Sieben Wochen Vorbereitung für 14 Rennstunden beim
WEC-Finale in Bahrain
Stuttgart. Die FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC)
startet am kommenden Wochenende in ihr großes Saisonfinale. Die
Meisterschaftsentscheidungen fallen in zwei aufeinander folgenden Rennen in
Bahrain. Das Porsche GT Team kämpft mit den beiden
rund 515 PS starken 911 RSR um die Titelgewinne in der GTE-Pro-Klasse. Auf dem
Bahrain International Circuit nahe der Hauptstadt Manama finden am 30. Oktober
ein 6-Stunden-Rennen und am 6. November ein Lauf über acht Stunden innerhalb
von nur acht Tagen statt. Dieser erste Doppel-Event in der Geschichte der WEC
stellt auch das Werksteam von Porsche vor besondere Herausforderungen.
Das Einsatzteam Manthey steht bereits seit dem 6. September
in nahezu leeren Hallen: An jenem Tag hat der WEC-Logistikpartner DHL die fünf
jeweils gut zwölf Meter langen Seecontainer abgeholt und sie in der belgischen
Hafenstadt Antwerpen auf die Reise nach Bahrain geschickt. Die Fracht umfasst
das Material für zwei Rennen im Inselstaat inklusive der beiden Porsche 911 RSR
und der beiden Safety-Cars, die ebenfalls von Manthey betreut werden. Noch mehr
Gepäck hat das Team nur beim Saisonhöhepunkt dabei, den 24 Stunden von Le Mans.
Der Weg nach Frankreich beträgt Luftlinie nur 556 Kilometer, nach Bahrain sind
es hingegen 4.558 Kilometer. Dennoch bleibt der Transportaufwand überraschend überschaubar.
„Zwei Rennen hintereinander am Persischen Golf sind aus
logistischer Sicht viel einfacher als ein Rennen in Fuji und eines in Bahrain“,
erläutert Teammanager Bernhard Demmer. Ursprünglich hatte der Rennkalender der
FIA WEC zum Jahresende je einen Lauf in Japan und Bahrain vorgesehen. Vor allem
in puncto Zollabfertigung in den Zielländern hätte dies einen deutlich höheren
Aufwand verursacht. „In Bahrain geht alles über den ‚Temporary Import‘: Das
Material wird nur für einen kurzen Zeitraum importiert und dann exakt das
gleiche wieder exportiert. Das ist spürbar einfacher zu handhaben“, erklärt
Demmer. „In Japan kommt die Fracht über das sogenannte ‚Carnet ATA‘ ins Land.
Dafür braucht es unter anderem eine Bürgschaft der Industrie- und Handelskammer,
es müssen viele Unterschriften und Stempel besorgt werden, insgesamt ein
deutlich größerer Aufwand“, schildert der „Berno“ genannte Teammanager aus der
Eifel und ergänzt: „Zudem hätten wir unsere Autos und das Equipment aufgrund
des engen Zeitkorridors per Luftfracht nach Fuji bringen müssen. Das ist um den
Faktor sieben bis zehn teurer als per Seefracht.“
Das Porsche GT Team spart aufgrund der Konstellation zum
Saisonende nicht nur Geld, sondern an einigen Stellen auch Arbeit. Die
Boxenausstattung muss zwischen den zwei Rennen nicht auf- und wieder abgebaut
werden. Das zweimalige Verladen und Verpacken entfällt. Die Wartung der
Fahrzeuge wird zwischen den beiden Läufen in der gut ausgestatteten Garage
erledigt. Die gesamte Crew verbringt insgesamt 14 Tage im Nahen Osten. „Für
eine solche Konstellation gibt es ganz bestimmt schlimmere Orte als Bahrain“,
freut sich Demmer. „Die Menschen dort sind freundlich, die Hotels erstklassig,
die Bedingungen an der Strecke optimal. Außerdem holen sich dort alle vor dem
europäischen Winter noch einmal eine ordentliche Portion Sonne und Wärme ab.“
„Das erste Rennen endet am Samstagabend, danach folgen vier
Tage, in denen die Autos revidiert werden müssen – da bleibt ausreichend Raum,
um die Crew auch mal durchatmen zu lassen“, berichtet Alexander Stehlig,
Einsatzleiter FIA WEC. Amüsiert fügt er hinzu: „Es ist die Aufgabe von uns in
