen Nutzen zuzuführen, d.h. zu revitalisieren. Für die Gewinnung von Nahrungs- und Futtermitteln werden ebenfalls Flächen in Anspruch genommen, Meere leer gefischt, Urwälder zerstört, der Boden und das Grundwasser mit Nährstoffen belastet. Ein übermäßiger Einsatz von Pflanzenschutzmittel führt zur Verringerung der Biodiversität, die ohnehin schon durch das monokulturelle Raum-Zeit-Mosaik stark eingeschränkt ist.
Diese Aspekte sind bei der Erarbeitung meiner Forschungsarbeit eingeflossen und dienten zur Konzeptionierung einer zukunftsorientierten Nutzung von Ressourcen. Urbane Landwirtschaft oder Urban Farming ist ein Oberbegriff für verschiedene Weisen der primären Lebensmittelproduktion in urbanen Ballungsgebieten und deren unmittelbarer Umgebung für den Eigenbedarf der jeweiligen Region. Er umfasst neben städtischen Formen des Gartenbaus auch Tierhaltung in urban geprägten Gebieten. Der Begriff geht über die bekannten Formen des urbanen Gartenbaus hinaus und beinhaltet z. B. auch Ackerbau und Tierhaltung, sofern sie im Stadtgebiet und peri-urbanen Zonen betrieben werden. Die urbane Landwirtschaft wird als ein maßgeblicher Baustein zur Lösung der Ernährungsprobleme in der Welt gesehen. Es können wie im „klassischen“ Urban Farming/ Gardening, Nahrungsmittel pflanzlicher Herkunft angebaut oder auch Pilze gezüchtet werden. Dies sind ebenfalls Konzepte, die für ein zukunftsorientiertes Design von urban industriellen Agglomerationsräumen immer wichtiger werden.
In meiner Forschungsarbeit habe ich den Fokus auf Proteine und Lipide
tierischen Ursprungs gelegt, mit dem Ziel eine effiziente Gewinnung von
wertgebenden Komponenten auf möglichst ökologischem Wege zu realisieren. Dies
soll mit ausgewählten Insektenarten geschehen, welche später ggf. um weitere
Arten und Industriesymbiosen ergänzt werden können. Die Zucht und Produktion
bestimmter Insektenarten verbraucht laut der Welternährungsorganisation bis zu
zwölfmal weniger Futter als die der äquivalenten Menge Rindfleisch, wodurch der
Wasser- und Flächenverbrauch in signifikantem Umfang verringert werden kann.
Dabei wird bei der gleichen erzeugten Proteinmenge nur etwa ein Hundertstel der
Treibhausgasmenge emittiert. Untersucht wurden der Mehlkäfer Tenebrio
molitor und die Steppengrille Gryllus assimilis, sowie die
Wüstenheuschrecke Schistocerca gregaria. Diese Arten sind als
Standard-Lebendfuttermittel anzusehen und finden auch in Snackboxen Verwendung.
Für diese Arten liegen zahlreiche Studien vor, in denen die nutritiven Eigenschaften
der wertgebenden Komponenten aufgezeigt wurden. Auch ist das Aminosäurespektrum
ausgewogen und kann mit Fischmehl und Sojaextraktionsschrot in der
Futtermittelindustrie konkurrieren. Für diese Arten konzipierte ich ein
Anlagenkonzept, dass prinzipiell eine automatisierte Insektenzucht zulässt. Für
die Automatisierung war die Konstruktion von artspezifischen Reaktoren
notwendig. Diese ermöglichen die Produktion von großen Massen an Insekten auf
kleinem Raum bei marginalem Verbrauch von Ressourcen. Die Erfahrungen zur
Haltung und Zucht konnte ich bei einem Praktikum im Zoo Magdeburg und in
eigenen Versuchen in meinen vier Wänden sammeln. Da diese Thematik zu
umfangreich für den Rahmen einer Bachelorarbeit ist, erarbeitet mein
Kommilitone und Mitstreiter Jonas Kannengießer eine Stoffstromanalyse basierend
auf dem Anlagenkonzept. Die vergangenen Monate führten dazu, dass erste
Forschungsarbeit nun in die Praxis überführt werden soll. Unsere
Gründungsaktivität im Land Sachsen-Anhalt soll die Ressourcenbasis schonen und
sukzessive eine biobasierte Produktpalette auf den Markt bringen.
