header-placeholder


image header
image
der ausbruch 106 1280x720

TV-Tipp-News: Der Ausbruch – War die Pandemie vermeidbar? • ZDF • ab 20.15 Uhr • Dokumentation

17. Mai 2022

Corona hat Millionen von Menschenleben gefordert und die Welt zeitweise zum Stillstand gebracht. War es wirklich unvermeidbar, dass die Pandemie ein solches Ausmaß annahm? Der Film beleuchtet Schlüsselmomente der ersten zehn Wochen nach der Entdeckung der neuen Krankheit. Sie waren entscheidend für die weltweite Ausbreitung der Pandemie. Jeremy Farrar, einer der führenden Forscher, sagt: "Wir hätten die Pandemie verhindern können."

Frühe Warnungen ignoriert
Im Januar 2020 schrillte jedes Alarmsignal, und am 20. Januar wusste man genug, um zu sagen: Das ist sie – die Pandemie, die wir vorausgesagt haben. Dies ist unser 1918. Zwischen Januar und März 2020 entschied sich der globale Verlauf der Pandemie. In bisher nicht gezeigter Form belegt der Film von Michael Wech, wie die chinesischen Behörden nach der Entdeckung des Virus versuchten, die Veröffentlichung der Genomsequenz zu verhindern – und damit eine schnelle Test- und Impfstoffentwicklung verzögerten.

Noch Ende Januar spielte die WHO die Möglichkeit einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Virus herunter – obwohl schon längst Beweise für das Gegenteil vorlagen. Zur gleichen Zeit trafen in Davos führende Politiker und Entscheider beim Weltwirtschaftsforum zusammen – ohne der aufkommenden Pandemie Beachtung zu schenken. Und während deutsche Wissenschaftler schon früh vor symptomfreien Infizierten warnten, wurde dies noch lange von WHO und Gesundheitspolitikern geleugnet und ignoriert.

Wettlauf gegen die Zeit
Die Blaupausen für den Umgang mit einer Pandemie lagen seit Jahren in den Schubladen. Wissenschaftler schlugen schon in den ersten Tagen Alarm, politische Entscheider hätten weltweit gezielter und schneller reagieren müssen. Der Ausbruch in Wuhan eröffnete einen Wettlauf gegen die Zeit.

Im Januar 2020 schrillte jedes Alarmsignal, und am 20. Januar wusste man genug, um zu sagen: Das ist sie – die Pandemie, die wir vorausgesagt haben. Dies ist unser 1918. Zwischen Januar und März 2020 entschied sich der globale Verlauf der Pandemie. In bisher nicht gezeigter Form belegt der Film von Michael Wech, wie die chinesischen Behörden nach der Entdeckung des Virus versuchten, die Veröffentlichung der Genomsequenz zu verhindern – und damit eine schnelle Test- und Impfstoffentwicklung verzögerten.

Noch Ende Januar spielte die WHO die Möglichkeit einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Virus herunter – obwohl schon längst Beweise für das Gegenteil vorlagen. Zur gleichen Zeit trafen in Davos führende Politiker und Entscheider beim Weltwirtschaftsforum zusammen – ohne der aufkommenden Pandemie Beachtung zu schenken. Und während deutsche Wissenschaftler schon früh vor symptomfreien Infizierten warnten, wurde dies noch lange von WHO und Gesundheitspolitikern geleugnet und ignoriert.


