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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Di., 27. Oktober 2020

  1. Umwelteinflüsse bereiten der Fischerei Sorgen
    Ernährung und Landwirtschaft/Ausschuss
  2. Positives Echo für Eigenmittelbeschluss der EU-Kommission
    Europa/Anhörung
  3. Datenschützer und Automatenhersteller gegen neues Passgesetz
    Inneres und Heimat/Anhörung


01. Umwelteinflüsse bereiten der Fischerei Sorgen

Ernährung und Landwirtschaft/Ausschuss

Berlin: (hib/EIS) Die Herausforderungen für die Fischerei in der Nord- und Ostsee sind in Anbetracht des Anstiegs der Wassertemperaturen, des Ausbleibens kalter Winter und der Verschiebung des Sauerstoff- sowie Salzgehaltes enorm. Das führe in den Fischbeständen zu Konsequenzen, die "eine hohe Bedeutung für die Fischerei der Anrainerstaaten hat", stellte Alois Gerig (CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, in einem Fachgespräch zum Thema "Politische Lösung der existenziellen Krise der Fischerei durch instabile Meeresökosysteme in Ost- und Nordsee einschließlich der Novelle der EU-Fischereikontrollverordnung" am Montag fest.

Durch die sich ändernden Umwelteinflüsse auf die Fische sinke der Laicherfolg, schilderten Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Institutes Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, eines der Probleme für die Fischerei. Rund sechzig Prozent der Fischarten seien betroffen und würden zusätzlich durch den Müll in den Meeren, die industrielle Verschmutzung sowie die Überdüngung der Gewässer infolge der landwirtschaftlichen Produktion zusätzlich belastet. Besonders leide infolge des ökologischen Problems die kleine Kutterfischerei, obwohl diese die nachhaltigere Form der Fischerei sein könnte, meinte die Wissenschaftlerin. Boetius plädierte dafür, dass die Wahrung der Interessen der Fischerei, des Naturschutzes und die Forschung nicht als Widerspruch wahrgenommen werden sollten und die Beteiligten mehr zusammenarbeiten müssten.

Für die Ostsee sei eine dauerhaft reduzierte Ertragsfähigkeit nicht auszuschließen, sagte Peter Breckling, Generalsekretär des Deutschen Fischerei-Verbandes. In der Nordsee würden immerhin die südlichen Arten zunehmen, während die nördlichen Arten abwanderten. Breckling stellte der Fischereipolitik rückschauend aber auch im Hinblick auf die erreichte Qualität der Meeresgebiete ein positives Zeugnis aus. So sei die fischereiliche Sterblichkeit gesunken, während die Bestandsbiomasse zugenommen habe. Weder die Energie- noch die Agrarpolitik hätten vergleichbare Erfolge hervorgebracht. Nun gelte es, den Schutz der Fanggebiete vor konkurrierenden Nutzungsansprüchen zu gewährleisten, die exklusive ausschließende Rechte haben.

"In der Nordsee fischende Betriebe machen sich nicht die großen Sorgen über instabile Meeresökosysteme", weil diese sich anpassen würden, sagte Hilke Looden von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Die Küstenfischerei beschränke sich ohnehin nur noch auf die Krabbenfischerei. Sorge bereite hingegen, dass die Fanggebiete durch den Zuwachs im Bereich der Offshore-Windenergie verloren gehen, die zunehmend als Flächenkonkurrenz wahrgenommen werde. Die zunehmend weniger zur Verfügung stehenden Fanggründe müssten kompensiert werden, entweder durch die Senkung der Flottenkapazität oder die Ausweitung der Fischerei in den Windparks. Andernfalls nähme der Fischereidruck in den übrig gebliebenen Gebieten zu.

"In den letzten Jahren sind wichtige Instrumente und Ziele auf den Weg gebracht worden, um eine nachhaltige Fischerei auf den Weg zu bringen, resümierte Markus Salomon vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. Handlungsbedarf bestehe aktuell beim Bestandsmanagement, weil mehr als ein Drittel der Bestände zu intensiv befischt würden. Es gebe Einzelbestände, die im schlechten Zustand seien. Dies sei ein Zeichen dafür, dass mehr kontrolliert werden müsse. Insbesondere das Rückwurfverbot werde in der Praxis kaum eingehalten. Erfreulich sei hingegen, dass Schutzgebiete in deutschen Hoheitsgewässern großflächig ausgewiesen worden seien. Aber auch in diesen Gebieten fehle es an wirksamen Regelungen, die im Rahmen von noch zu erstellenden Managementplänen überwacht werden müssen.

