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Ropertz

Preisspirale fürs Wohnen immer höher – was tun? • Interview mit Jurist Ulrich Ropertz


veröffentlicht am Dienstag, 25. Oktober 2022

Lieber Herr Ropertz, der Strom- und Gasmarkt ist außer Rand und Band. Die Bundesregierung hat beschlossen, dass Regelungen zu Mindesttemperaturen in Wohnungen ausgesetzt sind. Was bedeutet das für Mieter?

Die Diskussion um Mindesttemperaturen ist in der Tat sehr verwirrend. Eine gesetzliche Regelung zur Absenkung der Mindesttemperaturen in Wohnungen gibt es aber nicht. Es bleibt bei den bisherigen Vorgaben der Gerichte und den Regelungen im Mietvertrag. Danach muss der Vermieter dafür sorgen, dass die Wohnung mindestens 20 bis 22 Grad warm wird. Sind im Mietvertrag höhere Temperaturen vereinbart, muss der Vermieter diese einhalten. Stehen im Mietvertrag niedrigere Temperaturen, ist diese Vereinbarung unwirksam. Nachts - zwischen 24 und 6 Uhr - können diese Mindesttemperaturen auf 18 Grad abgesenkt werden. Im Übrigen kann der Mieter heizen, wie er will. Er muss keine Mindesttemperatur einhalten. Soweit die typischen Formularmietverträge Mindesttemperaturen vorschreiben, sind diese Regelungen unwirksam. Entsprechende Individualvereinbarungen sind jetzt ausgesetzt, müssen nicht eingehalten werden.


Dass sich die Preisspirale bei Gas in den Heizkostenabrechnungen niederschlägt – das bestimmt in diesen Wochen die Schlagzeilen. Gibt es Tipps, was in den Abrechnungen des Vermieters auf jeden Fall geprüft werden sollte?

Gas-, Öl- und Fernwärmepreise sind auf einem Rekordniveau. Viele Energieversorger haben die Preise in diesem Jahr drastisch erhöht. Fachleute rechnen damit, dass sich die Heizkosten verdoppeln und verdreifachen. Aber, Heizkostenabrechnungen, die jetzt beziehungsweise im weiteren Verlauf des Jahres kommen, beziehen sich noch auf das Jahr 2021, zum Beispiel auf den Zeitraum 1.1.2021 bis 31.12.2021. Da sind die Energiepreise auch schon gestiegen, aber längst nicht so hoch wie 2022. Das bedeutet, die aktuelle Heizkostenabrechnung fällt höher aus als im Vorjahr, aber der echte Preisschock kommt erst im nächsten Jahr, wenn über die Kosten des Jahres 2022 abgerechnet wird. Auf Grundlage der aktuellen Abrechnung für 2021 kann der Vermieter die monatlichen Vorauszahlungen anheben. Muss der Mieter laut Abrechnung zum Beispiel 180 Euro nachzahlen, darf der Vermieter die monatlichen Abschlagszahlungen um 15 Euro anheben. Zusätzlich kann der Vermieter die derzeitigen Energiepreissteigerungen mit einkalkulieren und die Vorauszahlungen entsprechend erhöhen. Mieter sollten hier darauf bestehen, dass der Vermieter ihnen erklärt, auf welcher Grundlage die Erhöhung berechnet wurde. Und: Der Vermieter hat das Recht auf Anpassung der Vorauszahlungen nur ein Mal pro Abrechnungsjahr.


Und bei der Abrechnung der Nebenkosten – können Sie typische Fehler benennen, die in diesen Abrechnungen immer wieder auftauchen?

Egal, ob über Heizkosten oder über die sogennanten kalten Betriebskosten abgerechnet wird: viele Nebenkostenabrechnungen sind unvollständig, nicht plausibel oder gar falsch. Das trifft nach Einschätzung des Deutschen Mieterbundes (DMB) auf jede zweite Abrechnung zu. Typische Fehler sind: Es werden Kosten abgerechnet, die nicht im Mietvertrag als umlegbare Betriebs- oder Nebenkosten vereinbart sind. Kosten werden abgerechnet, die nach der gesetzlichen Definition gar keine Betriebskosten sind, beispielsweise Reparaturkosten, Finanzierungskosten, Prämien für eine Rechtsschutzversicherung des Vermieters usw. Abgerechnet werden muss ein Zeitraum von 12 Monaten, nicht mehr und nicht weniger. Der Abrechnungszeitraum kann sich am Kalenderjahr (1.1. bis 31.12.) orientieren, oder zum Beispiel auch vom 1.10. bis 30.9. des Folgejahres laufen. Der Vermieter darf nur Kosten abrechnen, die tatsächlich angefallen sind und in dem aktuellen Abrechnungszeitraum liegen. Die meisten Fehler tauchen bei den Aufzugs- und den Hausmeisterkosten auf. Gerade hier werden fälschlicherweise oft Reparaturarbeiten und Verwaltungskosten mit abgerechnet.

