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angela merkel offizielles portraet

Regierungserklärung im Bundestag: Merkel wirbt für offenes und starkes Europa.

Die Kanzlerin hat sich für ein weltoffenes und starkes Europa ausgesprochen. Europa dürfe sich niemals einigeln und abschotten, so Merkel mit Blick auf die Handelspolitik. Zudem müsse die EU mehr Verantwortung übernehmen, so bei der Sicherheit. Merkel verurteilte deutlich die Nazi-Vergleiche türkischer Politiker.

Zu Beginn ihrer Regierungserklärung verwies Bundeskanzlerin Angela Merkel auf eine sich positiv entwickelnde Wirtschaftslage in der Europäischen Union. "Es ist ein wichtiges Beispiel dafür, was wir als Europäische Union schaffen können, wenn wir gemeinsam handeln", so Merkel. Auf die einzigartige Mischung aus Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Sicherung könne Europa stolz sein, so etwas gebe es in diesem Umfang auf der Welt nicht noch einmal. "Die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie in Deutschland kennen, ist ein Erfolgsmodell, um das uns weite Teile der Welt beneidet", betonte die Kanzlerin.

Wieder mehr Wachstum in Europa

Sie hob hervor, dass mittlerweile auch die Wachstumsaussichten für Europa wieder besser seien. Die EU-Kommission gehe davon aus, dass in diesem Jahr alle 28 EU-Länder auf einen positiven Wachstumspfad zurückkehrten, und dass dies auch in den kommenden Jahren anhalte. Zur Arbeitslosigkeit sagte Merkel, sie sei in einigen Ländern gerade unter jungen Leuten viel zu hoch. Damit dürfe man sich auf gar keinen Fall abfinden. "Ermutigen kann uns jedoch, dass sich die Arbeitslosigkeit insgesamt in Europa auf dem niedrigsten Stand seit 2009 befindet", so Merkel.

Auch die Lage der öffentlichen Finanzen und der Umfang der Investitionen habe sich insgesamt, trotz der Lage in Griechenland, kontinuierlich verbessert. Deutschland profitiere davon. Denn "nur wenn es auch Europa gut geht, wird es auch Deutschland dauerhaft gut gehen können. Das dürfen wir nie vergessen", betonte die Kanzlerin.

Globalisierung und Digitalisierung als Chance

Für die Zukunft sei wesentlich, die Globalisierung und die Digitalisierung als Chance zu begreifen. "Wir müssen gemeinsam alles dafür tun, beides gemeinsam zu gestalten, und zwar auf der Grundlage unserer Werte, aber auch unserer wohlverstandenen eigenen Interessen", sagte Merkel. Sie warb für eine Handelspolitik, die auf freien Handel setzt. Deutschland sei in besonderem Maße als Handelsnation darauf angewiesen, einen guten Zugang nicht nur zum europäischen Binnenmarkt, sondern auch zu den Weltmärkten zu haben. Um sich dort ohne Hindernisse und Benachteiligungen dem globalen Wettbewerb stellen zu können, so Merkel.

Sie begrüßte ausdrücklich, dass das EU-Parlament dem Handelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada zugestimmt habe. Merkel warb für Abkommen mit weiteren Ländern.

Niemals abschotten und zurückziehen

Merkel erklärte, dass in Teilen der Welt nationalistische und protektionistische Ansätze auf dem Vormarsch seien. Umso wichtiger sei, dass sich Europa seine Offenheit gegenüber der Welt bewahre, auch und gerade in der Handelspolitik. "Europa darf sich niemals einigeln, abschotten und zurückziehen." Die Kanzlerin sprach sich dafür aus, die regionalen Unterschiede und wirtschaftlichen Spezialisierungen in den EU-Mitgliedsländern als Stärke zu sehen. Das unterschiedliche Potenzial in den Regionen müsse voll zur Entfaltung kommen können. Übertriebene Regulierungen und Hindernisse sollten abgebaut werden.

Mehr Zusammenarbeit bei Rückführungen

Ein weiteres Schwerpunkthema des Europäischen Rates ist die Flüchtlings- und Migrationspolitik. Merkel sagte, hier gebe es Fortschritte, gleichwohl müsse an weiteren Fortschritten gearbeitet werden. Als Beispiel nannte sie die Reform des europäischen Asylsystems, das reformiert, solidarischer ausgestaltet und vor allem krisenfest gemacht werden müsse. Zudem wolle man "bei den Rückführungen auf europäischer Ebene enger zusammenarbeiten".

Sehr unbefriedigend sei nach wie vor die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und die Umsetzung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei durch Griechenland. Auch seien tagtäglich tote Flüchtlinge im Mittelmeer zu beklagen. Deshalb "muss der Kampf gegen Schlepper und Schleuser unverändert hohe Priorität haben. Ihnen muss das skrupellose und menschenverachtende Handwerk gelegt werden", so Merkel.

Der Kampf gegen kriminelle Schlepper, der notwendige Schutz der europäischen Außengrenzen und die Bekämpfung von Fluchtursachen rette Leben. Diese Punkte verbergen sich laut Merkel konkret hinter dem Konzept, Migrationspartnerschaften mit den Herkunfts- und Transitstaaten einzugehen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit diesen Ländern könnte man den Menschen konkret helfen und die unerträgliche Lage für viele nachhaltig in den Griff bekommen. Beispielhaft nannte sie die Migrationspartnerschaften mit Niger und Mali. Wichtig sei auch eine politische Lösung für Libyen.

Merkel wirbt für EU-Türkei-Abkommen

Die Kanzlerin hob die Errungenschaften des Abkommens zwischen der EU und der Türkei hervor. Seitdem das Abkommen in Kraft sei, habe die Zahl der Menschen, die in der Ägäis ums Leben kommen, massiv abgenommen. Zudem seien die Lebensbedingungen der in der Türkei lebenden Flüchtlinge und der nach Jordanien und Libanon kommenden Menschen verbessert worden.

