Mittwoch, den 1. April 2020
Sie sorgen für Nachschub im Supermarkt: Die rund 800 Magdeburgerinnen und
Magdeburger, die in der Lebensmittelindustrie arbeiten, leisten in der Coronavirus-Pandemie einen entscheidenden Beitrag dafür, dass Essen und Trinken nicht knapp
werden. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hingewiesen.
„Überstunden und Extra-Schichten sind in der Lebensmittelindustrie schon seit Wochen
an der Tagesordnung. Die Menschen arbeiten am Limit, damit Aldi, Lidl, Rewe, Edeka &
Co. die Ware nicht ausgeht“, sagt Holger Willem von der NGG-Region Magdeburg. Die
Politik habe dies erkannt und die Lebensmittelbranche für „systemrelevant“ erklärt. Bei
den Beschäftigten allerdings tauchen gerade jetzt viele Fragen auf, so die Gewerkschaft.
Nach Angaben der Arbeitsagentur beschäftigt die Branche in ganz Sachsen-Anhalt rund
23.000 Menschen.
„Klar ist, dass die Versorgung mit Lebensmitteln an der Industrie, aber auch am Bäckerund Fleischerhandwerk nicht scheitert. Wenn Nudelregale einmal leer oder
Tiefkühlpizzen ausverkauft sind, dann liegt das vor allem an übertriebenen
Hamsterkäufen und an Problemen in der Logistik“, macht Willem deutlich. Scharfe Kritik
übt der NGG-Geschäftsführer vor allem aber auch an den Vorgaben von
Supermarktketten. Die Konzerne forderten von den Herstellern auf der einen Seite, in
der Krise noch schneller und noch mehr zu produzieren. Zugleich wolle man die Preise
drücken. „Das geht letztlich auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ohnehin
unter Volllast arbeiten“, so Willem.
Da es, wie auch die Politik bestätigt, in der Lebensmittelindustrie derzeit keinerlei
Versorgungsengpässe gibt, warnt die NGG vor geplanten einschneidenden Eingriffen in
das Arbeitszeitgesetz. „Corona darf nicht dafür herhalten, die Höchstgrenzen bei der
Arbeitszeit auszuhebeln. In Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen haben wir in der
Lebensmittelindustrie längst die nötige Flexibilität, um Hochphasen zu stemmen. Sonst
wären die Supermarktregale ja längst leer“, betont der Gewerkschafter. Gesetzliche
Standards seien wichtig. Sonst leide am Ende die Gesundheit der Beschäftigten: „Wer
eine 12-Stunden-Schicht in der Backwarenindustrie hinter sich hat, bei dem steigt die
Unfallgefahr“, sagt Willem. Das derzeit gültige Arbeitszeitgesetz setze ein klares Limit:
nicht mehr als zehn Stunden am Tag und nicht mehr als 60 Stunden pro Woche.
Auch der richtige Arbeitsschutz sei mit Blick auf den laufenden Hochbetrieb in der
Ernährungsindustrie und im Lebensmittelhandwerk „extrem ernst“ zu nehmen. „Die
Firmen müssen dafür sorgen, dass genug Schutzkleidung da ist und die Abstandsregeln
– etwa an Produktionsstraßen – eingehalten werden. Der Schutz vor Infektionen hat
höchste Priorität“, so Willem.
Die NGG rät Beschäftigten, die Missstände beobachten oder unter Überlastung leiden,
sich an die Gewerkschaft oder den Betriebsrat zu wenden. Umfassende ArbeitnehmerInfos zur Coronavirus-Pandemie – von der notwendigen Vorsorge am Arbeitsplatz durch
die Arbeitgeber über die Kinderbetreuung und wichtige Azubi-Fragen bis hin zu
Fieberkontrollen am Werkstor – hat die NGG online gestellt: www.ngg.net/corona
Mit einer digitalen Demonstration unter dem Motto #GesichterDerKrise gibt die NGG
betroffenen Beschäftigten zudem die Möglichkeit, auf ihre Situation aufmerksam zu
machen. Weitere Infos: www.facebook.com/GewerkschaftNGG
Foto: Damit der Einkaufskorb nicht leer bleibt:
Beschäftigte in der Ernährungsindustrie und
im Lebensmittelhandwerk arbeiten aktuell
auf Hochtouren. Darauf weist die
Gewerkschaft NGG hin. © NGG