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Aus dem Gerichtssaal: Oberarmstraffung kann Kassenleistung sein

Dienstag, den 5. Januar 2021

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat entschieden, dass die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ausnahmsweise die Kosten für eine beidseitige Oberarmstraffung übernehmen muss, wenn eine entstellende Wirkung des Erscheinungsbildes vorliegt.

Zugrunde lag das Verfahren einer 58-Jährigen Frau aus Braunschweig. Sie war stark übergewichtig und hatte nach einer Schlauchmagenoperation bereits ca. 50 kg Gewicht verloren. Es verblieb jedoch eine Fettverteilungsstörung mit massivem Hautüberschuss im Bereich der Oberarme.

Die Krankenkasse der Frau lehnte die Kostenübernahme für eine Straffungsoperation ab, da es sich nach ihrer Auffassung um eine kosmetische Operation handele.

Obwohl die beteiligten Gutachter den Zustand der Oberarme nicht als Krankheit im medizinischen Sinne bewerten konnten, hat das LSG die Krankenkasse zur Kostentragung verurteilt. Es hat sich dabei auf den Ausnahmetatbestand der Entstellung gestützt. Nach persönlichem Augenschein hat das Gericht eine massive Asymmetrie des Erscheinungsbildes von Ober- und Unterarm festgestellt. Trotz unauffälliger, weitgeschnittener und lockerer Alltagskleidung lag die Kleidung im Bereich der Oberarme sehr eng an, während sie sich im Bereich der Unterarme bewegte wie eine „Fahne im Wind“. Die Ellenbogen wurden von einem eiförmigen, voluminösen Gewebeüberhang deutlich überdeckt. Dies sei als Entstellung zu bewerten, da es sich um eine körperliche Auffälligkeit von solcher Ausprägung handele, dass sie sich schon bei flüchtiger Bewegung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar mache und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf die Betroffene führe.

„Entstellungen werden von der Rechtsprechung extrem selten festgestellt“, erläutert Pressesprecher Carsten Kreschel „Grundsätzlich sind Normabweichungen nur ausnahmsweise zu korrigieren und vorrangig zu tolerieren, denn Kosmetik bleibt Eigenverantwortung“.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17. November 2020 – L 16 KR 143/18