Noch immer fehle es jedoch an europäischer Solidarität, beispielsweise bei der Verteilung der Flüchtlinge durch freiwillige Kontingente. Umso dringender seien Vereinbarungen mit Transit- und Herkunftsstaaten. Nur mit solchen Vereinbarungen könne man wirksam, also tatsächlich nachhaltig, an den Fluchtursachen vor Ort oder in der Nähe der vor Terror fliehenden Menschen ansetzen. Die Vereinbarungen, wie das Abkommen mit der Türkei, seien "im Interesse aller".

"Tiefgreifende Differenzen" mit der Türkei

Das gelte auch für die Türkei. Deutschland und die Türkei hätten zahlreiche gemeinsame Interessen. Das gelte auch angesichts "tiefgreifender Differenzen" zwischen der Europäischen Union und der Türkei, zwischen Deutschland und der Türkei.

Als traurig und deprimierend bezeichnete Merkel die Äußerungen, mit denen türkische Regierungsmitglieder und auch der türkische Staatspräsident die Bundesrepublik in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt hätten. "Das ist so deplatziert, dass man es eigentlich ernsthaft gar nicht kommentieren kann", stellte Merkel klar. Zu rechtfertigen sei "es schon überhaupt gar nicht", auch nicht mit einem Wahlkampf zur Einführung eines Präsidialsystems in der Türkei.

"Nazi-Vergleiche müssen aufhören"

"Diese Vergleiche müssen aufhören", forderte die Kanzlerin. Sie seien der engen Verflechtung beider Völker in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und auch als Nato-Partner nicht würdig. Merkel bekräftigte zudem, dass sich die Bundesregierung weiterhin „mit allen in ihrer Macht stehenden Mitteln“ für die Freilassung des in der Türkei inhaftierten deutschen Journalisten Deniz Yücel einsetzen werde.

Die Kanzlerin wandte sich in ihrer Rede auch an die in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln und betonte: "Sie sind Teil unseres Landes." Als Mitschüler, Arbeitskollegen oder als Sportsfreunde leisteten diese Menschen einen Beitrag zum Wohlstand und zum guten Zusammenleben in Deutschland. "Wir wollen alles tun, damit nicht eventuell Konflikte, die innertürkisch sind, in unser Zusammenleben hineingetragen werden", sagte Merkel.

Verhältnis zur USA von "überragender Bedeutung"

In ihrer Regierungserklärung ging Merkel auch auf die transatlantischen Beziehungen zu den USA ein. Sie zeigte sich davon überzeugt, dass "die transatlantische Partnerschaft auf der Grundlage unserer Werte und Interessen für uns alle, also nicht nur für uns Europäer, von überragender Bedeutung ist." In dem Geist werde sie am 14. März ihre Gespräche mit US-Präsident Trump in Washington führen.

Gerade weil sich der Charakter der Beziehungen verändere, habe sich Europa dazu entschlossen, in der Zukunft mehr Verantwortung als in der Vergangenheit zu übernehmen. In diesem Zusammenhang nannte Merkel die Situation der Westbalkan-Länder, einem weiteren Thema des EU-Rates. Man werde die Westbalkan-Länder auf ihrem Weg unterstützen, gleichzeitig aber auch darauf drängen, dass die Reformen umgesetzt werden. Wohlstand, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als Selbstverständlichkeit auch in diesen Ländern sei im ureigenen Interesse aller europäischer Staaten.

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Mehr Verantwortung bei Sicherheit und Verteidigung

Mehr Verantwortung werde Europa auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik übernehmen. Auch dies ist ein wichtiges Thema des EU-Rates. "Wir müssen als Europäische Union zu einem eigenen Krisenmanagement in unserer Nachbarschaft in der Lage sein, und zwar nicht in Konkurrenz, sondern ergänzend zur Nato", sagte Merkel. Nötig seien nicht nur finanzielle Verbesserungen, sondern auch eine bessere strukturelle Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer.

Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten

Die Kanzlerin warb für Formen der unterschiedlichen Zusammenarbeit innerhalb der EU. Man könne in Europa bei wichtigen Fragen vorankommen, ohne dass sich alle Staaten zu einer Teilnahme gezwungen sähen - oder auf Dauer von ihr ausgeschlossen würden: "Wir müssen notwendige Verbesserungen in Europa ambitioniert, also mit einem hohen Anspruch, angehen können, ohne dabei jedes Mal den Zusammenhalt zwischen den Mitgliedsstaaten zu gefährden", so Merkel. "Denn die vor uns liegenden Aufgaben sind zu groß, als dass wir in Europa immer nur mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner arbeiten können."

Zum Abschluss ihrer Rede warb die Bundeskanzlerin dafür, die Erfolgsgeschichte der EU fortzusetzen. Gerade zum 60-jährigen Jubiläum gelte es, sich zu den eigenen Werten und Interessen zu bekennen. Sie schloss mit dem Motto zum 50. Jubiläum der Europäischen Union: "Wir sind zu unserem Glück vereint".

Der Europäische Rat findet Donnerstag und Freitag in Brüssel statt. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Lage der europäischen Wirtschaft, die Kooperation der EU mit afrikanischen Ländern zum Thema Migration und die Zusammenarbeit in der EU bei Sicherheit und Verteidigung. Zudem soll die Debatte über die Zukunft der EU fortgesetzt und eine Erklärung zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge vorbereitet werden. Geplant ist, diese Erklärung beim Jubiläums-Gipfel am 25. März in Rom zu verabschieden.