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Wald kahl licht

Sachsen-Anhalt-News: NABU geht gegen Totholzräumungen im Harz vor und kritisiert Schnellschüsse


veröffentlicht am Donnerstag, 3. November 2022

Magdeburg. Der Naturschutzbund Sachsen-Anhalt (NABU) geht gerichtlich gegen die derzeit stattfindenden Totholzentnahmen und Baumfällungen im Nationalpark Harz vor. Der Umweltverband hat am 1. November 2022 einen entsprechenden Eilantrag beim Verwaltungsgericht Magdeburg eingereicht. Die Nationalparkverwaltung hatte auf eine vorherige Aufforderung des NABU nicht reagiert.

Bekanntlich war es im August zu einem Brand auf dem Brocken gekommen. Nachdem zunächst von einer Brandfläche von 160 ha die Rede war, wurde dies mittlerweile auf 12 bis 16 ha herunterkorrigiert. Nach dem Brand waren teils hektische Aktionen insbesondere der Politik zu beobachten, um solche Brände künftig auszuschließen und unwahrscheinlicher zu machen. Das Forstministerium hatte auf den Abschluss der sogenannten Wernigeröder Erklärung gedrängt, in der unter anderem vereinbart wurde, Waldbrandschneisen anzulegen.

Der Nationalpark Harz ist zum großen Teil europäisches Naturschutzgebiet, in dem besonders strenge Vorgaben sowohl für Lebensräume als auch für geschützte Tierarten gelten. Beeinträchtigungen sind grundsätzlich verboten, können aber ausnahmsweise zugelassen werden. Voraussetzung ist jedoch immer, dass es eine belastbare Planung gibt, aus der hervorgeht, was gemacht werden soll, sowie ein Ausgleich für mögliche Beeinträchtigungen.

Der NABU hatte bei der Nationalparkverwaltung nachgefragt, ob es eine solche Planung gibt, darauf aber keine nachvollziehbare Antwort erhalten. Am Wochenende hatten sich Vertreter des NABU ein Bild von der Situation vor Ort gemacht. Alleine auf einem Weg wurden liegendes und aufstehendes Totholz sowie lebende Bäume auf einer Breite bis 50 m entfernt, das Holz wurde geschreddert und offensichtlich mit großen Maschinen abtransportiert.

Dr. Anne Arnold, Landesgeschäftsführerin des NABU und Forstwissenschaftlerin: „Wenn Bäume gefällt und Totholz beräumt wird, dann werden Biotope und Arthabitate erheblich verändert. Diese lassen sich dann auch nicht wieder oder nur in sehr langen Zeiträumen wiederherstellen. Europäische Lebensraumtypen sind zudem grundsätzlich streng geschützt, die Maßnahmen sind mit den europäischen Vorgaben nicht vereinbar und führen zu einem herben Verlust an Biodiversität. Vor dem Hintergrund der Klima- sowie Biodiversitätskrise müssen gerade auch Schutzgebiete vor solchen Maßnahmen bewahrt werden.“

Weiter meint sie „Ganz unabhängig davon ist Totholz ein essentieller Lebensraumbestandteil und erfüllt wichtige Funktionen. Viele Fledermäuse, Vögel, Käfer profitieren vom hohen Anteil stehenden und liegenden Totholzes. Wird es beseitigt, geht ein wichtiger Lebensraum verloren. Darüber hinaus spielt die Verrottung von Holz auf der Fläche für den Kohlenstoffhaushalt eine große Rolle. Im Gegensatz zur Nutzung des Totholzes als Brennholz führt die länger anhaltende Zersetzungsdauer von Totholz im Bestand zu einem nicht unbeachtlichen Anteil an Kohlenstoffspeicherung im Mineralboden und steht einer Rückführung in die Atmosphäre weniger zur Verfügung, was der Klimakrise entgegenwirkt“.

Es ist unter Fachleuten hoch umstritten, ob die Anlegung von Brandschneisen oder verbreiterten Wegen zu einer besseren Brandbekämpfung beitragen würde. Wollte man so viele Zuwegungen für die Feuerwehr anlegen, dass jede Fläche erreicht werden kann, müsste der Nationalpark Harz von einem engmaschigen Feld von breiten Wegen durchzogen werden. In einem großen und naturnahen Waldgebiet muss die Brandbekämpfung daher primär aus der Luft erfolgen.

Die Politik hatte zwischenzeitlich erkannt, dass die meisten Brände vom Betrieb der Harzer Schmalspurbahn ausgehen. Dies hat die Landesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Landtag mit einer eindrucksvollen Karte auch entsprechend bestätigt.

Dazu Martin Schulze, erster stellvertretender Vorsitzender des NABU Sachsen-Anhalt: „Wenn es für die ganz überwiegende Mehrzahl der Brände im Nationalpark einen einzigen, dingfest gemachten Verursacher gibt, dann muss diese Brandursache primär abgestellt werden. Dafür gibt es mittlerweile Vorschläge, das lässt sich wohl technisch ganz gut machen. Dann ist es aber sinnlos, gleichzeitig breite Schneisen in den geschützten Naturwald zu schlagen. Die Politik hat offensichtlich die Bedeutung des Nationalparks bisher nicht richtig verstanden und setzt jetzt die Nationalparkverwaltung unter Druck, entsprechenden Maßnahmen zuzustimmen.“

Der NABU wendet sich ausdrücklich nicht dagegen, dass im direkten Umfeld von Ortschaften, beispielsweise von Schierke, Flächen geräumt werden. Zwar erwartet der NABU auch für diese Flächen, dass ein Ausgleich der zerstörten Naturfunktionen stattfindet. Für Flächen, die nicht unmittelbar an Ortschaften angrenzen, sind derartige unspezifische und weitreichende Maßnahmen aber unzulässig, weil das Naturschutzrecht entgegensteht.

Der NABU ist jederzeit bereit, sich an einer vernünftigen und naturschutzverträglichen Planung für den Nationalpark zur Verhinderung der Entstehung von Bränden bzw. für die bessere Brandbekämpfung zu beteiligen. Einen Anlass für hektische und ungeplante Aktionen gibt es aber nicht.

Text: NABU Landesverband Sachsen-Anhalt
Foto: pixabay