Auch Kai-Arne Schmidt, Geschäftsführer Erzeugergemeinschaft der Nord- und Ostseefischer GmbH, kritisierte, dass in der Vergangenheit auf See kaum Kontrollen stattgefunden hätten. Schmidt wies darauf hin, dass rund drei Viertel der Fischereifahrzeuge der Flotten in Deutschland und Europa unter zwölf Meter lang seien. Auch diese kleinen Fahrzeuge würden in ihrer Menge einen "ordentlichen" Anteil an der Fangmenge ausmachen. Diese Fahrzeugtypen würden jedoch gar nicht kontrolliert. "Fischerei ist Fischerei", es sollten keine Unterschiede gemacht werden zwischen großen und kleinen Fischereifahrzeugen. Größere Fahrzeuge würden dagegen intensiv kontrolliert, weil dies für die Behörden einfacher sei. Schmidt sprach sich dafür aus, bei Kontrollen mehr auf elektronische Hilfsmittel zu setzen, um den Kontrollaufwand im Rahmen zu halten.



02. Positives Echo für Eigenmittelbeschluss der EU-Kommission

Europa/Anhörung

Berlin: (hib/JOH) Die Pläne von EU-Kommission und Europäischem Rat zur Reform des Eigenmittelsystems der Europäischen Union sind am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Europaausschusses auf ein überwiegend positives Echo gestoßen. In der zweistündigen Sitzung unter Leitung von Gunther Krichbaum (CDU) begrüßten mehrere Sachverständige die zeitlich begrenzte Erhöhung der nationalen Beiträge zum EU-Haushalt sowie die Aufnahme von Krediten zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds "Next Generation EU" (NGEU), um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern. Überwiegend Einigkeit bestand zudem in der Frage, dass für die notwendige Ratifizierung des Eigenmittelbeschlusses durch den Bundestag eine einfache Mehrheit ausreichend ist.

Unter anderem wertete der stellvertretende Direktor des Jacques Delors Centre an der Berliner Hertie School, Lucas Guttenberg, den im Juli vom Europäischen Rat bestätigten Eigenmittelbeschluss als "enorm wichtigen Schritt für Europa", der zu einer besseren wirtschaftlichen Erholung in den von der Pandemie besonders betroffenen Mitgliedstaaten führen werde. Eine schnelle Ratifizierung sei daher geboten. Da aus dem Beschluss allerdings finanzpolitisch keine neue permanente Handlungsfähigkeit erwachse, bleibe ein zentrales Problem der Wirtschafts- und Währungsunion weiter ungelöst: "Das Fehlen eines haushaltspolitischen Gegenstücks zur gemeinsamen Geldpolitik".

Nach Ansicht von Professor Ulrich Hufeld von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg leistet das NGEU-Programm einen "außerordentlichen Beitrag" zur Erholung der Union nach der Covid-19-Pandemie. Konzipiert sei es konsequent als Sonderrecht. Weder gäben die Mitgliedstaaten ihre Hoheit über die Finanzverfassung der Union preis, noch bahne der NGEU einer Fiskalunion den Weg, betonte er.

Laut Professor Claus-Dieter Classen von der Universität Greifswald bestehen auch keine unionsrechtlichen Bedenken gegen das Instrument. Artikel 311 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV) sehe ausdrücklich die Schaffung neuer Kategorien in einem Eigenmittelbeschluss der EU vor. Auch stelle die Aufnahme von Krediten ein übliches Instrument zur Finanzierung eines öffentlichen Haushalts dar, zumal der Rückgriff auf die Kapitalmärkte nur in klar definiertem Rahmen gestattet werde.

Einen Bundestagsbeschluss mit Zwei-Drittel-Mehrheit hielten die meisten Sachverständigen nicht für notwendig. Der innerstaatliche Verfassungsraum werde vom vorliegenden Eigenmittelbeschluss nicht berührt, sagte Classen. Professor Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld ergänzte, beim NGEU handle es sich um ein inhaltlich wie zeitlich begrenztes Aufbauprogramm mit strikter Zweckbindung. Auf Grundlage der Solidaritäts- und Beistandsregeln des Artikels 122 AEUV solle es die verheerenden wirtschaftlichen Nebenfolgen einer globalen Pandemie in der Europäischen Union abmildern helfen.

