Brüssel (dts Nachrichtenagentur/MDN) -
EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis erwartet, dass die Bundesregierung
grundsätzlich bereit ist, eine Reform der EU-Schuldenregeln zu diskutieren.
"Die Bundesregierung ist offen für eine Diskussion, das ist zumindest mein
Eindruck", sagte er der "Welt" (Montagsausgabe). "Ich hatte
bisher nicht die Gelegenheit, über die Reform der Fiskalregeln mit Christian
Lindner zu sprechen, aber ich habe darüber mit Olaf Scholz in seiner
vorhergehenden Tätigkeit als Finanzminister gesprochen."
Scholz sei "definitiv bereit"
gewesen, die Reform der Schuldenregeln zu diskutieren. "Es ist
entscheidend, dass wir unter den Mitgliedstaaten Konsens schaffen; das ist die
Voraussetzung dafür, dass wir bedeutsame Änderungen bekommen." Dombrovskis
kündigte außerdem an, dass die Kommission ihren Gesetzesvorschlag für eine
Reform der Fiskalregeln erst Ende Mai oder Anfang Juni vorlegen werde - und
damit nach der Präsidentschaftswahl in Frankreich.
"Wir planen, unseren Vorschlag Ende
Mai oder Anfang Juni zu veröffentlichen", sagte der lettische Politiker.
"Er soll Teil des Frühjahrszyklus des Europäischen Semesters werden. Uns
ist wichtig, dass er bereits in der ersten Jahreshälfte kommt, damit alle etwas
klarer sehen, wohin die Reise bei den Schuldenregeln gehen wird."
Laut dem Kommissar sind die Mitgliedstaaten
sich weitgehend einig, die Regeln zum Schuldenabbau für hoch verschuldete
Staaten zu lockern. "Wir müssen darüber reden, wie schnell Mitgliedstaaten
ihre Schulden reduzieren können. Darüber herrscht große Einigkeit", sagte
Dombrovskis der Zeitung.
"Es ist fraglich, ob die derzeitigen
Regeln zum Schuldenabbau, die überschuldeten Ländern vorschreiben, ihre
Schulden jedes Jahr um fünf Prozentpunkte zu senken, realistisch sind. Weniger
Druck beim Schuldenabbau wäre sinnvoll." Die zentralen Vorgaben des
Stabilitäts- und Wachstumspaktes sind derzeit wegen der Corona-Pandemie außer
Kraft gesetzt.
Eine Vereinfachung der Regeln wird seit
Jahren diskutiert; hoch verschuldete Länder haben die Aussetzung der Regeln
genutzt, um weitgehende Lockerungen zu fordern. Sie plädieren unter anderem
dafür, bestimmte Investitionen, etwa in den Klimaschutz, von den Regeln
auszunehmen. Fiskalisch konservative Staaten wie die Niederlande sind dagegen.
Text / Foto: dts