(ams). Ein vorzeitiger Samenerguss bringt Frust ins Schlafzimmer.
Doch wann kommt ein Mann zu früh? Gibt es eine Norm für den Liebesakt? Wann ein
früher Orgasmus tatsächlich medizinisch diagnostiziert wird und wie Männer das
Problem allein und mit Partnerin oder Partner in den Griff bekommen können,
erklärt Thomas Ebel, Arzt im AOK-Bundesverband. Ein Mann ist immer und überall
bereit und "standhaft" - dieses Bild kursiert noch immer in vielen
Köpfen. Aber die Vorstellung ist weder nützlich noch realistisch. Ein Grund
dafür, dass es im Bett manchmal nicht so richtig klappen will, ist der
vorzeitige Samenerguss.
Die Ejaculation praecox, wie man dazu in der Fachsprache
sagt. Das heißt, der Mann kommt zu früh, und zwar oft nur Sekunden oder wenige
Minuten, nachdem er sich mit seiner Partnerin oder seinem Partner vereint hat.
Für beide Seiten ein nur kurzes und unbefriedigendes Liebesspiel. Oft wird
behauptet, dass rund 20 bis 30 Prozent aller Männer einen vorzeitigen
Samenerguss haben. Werden jedoch wissenschaftlich anerkannte Diagnosekriterien
angelegt, liegen die Schätzungen bei höchstens vier Prozent, heißt es dazu beim
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Dabei wird
dann zum Beispiel auch berücksichtigt, wie oft vorzeitige Samenergüsse
auftreten und ob sie einen Mann belasten.
"Ein objektives Maß anzulegen, ist schwierig“, sagt
Mediziner Ebel. "Denn einen standardisierten und normierten Liebesakt gibt
es nicht." Jeder Mann und jedes Paar empfindet anders, was
"normal" ist und was nicht. Misst man die Zeit bis zum Höhepunkt,
erreicht ein Mann ihn im Durchschnitt nach fünf bis sieben Minuten. Doch die
Bandbreite variiert enorm. Manche Männer benötigen weniger als eine Minute bis
zum Samenerguss. Bei anderen kann es sogar mehr als eine halbe Stunde dauern.
Ursachen wenig erforscht
Die Ursachen für einen vorzeitigen Samenerguss sind wenig
erforscht. Sexualmediziner unterscheiden eine primäre und eine sekundäre Form.
Primär heißt, wenn Männer bereits in jungen Jahren zu früh "kommen".
Das ist am häufigsten der Fall. Manche von ihnen lernen aber mit der Zeit, den
Orgasmus hinauszuzögern. Anderen gelingt das jedoch nicht. Manche Experten
gehen zudem von einem überempfindlichen Penis der Betroffenen aus. Auch
psychische Einflüsse wie Beziehungsprobleme, Versagensängste oder Stress können
eine Rolle spielen.
"Sekundär ist der vorzeitige Orgasmus, wenn er erst
später im Laufe des Lebens auftritt", erklärt Mediziner Ebel. Hier kann
eine allgemeine Erektionsstörung zugrunde liegen. Das bedeutet, dass das
männliche Glied nicht steif genug wird, um einen Geschlechtsverkehr
vorzunehmen. In der Regel sind mehrere Faktoren für den verfrühten Orgasmus
verantwortlich und beeinflussen sich gegenseitig.
Offen über das Problem sprechen
Vielen Männern ist es peinlich, über ihr Problem zu
sprechen. Sie hoffen, dass es irgendwann von allein klappt. So haben sie aber
immer mehr Angst, im Bett zu versagen, schämen sich und fangen an, Sex zu
vermeiden. Oft leidet die Beziehung darunter. Um diesen Teufelskreis zu
durchbrechen, sollte der Mann mit seiner Partnerin oder seinem Partner offen
darüber sprechen. Leidet das Paar unter dem vorzeitigen Samenerguss des Mannes,
sind zunächst der Hausarzt oder Urologe die richtigen Adressen. Der Arzt oder
die Ärztin stellt die Diagnose "Ejaculation praecox", wenn es seit mehr
als sechs Monaten fast immer ungewollt innerhalb einer Minute nach Einführen
des Penis zum Samenerguss kommt, dies zu einer starken Belastung führt und
keine anderen Erkrankungen dafür verantwortlich sind. Werden bei der
Untersuchung Krankheiten als Ursache des vorzeitigen Orgasmus ausgeschlossen,
kann man diesen auf verschiedene Weise behandeln.
In einer Sexualtherapie zum Beispiel lernen Betroffene,
Sex ohne Erwartungsdruck zu genießen, sowie Techniken, den Samenerguss
hinauszuzögern. Auch Medikamente können die Zeit bis zum Samenerguss etwas
verlängern. Es gibt Mittel zum Einnehmen und betäubende Mittel zum Auftragen
auf die Penisspitze. Beide können Nebenwirkungen wie Übelkeit, Kopfschmerzen
und Schwindel haben. Zudem sollten sie stets mit Kondomen verwendet werden, um
die Partnerin oder den Partner vor dem aufgetragenen Medikament zu schützen.
Die Kosten von Medikamenten zur Behandlung vorzeitiger Samenergüsse werden von
den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet, unabhängig davon, ob sie
zugelassen sind oder nicht. Das liegt daran, dass sie als Lifestyle-Medikamente
gelten und eine Erstattung hierfür gesetzlich ausgeschlossen ist.
Text: AOK Bundesverband
(ams-Ratgeber)