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2017 10 14 Vorstand BSVSA 293

Verbandstag des Blinden- und Sehbehindertenverbandes tagte in Magdeburg

Foto von links nach rechts: Marlis Reinhardt, Dirk Becker, Annett Leutloff, Wolfgang Bahn, 
Christel Pildner, Uwe Bruchmüller, Hannelore Gebhard, Roland Stiller, Elke Both als 
Ehrenmitglied, Hans-Peter Pischner fehlt


Blinde und sehbehinderte Menschen fordern gleichwertige Teilhabechancen

Neuer Landesvorstand gewählt

Am Wochenende trafen sich die Delegierten aus den Untergliederungen des
Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen-Anhalt e.V. (BSVSA) zu ihrem
VII. Verbandstag im Magdeburger Roncalli-Haus.

Der Verbandstag ist im BSVSA das höchste Gremium, das satzungsgemäß alle
fünf Jahre tagt und den Landesvorstand des Verbandes wählt.

In ihrem Bericht ging die Verbandsvorsitzende Christel Pildner auf
Schwerpunkte der Verbandsarbeit ein. Sie würdigte die Leistungen und
Angebote des Verbandes im Rahmen der Beratung und Betreuung von Ratsuchenden
und Mitgliedern. In den vier Beratungsstellen erhalten Betroffene,
Ratsuchende, Augenpatienten und Angehörige Informationen und konkrete Hilfe.
Mehr als 185 Akteure arbeiten ehrenamtlich in der Betreuung der Mitglieder.

Christel Pildner kritisierte scharf die benachteiligende Politik der
Landesregierung gegenüber Menschen mit Behinderungen, deren Höhepunkt 2013
die Kürzung des Landesblindengeldes war, die trotz massiver Proteste der
Betroffenen und vieler Bürger nicht abgewendet werden konnte.

Sachsen-Anhalt nimmt hinsichtlich der Teilhabechancen blinder und
sehbehinderter Menschen inzwischen bundesweit einen der letzten Plätze ein
und versagt ihnen gleichwertige Lebensbedingungen.

Neben Satzungsänderungen nahmen die Delegierten eine Entschließung an, in
der u.a. auf die weiter verschlechterte augenärztliche Versorgung sowie
Defizite bei der schulischen Bildung blinder und sehbehinderter Schüler
eingegangen wird.

Leicht verbessert habe sich der Anteil an für Blinde und Sehbehinderte
zugänglicher Sendungen des MDR und anderer ARD-Anstalten, allerdings
verfügen nach wie vor nur rund 10 % aller Beiträge über eine zusätzliche
sprachliche Bildbeschreibung (Audiodeskription bzw. AD).

Derzeit werden vor allem Kriminalfilme, Daily Soaps und Heimatserien mit AD
ausgestrahlt. Gefordert wird das auch für Formate wie Dokumentationen,
Sport, Politik und Unterhaltungssendungen.

Grüße der Landesregierung überbrachte die Ministerin für Arbeit, Soziales
und Integration Petra Grimm-Benne (SPD).

Der Verbandstag wählte satzungsgemäß einen neuen Landesvorstand.

Als Vorsitzende wurde Christel Pildner (Calbe/S.) wiedergewählt,
Stellvertreter sind erneut Dirk Becker (Wernigerode) und Marlis Reinhardt(
Querfurt).

Zu Beisitzern im Vorstand wurden gewählt:

Wolfgang Bahn, Uwe Bruchmüller, Hannelore Gebhardt, Annett Leutloff,
Hans-Peter Pischner und Roland Stiller.



ENTSCHLIESSUNG
des
VII. Verbandstages des
Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen-Anhalt
e.V.

Der VII. Verbandstag des Blinden- und Sehbehindertenverbandes
Sachsen-Anhalt e.V. (BSVSA) hat die folgenden Positionen und
Forderungen zur Verbesserung der Teilhabe blinder und sehbehinderter
Menschen sowie Menschen mit Augenerkrankungen in Sachsen-Anhalt
beschlossen.

1. Blinden- und Gehörlosengeld anpassen!
Der BSVSA fordert die Landesregierung und die sie tragenden Parteien
auf, die im Jahr 2013 beschlossene Kürzung des Blinden- und
Gehörlosengeldes zurückzunehmen und den Betroffenen einen
ausreichend bemessenen Nachteilsausgleich zu gewähren, der dem realen
Bedarf gerecht wird.

Sachsen-Anhalt befindet sich auf diesem Gebiet unter den Schlusslichtern
im Bundesvergleich. Betroffenen werden gleichwertige
Lebensbedingungen dadurch verwehrt, während die Länder Brandenburg,
Thüringen und Sachsen Erhöhungen dieser Leistungen beschlossen haben.
Bayern wird eine Leistung für hochgradig Sehbehinderte einführen.
Sachsen-Anhalt sollte sich diesen Beispielen anschließen und vor allem die
besondere Benachteiligung von blinden Menschen in stationären
Einrichtungen wie Altenpflegeheimen beenden.

