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KUBICKI-Interview: "Ich habe nichts Grenzwertiges gesagt"

1. September 2018


Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki (Foto) gab der „Rhein-Neckar-Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Andreas Herholz.


Frage: Herr Kubicki, Sie machen die Bundeskanzlerin mit für die Ausschreitungen in Chemnitz verantwortlich. Die Wurzeln für die rechten Proteste und Übergriffe würden im "Wir schaffen das" von Angela Merkel liegen. Sind Sie jetzt der Sarrazin der FDP, oder wollen Sie die AfD kopieren?

Kubicki: Gerade noch hatte mich die Presse als "Leuchtturm der Rechtsstaatlichkeit" bezeichnet. Jetzt werde ich zum Rechtspopulisten abgestempelt. Ich bin alles andere als ein Rechtspopulist. Wer mich kennt, weiß das auch. Doch in der Tat: Ich habe eine unglückliche Wortwahl getroffen, aber in der Sache bleibe ich dabei. Mir ist klar geworden, dass Menschen aus der Frage einer Mitverursachung eine Schuld ableiten. Angela Merkel ist mitnichten schuld daran, dass in Chemnitz der rechte Mob mit Hitlergruß durch die Stadt gezogen ist, Naziparolen brüllt und Menschen gejagt hat. Richtig bleibt: Die Bundesregierung hat mit ihrer Flüchtlingspolitik mit verursacht, dass die AfD so stark geworden ist. Auf dem Resonanzboden der AfD glauben nun einige Menschen, sie hätten das Recht, Gewalt anzuwenden. Jetzt müssen wir alles daran setzen, die AfD wieder klein zu machen und den sich breit machenden Rassismus bekämpfen. Diese Probleme gilt es zu lösen.

Frage: Haben Sie sich schon bei der Kanzlerin entschuldigt?

Kubicki: Ich muss mich nicht bei der Kanzlerin entschuldigen. Wenn sie sich von mir getroffen fühlt, tut mir das leid, dann werde ich ihr das auch sagen. Aber als Naturwissenschaftlerin lässt sie sich von der aktuellen hektischen Empörung nicht anstecken.

Frage: SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles spricht von einer unglaublichen Einlassung und will, dass sich der Ältestenrat des Bundestages damit befasst.

Kubicki: Frau Nahles ist verzweifelt. Sie versucht, die Sozialdemokratie am Leben zu halten, was ihr kaum noch gelingt. Ich rate dazu, sich erst genauer zu informieren, bevor sie sich äußert. Der Ältestenrat ist auch kein Gremium, das die soziale Ächtung ausspricht. Ich wehre mich gegen eine Meinungspolizei, die meint, über Grenzen bestimmen zu können.

Frage: Auch ihr Parteifreund Gerhart Baum hält ihre Äußerungen für falsch und gefährlich.

Kubicki: Auch Herrn Baum rate ich zu mehr Gelassenheit. Ich bin seit 48 Jahren Mitglied der FDP. Wir sind die Partei der Freiheit und vor allem auch der Meinungsfreiheit. Ich habe nichts Grenzwertiges gesagt. Daraus lässt sich kein Skandal konstruieren. Wo kommen wir denn hin, wenn wir nicht mehr frei diskutieren können! Richtig ist: Die Politik der Bundesregierung hat dazu beigetragen, dass viele Kommunen sich inzwischen außer Stande sehen, ihre Integrationsaufgaben zu erledigen.

Frage: 2015 zu Beginn der Flüchtlingskrise war auch von der FDP kaum Kritik an der Politik der offenen Grenzen und der Willkommenskultur zu vernehmen. Hängen Sie ihr Fähnchen jetzt in den Wind?

Kubicki: Die Kanzlerin hat mit ihrem "Wir schaffen das" den Eindruck erweckt, das geht mit Links, das ist ein Easygoing und kostet uns auch kein Geld. Sie würde den Satz heute sicher nicht mehr sagen. Ich habe damals schon genau vor dieser Herangehensweise gewarnt. Integration dauert viele Jahre lang, dabei dürfen wir keine Parallelgesellschaften zulassen. Leider sind viele Befürchtungen von 2015 eingetreten, die Kommunen stöhnen und schaffen es nicht. Wenn wir die Probleme nicht ernst nehmen und abstellen, spielen wir den Rechten in die Hände. Wir müssen uns aber auch der Frage zuwenden, was die Perspektive der Bleibeberechtigten ist. Wir brauchen dringend ein Ein- oder Zuwanderungsgesetz, das regelt, nach welchen Kriterien Menschen zu uns kommen und/oder bleiben dürfen, mit der Perspektive, Deutsche werden zu können. Dass die Union sich dem bis heute verweigert hatte, ist das größte Integrationshindernis. Abgesehen davon sollte die Bundesregierung schnellstmöglich einen Integrationsgipfel mit Ländern und Kommunen einberufen und auf die Probleme reagieren. Jeder Tag, den wir jetzt warten, stärkt die AfD.

Frage: Der Hauptverdächtige des Gewaltverbrechens in Chemnitz hätte bereits abgeschoben sein müssen, ist mehrfach vorbestraft. Verlieren die Bürgerinnen und Bürger da nicht das Vertrauen in den Rechtsstaat?

Kubicki: Das ist tatsächlich ein großes Problem. Wir müssen auf jeden Fall die Verfahren beschleunigen und im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung konsequent abschieben. Anders bekommt die Politik ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem.

Frage: Verfassungsschutzpräsident Maaßen wird vorgeworfen, die Rolle eines V-Mannes im Fall des Attentäters Anis Amri zu vertuschen. Wie bewerten Sie den Vorgang?

Kubicki: Sollte es zutreffend sein, dass Herr Maaßen ein parlamentarisches Gremium belogen hat, muss er gehen. Wo kommen wir denn hin, wenn sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss auf die Angaben staatlicher Behörden nicht mehr verlassen kann?