 
Energetische Sanierung ist ja ein Stichwort, das im Zusammenhang mit Klimakrise und Energiekostenexplosion immer wieder fällt. Bedeutet der Austausch von Fenstern oder die Dachdämmung automatisch immer auch eine höhere Miete? Und gibt es dabei Höchstgrenzen?

Energetische Modernisierungen sind typischerweise Dach- oder Fassadendämmung, neue Fenster und/oder eine neue Heizungsanlage. Derartige Modernisierungen berechtigen den Vermieter, die Miete zu erhöhen. Der Vermieter darf höchstens 8 % der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Kostet die Modernisierung anteilig für die Mieterwohnung 10.000 Euro, darf die Miete höchstens um 800 Euro im Jahr bzw. 66.67 Euro im Monat steigen. Gleichzeitig gibt es eine Kappungsgrenze, die einzuhalten ist. Innerhalb von 6 Jahren darf die Mieterhöhung maximal 3 Euro pro qm Wohnfläche der Wohnung betragen. Bei Mietverhältnissen mit einer aktuellen Miete von weniger als 7 Euro/qm liegt die Grenze niedriger, bei 2 Euro/qm. Das Ankündigungsschreiben für die Modernisierungen und die Mieterhöhung selbst sollten möglichst vom örtlichen Mieterverein geprüft werden. Formale oder inhaltliche Fehler, wenn beispielsweise für die ausgetauschten Fenster oder Heizungen eingesparte Instandsetzungskosten nicht berücksichtigt wurden, können die Mieterhöhungen verhindern oder begrenzen.


Mal grundsätzlich: Können Mieter auch einfordern, dass Vermieter Maßnahmen zum Energiesparen angehen? Denn auch wenn man 19 Grad Raumtemperatur beherzigt und nur kurz lauwarm duscht: Wenn die Wärme durch ungedämmte Dachflächen entfleucht, sind die Mieter-Spareffekte doch stark eingeschränkt.

Mieter haben das Recht, notwendige Reparaturen oder Instandsetzungen an Fenstern, Dächern, Fassaden oder Heizungsanlagen einzufordern. Zu derartigen Mängelbeseitigungen ist der Vermieter verpflichtet. Anders bei Modernisierungsmaßnahmen. Ob die durchgeführt werden, entscheidet allein der Vermieter, der Mieter hat kein Mitspracherecht und erst recht kann er Modernisierungen nicht beanspruchen.


Gestiegene Bauzinsen verschieben aktuell die Nachfrage in Richtung Mietwohnungen. Weil bezahlbarer Wohnraum ohnehin schon knapp ist, heizt das die Mietpreisentwicklung noch einmal zusätzlich an. Ist die Mietpreisbremse da eine Lösung?

Ja, eine wirksame Mietpreisbremse oder ein sogenannter Mietenstopp ist dringend erforderlich. Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper, in bestehenden Mietverhältnissen treiben Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete, Mieterhöhungen nach Modernisierungen oder Indexmieterhöhungen die Mieten in die Höhe. Dazu kommen jetzt auch noch die gestiegenen Energiepreise, die die Heizkosten in ungeahnte Höhen treiben. Der Wohnungsneubau bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, er wird auf absehbare Zeit nicht zu spürbaren Entlastungen auf dem Wohnungsmarkt sorgen. Deshalb muss der Gesetzgeber jetzt weitere Mietsteigerungen mit Hilfe eines Mietenstopps verhindern. Daneben sind Energiepreisdeckel notwendig, Heizkostenzuschüsse für Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen und ein Kündigungsmoratorium, damit Mieter ihre Wohnung nicht verlieren, wenn sie ihre Heizkosten nicht bezahlen können.

Lieber Herr Ropertz,
vielen Dank für das Gespräch.

Ulrich Ropertz ist Jurist und arbeitete viele Jahre als Geschäftsführer und Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim DMB Deutscher Mieterbund.
Für die Verbraucherzentrale hat er unter anderem die Ratgeber "Das Mieter-Handbuch" und "Mietkosten im Griff" (mit Otto N. Bretzinger) geschrieben.

Text & Foto: ­Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V.