2. Augenärztliche Versorgung gewährleisten!
Nach wie vor verstärken sich die Defizite bei der augenärztlichen Versorgung.
Patienten müssen lange Wartezeiten und z.T. lange Wege in Kauf nehmen, falls
sie überhaupt einen Termin beim Augenfacharzt erhalten.
Der BSVSA fordert die Landesregierung, die Kassenärztliche Vereinigung
und die Krankenkassen auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die
Versorgungssituation zu verbessern.

3. Beratungsangebote für blinde und sehbehinderte Menschen
sichern!
Blinde und sehbehinderte Menschen benötigen eine fachgerechte und
behinderungsspezifische Beratung in Fragen der sozialen Teilhabe, der
Rehabilitation, der Versorgung mit Hilfsmitteln und speziellen
Informations- und Kommunikationsangeboten.
Das Land fördert seit über 20 Jahren die Beratungsangebote des
Verbandes, insbesondere die überregionalen Beratungsstellen und die
mobile Beratung im Rahmen von „Blickpunkt Auge“.
Die dafür bereit gestellten Mittel sind aber seit vielen Jahren, trotz stark
gestiegener Personal- und Sachkosten, unverändert geblieben.
Dem muss bei der künftigen Förderung der Beratungsinfrastruktur
Rechnung getragen werden, um die Betroffenen erreichen und versorgen
zu können, die im Schnitt deutlich älter und in ihrer Mobilität stärker
eingeschränkt sind als früher.

4. Sonderpädagogische Versorgung blinder und sehbehinderter
Schüler sichern!
Der BSVSA ist besorgt über die Situation der schulischen Bildung blinder
und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher in Sachsen-Anhalt.
Immer weniger Pädagogen, die an den Förderschulen und bei der
sonderpädagogischen Betreuung betroffener Schüler im gemeinsamen
inklusiven Unterricht eingesetzt werden können, verfügen noch über
blindenspezifische sonderpädagogische Qualifikationen, insbesondere in
Bezug auf die Brailleschriftanwendung und die Nutzung der erforderlichen
elektronischen Hilfsmittel und Kommunikationstechnologien.
Die Landesregierung wird aufgefordert, Maßnahmen zur Absicherung
dieses sonderpädagogischen Bedarfs zu ergreifen.
Auch in vorschulischen Bereich fehlt es in den integrativen
Kindereinrichtungen vor Ort und auch in den Frühförderstellen zumeist an
fachlicher Kompetenz zur frühkindlichen Förderung sinnesbehinderter
Kinder. Dadurch entstehende Defizite und entwicklungsrückstände sind
später kaum noch zu beheben!

5. Barrierefreien Zugang zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk
ausbauen!
Der BSVSA fordert den weiteren Ausbau der barrierefreien Angebote des
öffentlich-rechtlichen und auch des privaten Rundfunks und Fernsehens.
Während der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) und weitere Anstalten der
ARD den Anteil barrierefrei zugänglicher Programme deutlich erhöht
haben, ist dieser Anteil z.B. beim ZDF immer noch zu gering. Private
Sender verzichten bisher fast völlig auf barrierefreie Angebote.
Der MDR untertitelt inzwischen die Mehrzahl seiner Sendungen für 
Hörbehinderte.

Der Anteil der Sendungen, die mit Audiodeskription (= zusätzliche
sprachliche Bildbeschreibungen) für Blinde und Sehbehinderte
ausgestrahlt werden, liegt aber immer noch unter 10 Prozent.
Der BSVSA fordert, wesentlich mehr Sendungen mit Audiodeskription bzw.
als Hörfilm auszustrahlen und dies auch auf den nichtfiktionalen Bereich
wie Reportagen, Magazine, Dokumentationen und Sport auszudehnen.

6. Umwelt und Verkehr sehbehindertenfreundlich gestalten!
Der Verband weist darauf hin, dass in Sachsen-Anhalt erheblicher
Nachholbedarf besteht, den öffentlichen Raum und die Verkehrssysteme
so zu gestalten, dass sie für Blinde und Sehbehinderte eigenständig
nutzbar sind. Das betrifft den konsequenten Einsatz von Bodenindikatoren
nach DIN 32984 in Verkehrsanlagen und an Fußgänger-Übergängen, mehr
akustische Ampeln, die Verwendung besserer Kontraste in öffentlichen
Gebäuden und grundsätzlich größerer Schriftzeichen für Beschilderungen,
Hinweise, Fahrpläne usw.

Informationen sollten nach dem Zwei-Sinne-Prinzip verfügbar sein, z.B.
akustische und visuelle Fahrgastinformationen.
Busse und Bahnen sollten über Außenansagen verfügen.
Betreiber von Internetseiten und Anbieter von Smartphone-Apps sind
aufgefordert, die Angebote barrierefrei zu gestalten.