Auch Professor Martin Nettesheim von der Juristischen Fakultät Universität Tübingen urteilte, die bestehenden Beteiligungsrechte des Parlamentes reichten aus. Jedoch sei eine politische Entwicklung absehbar, in deren Verlauf es zu einer verstärkten EU-Ausgabenfinanzierung durch Verschuldung kommen könnte. Mit Blick auf dieses "bisher hypothetische Szenario" könnte der Bundestag darüber nachdenken, diesbezügliche Mitsprachemöglichkeiten im Begleitgesetz zu verankern. Eine verfassungsrechtliche Pflicht dazu bestehe jedoch nicht.

Susanne Wixforth vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete den NGEU als "ein Meisterstück", das notwendig geworden sei, "weil die Wirtschafts- und Währungsunion nach wie vor unvollendet ist". Für einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss des Bundestages spricht aus ihrer Sicht, dass es bei dem Eigenmittelbeschluss "im weitesten Sinne" um eine Kompetenzfrage gehe. "Kompetenzfragen sind auch Demokratiefragen", erläuterte Wixforth. Einfache Mehrheiten seien zudem leichter anfechtbar.

Professor Friedrich Heinemann vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sagte, es sei ökonomisch sehr zu begrüßen, dass die EU mit dem NGEU ihre fiskalische Handlungsfähigkeit unter Beweis stelle. Er verwies jedoch auf die geplante Erhöhung der EU-Eigenmittelobergrenze um eine zweckgebundene Marge von 0,6 Prozentpunkten des Bruttonationaleinkommens bis zum Jahr 2058. Diese "massive Überdeckung" übersteige die tatsächlichen Finanzierungserfordernisse in erheblichem Umfang, urteilte er. Das biete Anreize zur Tilgungsverzögerung und berge hohe Risiken für den Bundeshaushalt. Heinemann empfahl dem Bundestag, auf eine Korrektur des vorliegenden Eigenmittelentwurfs hinzuwirken. Die zusätzliche Eigenmittelmarge sollte für die gesamte Laufzeit abgesenkt und eine jährliche Mindesttilgung der NGEU-Schulden präzise vorgegeben werden.

Professor Dirk Meyer, ebenfalls von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, warnte vor einer zukünftigen Kreditkompetenz als Regelfall und einer unwirtschaftlichen Mittelverwendung. Die "Fiskalunion mit Transfercharakter" erscheine als Zielpunkt. Als Alternativen zu einem kreditfinanzierten NGEU schlug er eine einmalige Vermögensabgabe auf nationaler Basis, Hilfen aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) sowie eine Kreditbesicherung mit staatlichem Sondervermögen vor.

Andreas Schwarz von der EU-Kommission wies Meyers Einschätzungen zurück. Der neue Eigenmittelbeschluss sei "temporär und zweckgebunden" und bedeute keinen Einstieg in eine schuldenfinanzierte Transferunion. Die Erhöhung der Eigenmittelobergrenze um 0,6 Prozentpunkte sei notwendig, damit die EU weiterhin den Bonitätsstatus "Triple-A" am Kapitalmarkt erhalte. Schwarz äußerte die Hoffnung auf eine baldige Einigung mit dem Europäischen Parlament und bat den Bundestag, den Eigenmittelbeschluss daraufhin zügig zu ratifizieren. Vorher könne das Wiederaufbauprogramm "Next Generation EU" nicht starten.



03. Datenschützer und Automatenhersteller gegen neues Passgesetz

Inneres und Heimat/Anhörung

Berlin: (hib/WID) Das Gesetzesvorhaben, mit dem die Bundesregierung einer EU-Verordnung aus dem vergangenen Jahr Folge leistet (19/21986), sei weder mit dem Grundgesetz noch mit europäischem Recht vereinbar, monierten Kritiker in einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat am Montag. Vorgesehen ist unter anderem, dass vom August 2021 auf jedem Personalausweis die Abdrücke beider Zeigefinger des Inhabers gespeichert sein müssen. Die Geltungsdauer von Kinderreisepässen soll auf ein Jahr verkürzt werden. Ferner dürfen Passbilder künftig nur noch digital erstellt und durch eine sichere Verbindung übermittelt werden. Die Ausstattung der Behörden mit entsprechend geeigneten Geräten soll in die Zuständigkeit der Bundesdruckerei fallen.

