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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mo., 26. Oktober 2020

  1. Experten äußern sich zu Nachholfaktor in der Rentenformel
    Arbeit und Soziales/Anhörung
  2. Wasserstoffstrategie findet Zustimmung
    Wirtschaft und Energie/Anhörung


01. Experten äußern sich zu Nachholfaktor in der Rentenformel

Arbeit und Soziales/Anhörung

Berlin: (hib/CHE) Der Vorschlag der FDP-Fraktion, den Nachholfaktor in der Rentenformel wieder einzuführen, stößt bei Experten auf ein geteiltes Echo. Das wurde in der Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag zu einem entsprechenden Antrag (19/20195) der Liberalen deutlich.

Der Nachholfaktor wurde in der Finanzkrise 2008 eingeführt als Ausgleich für die Rentengarantie, die angesichts sinkender Löhne verhindern sollte, dass die Renten sinken. Er besagt: Sobald sich die Wirtschaft erholt und die Löhne wieder steigen, sollten die dann möglichen Rentenerhöhungen nur halb so hoch ausfallen wie nach der Rentenanpassungsformel eigentlich vorgesehen, solange, bis die vermiedene Rentenkürzung ausgeglichen ist. 2018 wurde der Nachholfaktor jedoch bis 2025 ausgesetzt. "Dieses Aussetzen des Nachholfaktors kommt einer Manipulation der Rentenanpassungsformel zu Lasten der Jüngeren gleich. Denn es wird in der aktuellen Situation unweigerlich zu einer ungleichen Lastenverteilung in der gesetzlichen Rentenversicherung führen - auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler der jüngeren Generationen", schreiben die Liberalen.

Positiv bewerten arbeitgebernahe Institutionen den Antrag, wie aus den Stellungnahmen deutlich wird: So schreibt die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) dazu: "Die Kosten aus der Alterung der Gesellschaft und die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie müssen in der Rentenversicherung gleichmäßig auf die Generationen verteilt werden. Dies kann erreicht werden, wenn sowohl der Nachhaltigkeitsfaktor als auch der Nachholfaktor wieder bei der Rentenanpassung uneingeschränkt Anwendung finden." Der Wirtschaftswissenschaftler Martin Werding bezeichnet die Aussetzung der Schutzklausel als "unbegründete Abweichung vom Grundsatz lohnorientierter Rentenanpassungen". Unter den Bedingungen der aktuellen Krise könne sie permanente Wirkungen auf das Rentenniveau und den Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) entfalten, die die ohnehin absehbare finanzielle Anspannung der GRV in der bevorstehenden akuten Phase der demographischen Alterung noch verschärften, warnt Werding.

Der Sozialverband VdK Deutschland kritisiert dagegen, der Vorschlag der FDP-Fraktion führe nicht zu einer generationengerechten Überwindung der Corona-Krise, sondern zu kurzfristig niedrigeren Rentenanpassungen. Der Antrag postuliere, dass die Aussetzung des Nachholfaktors "einer Manipulation der Rentenanpassungsformel zu Lasten der Jüngeren" bedeute. Diese Aussage sei "inhaltlich falsch". Die Deutsche Rentenversicherung verweist darauf, dass eine vorzeitige Reaktivierung des Nachholfaktors unter anderem mit der Haltelinie für das Rentenniveau aber auch mit der Angleich der Ost-Renten kollidieren würde.

Eckart Bomsdorf, Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik, kritisiert in seiner Stellungnahme das Aussetzen des Nachholfaktors 2018 zwar als nicht "zwingend notwendig". Mit oder ohne Nachholfaktor werde das Rentenniveau 2025 bei 48 Prozent liegen. Um die Corona-Krise generationengerecht zu überwinden, bedürfe es allerdings anderer Maßnahmen als der von der FDP angestrebten Gesetzesänderung. So gebe es bei den Erwerbsminderungsrenten eine größere Gerechtigkeitslücke als mit diesem Antrag der FDP angesprochen werde.



02. Wasserstoffstrategie findet Zustimmung

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/PEZ) Die im Juni von der Bundesregierung ausgegebene Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) hat prinzipiell die Zustimmung von Experten gefunden. Allerdings verbanden sie damit am Montag bei einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie eine Reihe von Forderungen nach Präzisierungen und Ergänzungen. Auch tue Eile not. In der Sitzung unter der Leitung von Klaus Ernst (Die Linke) ging es neben der Unterrichtung der Bundesregierung zu ihrem Strategiepapier (19/20363) um Anträge der FDP-Fraktion mit Forderungen nach einer Wasserstoffunion (19/20020) und einer Klassifizierung von Wasserstoff (19/20021) sowie einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/18733), in dem eine grüne Strategie gefordert wird.

Jörg Bergmann (Open Grid Europe) unterstrich die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende. Wasserstoff werde sich zu einer globalen Schlüsseltechnologie entwickeln, die maßgeblichen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands haben werde. Von der groß angelegten Erzeugung über den Transport bis zur breiten Verwendung in allen Sektoren seien jetzt Schritte notwendig, um Wasserstoff in Deutschland zur einer Erfolgsgeschichte zu machen. Der Transport in größeren Mengen über Leitungen sei zumindest innerhalb Europas die wirtschaftlichste Variante. Er schlug den Aufbau einer Pipeline-Infrastruktur auf Basis bestehender Gasnetze mit einer Gesamtlänge von 1.200 Kilometern bis 2030 vor.