Mit dem Masterstudiengang Ingenieurökologie der Hochschule Magdeburg werden wir diese Thematik weiterverfolgen und junge Wissenschaftler dazu animieren, Ressourcen zu schonen und Symbiosen zwischen sub-, urbanen Verdichtungsräumen inklusive Industrien und natürlichen oder naturnahen Ökosystemen voranzutreiben.
Hochschule Harz
Preisträger:
Kai Ludwig
Thema der
Masterarbeit:
Separation annotierter Features
- Ein Ausweg aus der #ifdef-Hölle?
Betreuer: Prof. Dr. Thomas
Leich, Fachbereich Automatisierung und Informatik
Zusammenfassung:
Software-Produktlinien ermöglichen individualisierte Massenfertigung von
Software bei gleichzeitiger Senkung der Entwicklungszeiten, Verringerung der
Entwicklungskosten und Steigerung der Produktqualität. Software-Produktlinien
gänzlich neu einzuführen ist für die Mehrheit von Softwareherstellern zu
kostenintensiv und risikobehaftet. Aus diesem Grund werden meist bestehende
Softwareprodukte schrittweise zu Produktlinien transformiert. Dabei müssen die
innerhalb der verschiedenen Produkte vorhandenen Funktionalitäten (Features)
aus den Quelltexten extrahiert werden, um in einer Software-Produktlinie
systematisch wiederverwendet werden zu können. Die Schwierigkeit hierbei
besteht jedoch darin, die Eignung der Features für diesen Vorgang vorab zu
erkennen. Bereits in Softwareprojekten mittlerer Größe ist dies ohne
automatisierte Analyse nicht zu leisten.
Zur Lösung dieses Problems wurde im Rahmen der
Masterarbeit ein Werkzeug entwickelt, das zum einen derartige Extraktionen von
Features automatisch durchführt und zum anderen Entwickler/innen bei der
Auswahl geeigneter Features unterstützt. Dies erfolgt auf Basis eines im Rahmen
der Arbeit entwickelten Kennzahlensystems, mit dem das Werkzeug die Eignung der
analysierten Features für die Verwendung in einer Software-Produktlinie
bewertet.
Die Relevanz der Masterarbeit für Praxis und
Forschung wird insbesondere durch die Anwendung des Werkzeugs auf etablierte,
internationale Softwareprojekte in Form von Fallstudien unterstrichen. Anhand
der Studienergebnisse werden zugleich neue Chancen aber auch Risiken für
Migrationen traditionell entwickelter Softwaresysteme hin zu einer
Produktlinienstrategie aufgezeigt.
Hintergrund: Seit
dem Jahr 2002 schreibt die IHK Magdeburg jährlich einen Forschungspreis für die
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg sowie die Hochschulen Magdeburg-Stendal
und Harz aus, der mit jeweils 2.000 Euro dotiert ist. Mit diesem Preis
sollen wissenschaftliche und anwendungsorientierte Arbeiten ausgezeichnet
werden, die einen Beitrag zur zukünftigen Entwicklung der gewerblichen
Wirtschaft leisten. Ziel ist es, herausragende technisch-technologische sowie
betriebs- oder volkswirtschaftliche Untersuchungen und Konzepte vornehmlich des
wissenschaftlichen Nachwuchses zu prämieren, die Lösungsansätze für eine
nachhaltige Wirtschaftsentwicklung aufzeigen.
Bild: (v.l.n.r.): Prof. Folker Roland, Rektor Hochschule Harz; Kai Ludwig, Preisträger
Hochschule Harz; Vertreterin für Marcus Aßmus, Preisträger
Otto-von-Guericke-Universität; Wolfgang März, Hauptgeschäftsführer der IHK
Magdeburg; Prof. Anne Lequy, Rektorin der Hochschule Magdeburg-Stendal; Tino
Fauk, Preisträger Hochschule Magdeburg-Stendal; Klaus Olbricht, Präsident der
IHK Magdeburg
Foto: IHK
Magdeburg