Interview mit Autor und Regisseur Michael Wech
Nach zwei Jahren Beschäftigung mit der Coronapandemie hat man fast das Gefühl, dass zu Corona so gut wie alles gesagt wurde. Wie findet man einen Ansatz, etwas zu erzählen, was nicht jeder schon gehört hat? Was war die Herausforderung? Was bietet Ihr Film Neues?
Die größte Herausforderung war die ganze Zeit über die Frage: Wo ist das Ende der Geschichte? Diese Frage stellte sich 2020, 2021 – sie stellt sich bis heute. Das Thema ist uferlos. Dann hörte ich beim World Health Summit in Berlin zum ersten Mal Jeremy Farrars These "By the 20th of January 2020 the world knew what the world needed to know". Das hatte ich in dieser kristallinen Klarheit noch nie so gehört. Dem bin ich auf die Spur gegangen. Dieser Satz war der Katalysator für den Film und die Entscheidung, die Anfangsphase der Pandemie noch einmal genau unter die Lupe zu nehmen. Und er mündete in dem Interview mit Jeremy Farrar, einem weltweit anerkannten Wissenschaftler und Leiter des Wellcome Trust, eine der größten medizinischen Stiftungen weltweit. Farrar geht darin so weit, dass er sagt: "Wir hätten die Epidemie nicht stoppen können, aber wir hätten die Pandemie aufhalten können." Das ist das Ende des Films – und auf dem Weg dorthin erzählt der Film Dinge, von denen Sie mit Sicherheit noch nie gehört haben.

Einzelheiten waren schon bekannt, so gezeigt wie in diesem Film bekommt man aber einen neuen Blick auf die Versäumnisse. Was waren Gründe für die dargestellten Schlüsselmomente, für die falschen Entscheidungen?
Es gibt eine Reihe von Gründen: Der Film zeigt eindrücklich, dass ein autoritäres Regime nicht förderlich ist, wenn es darum geht, den Ausbruch eines neuartigen Krankheitserregers öffentlich zu machen. Als die Entwicklung aber eine überraschende Wende nimmt und die chinesische Regierung nach Wochen der Vertuschung mit dem Hammer reagiert, eine Millionenstadt komplett abriegelt und lahmlegt, passiert einer der entscheidenden Fehler: Der Westen interpretiert dieses Handeln vollkommen falsch. Und reagiert so gut wie gar nicht darauf. Offenbar sind die Seuchenschutzbehörden nicht in der Lage, dieses Ereignis als das einzuordnen, was es ist: Der Beginn einer weltumspannenden Pandemie. Stefano Paglia, der als Notarzt auf der Intensivstation in Lodi arbeitet, bringt es auf den Punkt: "Es ist wie mit Erdbeben – niemand glaubt daran. Bis es passiert." Häufig hört man das Argument, es sei unfair, mit dem Wissen von heute zurückzuschauen. Um es ganz klar zu sagen: Der Film erzählt sehr präzise ausschließlich in eine Richtung: vorwärts. Er zeigt, wie das Wissen um die Entwicklung der Pandemie Stück um Stück gewachsen ist. Und an welchen entscheidenden Stellen mehrfach Alarmsignale überhört und Warner mundtot gemacht wurden.

Es fällt auf, dass diejenigen Personen, die uns medial in den letzten zwei Jahren durch die Pandemie begleitet haben, nicht im Film auftauchen. Wie kam es zur Auswahl der Protagonisten? Der deutschen Öffentlichkeit dürften sie weitestgehend unbekannt sein.
Der Film hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Pandemie aus globaler Perspektive zu betrachten. Nur so lassen sich Zusammenhänge darstellen, die aus rein deutschem Blickwinkel nicht offenkundig werden. Zudem wollte ich Akteure diesen Film erzählen lassen, die nicht nur reine Experten sind, sondern auch aktiv in das Geschehen eingegriffen haben, also Protagonisten im Wortsinne sind. Wir erzählen, welche Akteure welche Weichen gestellt haben, wie sie dazu beitrugen, das Wissen über das Virus zu vermehren, Gegenmaßnahmen einleiteten oder wie sie – leider viel zu häufig – ausgebremst wurden. Mit fatalen Folgen. Ohne das beherzte Eingreifen von Edward Holmes wäre die genetische Sequenz des Virus, von der extrem viel abhängt, erst sehr viel später an die Öffentlichkeit gelangt. Ohne die Recherchen von Dake Kang, der für das Pekinger Büro von AP die Anfänge des Ausbruchs untersucht hat, wüssten wir nicht, wie die chinesische Regierung die Bekämpfung am Anfang verschleppt und der WHO Informationen vorenthalten hat. Ohne die hartnäckige Arbeit von Jason McLellan, der bereits seit zehn Jahren an Coronaviren forscht, wäre es nie gelungen, in so kurzer Zeit einen Impfstoff zu entwickeln: Moderna, BioNtech, Astra Zeneca – alle haben davon profitiert. Ohne das Drängen von Camilla Rothe und Michael Hoelscher vom Münchener Tropeninstitut hätte es weit länger gedauert, bis bekannt wird, dass sich das Virus auch asymptomatisch verbreitet. Ich könnte dies fortsetzen. All diese Menschen sind, wie viele andere auch, die wahren Helden dieser Pandemie. Mein Film erzählt ihre Geschichte. Und ich bin überzeugt davon, dass wir sehr, sehr viel von ihnen lernen können.