der Teamleitung, der Mannschaft Freiräume zu schaffen, sodass alle mal einen
Tag lang nicht arbeiten. So können wir auch einen Lagerkoller erfolgreich
verhindern. Außerdem müssen wir uns die Kräfte bei einer solchen Doppelveranstaltung
gut einteilen.“ Der Arbeitsplan ähnelt jenem bei den 24 Stunden von Le Mans
2021. Der Event in Frankreich hat in diesem Jahr mit dem offiziellen Testtag
begonnen. Sechs Tage später erfolgte der Start des Langstreckenklassikers – ein
gestrafftes Programm, das es in sich hatte. In Bahrain sind es zwei Läufe über
insgesamt 14 Rennstunden plus ein Rookie-Testtag am Sonntag nach dem
Saisonfinale. Das Porsche GT Team hat einen Plan, der sowohl intensive Arbeit
als auch notwendige Ruhezeiten vorsieht. Kommen die beiden Porsche 911 RSR im
ersten Rennen ohne außergewöhnlich große Schäden ins Ziel, erfolgt die Wartung
der Fahrzeuge am Sonntag und am Montagvormittag. Anschließend hat die
Mannschaft für rund 24 Stunden frei. Erst ab Dienstagnachmittag geht es mit dem
Feintuning und der Vermessung der Rennwagen weiter. Die erste Session des
zweiten Wochenendes startet am Donnerstag.
„Eines ist wichtig – und das wird bestimmt oft unterschätzt:
Wenn du zwischen zwei Rennen beispielsweise in Fuji und Bahrain nach Hause
fliegst, dann ist das so wie einen Reset-Knopf zu drücken. Es ist automatisch
der Fall, dass sich die Crew auf beide Rennen separat maximal konzentriert“,
schildert Bernhard Demmer. „Das muss uns auch beim kommenden Doppel-Event
gelingen, obwohl es allen wie eine einzige, durchgehende Veranstaltung
vorkommen wird. Wir müssen alle unsere Konzentration und Kräfte optimal
einteilen, denn es geht bei diesen beiden letzten Rennen der Saison um nichts
weniger als die Meisterschaft“, so der Teammanager.
„Genau an diesem Punkt wird es ein wenig zum Experiment,
denn wir hatten das in dieser Form noch nie“, ergänzt Alexander Stehlig. „Ich
sehe dabei besonders die Ingenieure im Fokus. Die müssen innerhalb von vier
Tagen all das nachbereiten, analysieren und wieder vorbereiten, was sie sonst
in zwei oder drei Wochen machen. Das konnten wir nicht trainieren. Wir fahren
die FIA WEC mit sechs Saisonläufen und nicht beispielsweise NASCAR, wo 36
Rennen im Wochentakt stattfinden. Dort sind die Crews viel mehr an kompakte
Analysen und Rennvorbereitungen gewöhnt.“
„Selbst wenn wir das erste Rennen gewinnen, werden Fahrer
und Ingenieure trotzdem noch Dinge finden, die wir optimieren können“, sagt der
Einsatzleiter FIA WEC. Mit einem Lächeln fügt er hinzu: „Ich war selbst lange
Renningenieur. Ich weiß daher, dass wir gern auf die zweite Nachkommastelle
genau rechnen, obwohl die erste reichen würde. So ticken wir halt – ist ja auch
gut so. Dennoch müssen wir uns auch in diesem Bereich die Kräfte gut einteilen.
Da sollte sich ein Ingenieur vielleicht auch mal drei Stunden Auszeit gönnen.“
Die Detailliebe im Porsche GT Team bindet auch scheinbar
alltägliche Dinge ein. Zwei davon hat Teammanager Bernhard Demmer sicher
verpacken lassen und mit auf die Reise nach Bahrain geschickt. „Wir haben
Waschmaschine und Trockner im Gepäck“, schmunzelt er. Der Hintergrund: Bei
einem so langen Event muss die Team- und Fahrerkleidung zwischenzeitlich
gereinigt werden – vor allem bei einer Veranstaltung in der Wüstenhitze. „Bei
einem externen Waschservice wie zum Beispiel im Hotel besteht immer die latente
Gefahr, dass die Sachen eine Nummer kleiner wieder zurückkommen. Da waschen wir
doch lieber selbst“, lacht Demmer.
Text / Foto: Porsche Konzern - Event- und Sportkommunikation