Abgesehen von der vorgesehenen Pflicht zur Speicherung von Fingerabdrücken war es vor allem diese Bestimmung, die den Widerspruch von Sachverständigen und Interessenvertretern hervorrief. Als beispiellosen Eingriff in die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik geißelte Roland Appel, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Roa.Consult, das Vorhaben. Appel sprach für sieben betroffene Hersteller und Anbieter von Geräten zur biometrischen Bilderfassung. Mit dem geplanten Gesetz werde das Monopol eines Staatsbetriebes zu Lasten einer ganzen Branche kleiner und mittlerer Unternehmen etabliert. Diesem drohe dadurch die ökonomische Existenzvernichtung.

Gestützt auf ein juristisches Gutachten machte Appel geltend, dass der Entwurf sowohl gegen das in Artikel 12 GG verbürgte Grundrecht auf Berufs- und Gewerbefreiheit als auch gegen europäisches Wettbewerbsrecht nach Maßgabe der EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoße. Kritikwürdig sei auch, dass das Gesetz offenbar im Eilverfahren durchgepeitscht werden solle.

Von einem erheblichen Eingriff in Rechtspositionen von Gewerbetreibenden, Kommunen und Bürgern sprach auch der Leiter des Instituts für Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes, Professor Georg Borges. Dass nur die Bundesdruckerei als Anbieter der Bilderfassungs-Geräte in Frage kommen solle, sei nicht nachvollziehbar. Mit Blick auf Artikel 12 GG bedürfte ein solches Monopol einer starken Rechtfertigung, die in diesem Fall aber nicht vorliege.

Gegen den vorgesehenen Zwang zur Speicherung zweier Fingerabdrücke wandte sich Friedemann Ebelt, Sprecher des in Bielefeld ansässigen Vereins "Digitalcourage". Zwar sei auf diese Weise die Identität einer Person schneller zu überprüfen, wenn das Passbild allein keine ausreichende Handhabe biete. Doch komme das so selten vor, dass eine anlasslose generelle Fingerabdruck-Pflicht dadurch nicht zu rechtfertigen sei. Die vorsehene Regelung begründe einen Generalverdacht gegen Bürgerinnen und Bürger und sei ein nutzloser und gefährlicher Übergriff des Staates. Menschen würden dadurch lebenslang kontrollierbar.

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs äußerte der frühere schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert, der für das "Netzwerk Datenschutzexpertise" sprach. Er warnte vor der Entstehung einer unangemessenen Überwachungsinfrastruktur und rügte die EU-Verordnung, auf die der Entwurf zurückgeht, als unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz. Die geringe Zahl von Fällen, in denen der Fingerabdruck die Klärung von Identitätszweifeln erleichtere, sei kein hinreichender Anlass, 300 Millionen EU-Bürger zur Abgabe ihrer Fingerabdrücke zu zwingen.

Zufrieden mit dem Gesetzentwurf äußerte sich Stefan Hofschen, Vorsitzender Geschäftsführer der Bundesdruckerei, der die Kompetenz seines Unternehmens hervorhob, Behörden mit Bilderfassungsgeräten auszustatten. Es habe dies bereits 2015 unter Beweis gestellt, als es innerhalb weniger Monate ein System zur Erfassung der Daten von Asylsuchenden entwickelt und bundesweit installiert habe.

Zufrieden äußerte sich auch Christoph Busch, Professor für Biometrie am Fachbereich Informatik der Hochschule Darmstadt. Er wies auf die Gefahr des sogenannten "Morphing" für die Funktion des Passes als Dokument der Identitätskontrolle hin. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, mit digitaler Technik mehrere Gesichtsbilder zu einem einzigen zu verschmelzen, wodurch ein Pass gegebenenfalls für mehrere Personen nutzbar wird. Dem werde durch die neuen Bestimmungen ein wirksamer Riegel vorgeschoben.