Inwieweit haben Ihnen Ihre vorherigen Filme "Stille Pandemie" und "Resistance Fighters" über Antibiotika-Resistenzen bei diesem Film geholfen? Hatten Sie dadurch einen anderen Einblick und Zugang in die "Wissenschafts-Community"?
Im 21. Jahrhundert gibt es meines Erachtens für fast alle gesellschaftlich relevanten Bereiche wissenschaftliche Erkenntnisprozesse, die einem helfen, Dinge zu verstehen und einzuordnen. So weit, so bekannt. Die Pandemie hat gezeigt – und ich finde Christian Drosten hat eindrucksvoll bewiesen, wie es gehen kann –, dass es unbedingt Vermittler braucht, die das komplexe Wissen der Forscher in die Gesellschaft tragen. In einer Weise, die jeder versteht. Mir haben meine letzten Arbeiten sicher geholfen, auch vor komplexen Sachverhalten nicht in die Knie zu gehen.

Jeremy Farrar ist sehr klar in seiner Aussage, dass wir die Pandemie hätten verhindern können. Was denken Sie, wie wird die Reaktion auf eine nächste Pandemie aussehen?
Unser Film zeigt, dass es in erster Linie drei Dinge sind, die über den Verlauf einer Pandemie entscheiden: Die Vorbereitung auf ein solches Ereignis mit Material und Strategien, die bedingungslos offene Kommunikation gerade in der Frühphase eines Ausbruchs, also noch vor Entstehung einer regionalen Epidemie, und schließlich der Umgang mit dem Dilemma, das jeder Epidemie innewohnt – nämlich dem Zwang, Entscheidungen treffen zu müssen, bevor sich das Lagebild in all seinen Konturen abbildet. Ich bin optimistisch, dass sich die Pandemie-Vorbereitung verbessern wird. Aber werden in Zukunft alle Staaten Informationen über lokale Ausbruchsgeschehen binnen 24 Stunden mit der WHO oder anderen internationalen Gremien teilen? Da bin ich skeptisch. Das Entscheidende wird aber sein, welche politischen Führungsfiguren am Ruder sind, wenn es erneut zu einer Epidemie kommen sollte, die es einzudämmen gilt: Werden sie in der Lage sein, weitreichende, extrem schwierige und unbequeme Entscheidungen zu treffen? Darauf wird es ankommen.

Neben dem thematischen Ansatz: Was war der filmische Ansatz für die Dokumentation?
Es war klar, dass wir nicht eine ganz bestimmte Phase der Pandemie dokumentieren, sondern das Thema analytisch angehen und daher nacherzählen werden. Man kann das mit Archivmaterial und Experteninterviews gestalten – ich wollte aber unbedingt die Menschen in den Vordergrund stellen, die versucht haben, mit ihrem Handeln Einfluss auf den Verlauf der Pandemie zu nehmen. Außerdem haben wir uns von Beginn an darauf konzentriert, eigene Bilder zu finden, die sich abheben von dem, was wir alle in den vergangenen zwei Jahren fast täglich im Fernsehen gesehen haben. Gemeinsam mit Kameramann Johannes Imdahl habe ich sie gesucht. So ist eine ganz eigene filmische Erzählung entstanden, die die Akteure ins Zentrum stellt – und sich nahezu ohne Text selbst vermittelt.

Das Interview führte Philipp Graf.


Text / Foto: ZDF