Daniel Teichmann (Hydrogenious LOHC Technologies) unterstrich, Wasserstoff stelle nach mehrheitlicher Überzeugung der Fachwelt einen elementaren Baustein für die Dekarbonisierung des Energiesystems dar. Er erläuterte die LOHC-Technologie (Liquid Organic Hydrogen Carrier), bei der Wasserstoff an ein flüssiges Trägermaterial "angedockt" und innerhalb der bestehenden Infrastruktur transportiert werde. Der Transport erfolge über Hochsee- und Binnenschiffe, Schiene und Straße. LOHC ermögliche erstmalig den sicheren und kosteneffizienten Transport sowie Import von kostengünstigem, grünem Wasserstoff. Der Import aus Regionen, in denen Wasserstoff günstig produziert werden könne, werde essentiell sei.

Armin Schnettler (Siemens Energy) mahnte zum Tempo bei der NWS-Umsetzung. Die eigentliche Arbeit beginne jetzt. Noch seien deutsche Unternehmen Technologieführer im Bereich Wasserstoff. Dieser Vorsprung müsse erhalten und ausgebaut werden. Zu den größten Prioritäten zählte er die Befreiung für Elektrolyse von der EEG-Umlage.

Kerstin Andreae (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) beschrieb als Zielbild, es sei für die umfassende Dekarbonisierung aller Sektoren zwingend erforderlich, dass bis zum Jahre 2050 die Gasversorgung vollständig auf klimaneutrale und dabei möglichst weitgehend auf erneuerbare Gase umgestellt werde. Im Bereich Wärme regte sie die Beimischung von Wasserstoff in Gasnetze an.Um die notwendigen Mengen zu generieren, sei ein sofortiger Einstieg in die Erzeugung erforderlich. Es sei an der Politik, die Rahmenbedingungen zeitnah zu gestalten, um die notwendigen Prozesse und Entwicklungen anzustoßen und zu beschleunigen.

Daniela Jansen von der IG Metall beschwor die Schlüsselrolle der Wasserstofftechnologie im weltweiten Rennen um eine ressourcenschonende und klimaneutrale Produktion. Ein Schwerpunkt liege bei der Stahlindustrie. Jansen forderte eine größere Aufmerksamkeit für das Thema Beschäftigung. Mit dem Einsatz von Wasserstoff würden in vielen Branchen neue Technologien und Anwendungsfelder zum Einsatz kommen, für die bisher vielfach noch nicht die notwendigen Qualifikationen bei den Beschäftigten vorhanden seien. Die NWS setze auf Forschung und Entwicklung, vernachlässige aber bisher die Aus- und Weiterbildung.

Der Unternehmer Lars Baumgürtel (Voigt und Schweitzer) begrüßte zwar die NWS, machte jedoch aus der Sicht des energieintensiven Mittelstands für den anstehenden Markthochlauf Klärungsbedarf und inhaltliche Lücken aus. Sein Appell an die Abgeordneten: Sie sollten aus den sogenannten "Hidden Champions" besonders im energieintensiven Mittelstand keine "Forgotten Champions" machen und den, wie er ausführte, wichtigsten Industriebereich in Deutschland in die weitere Entwicklung der Wasserstoffstrategie mit einbinden. Im Bereich der Prozesswärme gebe es ein großes Potenzial, von Erdgas auf Wasserstoff umzustellen.

Felix C. Matthes vom Öko-Institut mahnte eine schnellere Konkretisierung der NWS an. Bisher bewegten sich die meisten der vorgeschlagenen Maßnahmen noch auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau. Zu den besonders vordringlichen Maßnahmen zählte er den Aufbau eines robusten Zertifizierungssystems für klimaneutralen Wasserstoff im Rahmen der Europäischen Union und auch deutlich darüber hinaus. Dies sei die Voraussetzung für viele Strategien und Umsetzungsmechanismen. Zudem sei für eine größere Rolle der einheimischen Wasserstoffproduktion ein massiv beschleunigter Ausbau der regenerativen Stromerzeugung zwingend erforderlich. Wasserstoff könne nur so grün sein wie die Stromerzeugung grün sei.

Mario Ragwitz (Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie) legte dar, Wasserelektrolyse werde in Deutschland zu einer entscheidenden industriepolitischen Komponente werden - nicht nur für die Erzeugung des hierzulande benötigten Wasserstoffs, sondern auch als Flexibilitätsoption im Stromnetz und als Technologie für den internationalen Exportmarkt. Von zentraler Bedeutung seien eine Anpassung des regulatorischen Rahmens für Steuern, Abgaben und Umlagen auf Strom, die Förderung von Demonstrationsobjekten und der Aufbau der notwendigen Infrastruktur. Regulatorische Hemmnisse für Brennstoffzellenfahrzeuge und Wasserstofftankstellen müssten abgebaut werden.