Köln (dts Nachrichtenagentur) - Die Kölner Juraprofessorin
Frauke Rostalski, Mitglied im Deutschen Ethikrat, hat sich gegen eine
allgemeine Impfpflicht gewandt. Eine solche Maßnahme lasse sich unabhängig vom
individuellen Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung nicht rechtfertigen,
sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montagausgabe). Anders sehe
das bei den über 60-Jährigen aus.
Laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung
für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) seien 84 Prozent der Covid-Patienten,
die intensivmedizinisch behandelt werden müssten, älter als 50, 63 Prozent
älter als 60 Jahre. "Dann drängt sich doch auf, dass man genau diese
Menschen schützen muss, um eine Überlastung des Gesundheitssystems
auszuschließen", so Rostalski. Wenn andere Länder ohne Impfpflicht in der
Coronakrise besser führen als Deutschland, stelle sich automatisch die Frage:
"Hat der deutsche Staat wirklich schon alle Instrumente in die Hand
genommen, bevor er zur Keule einer Impfpflicht greift? Und da würde ich sagen:
Nein. Aber auch unabhängig davon: Eine Impfpflicht für diejenigen, die kein
erhöhtes Risiko aufweisen, mit Covid-19 auf der Intensivstation zu landen,
lässt sich aus meiner Sicht generell nicht rechtfertigen." Bedenken gegen
eine allgemeine Impfpflicht seien Ausdruck eines Gespürs, "dass der Staat
zu weit geht", so Rostalski weiter. Er lege den Bürgern "eine Pflicht
auf, die - vorsichtig gesagt - fragwürdig ist".
Sich dagegen zu verwahren, entspreche einer tiefen Überzeugung
vom Recht und seiner Geltung. "Eine allgemeine Impfpflicht gibt es derzeit
in Tadschikistan, Turkmenistan und neuerdings auch im Vatikanstaat. Ich weiß
nicht, ob das für uns die Vorbilder sein sollten. Die Euphorie, mit der eine
derart brachiale Maßnahme nun teilweise in der deutschen Diskussion aufgenommen
wurde, ist nur schwer nachvollziehbar", sagte sie mit Blick auf die Pläne
Österreichs für eine allgemeine Impfpflicht. Eindringlich warnte die
Strafrechtlerin und Rechtsphilosophin vor einer weiteren Vertiefung der
gesellschaftlichen Spaltung durch Einführung einer allgemeinen Impfpflicht.
Angesichts von verbalen Attacken auf eine "Tyrannei der Ungeimpften"
oder ein "Freiheitsgesäusel" frage sie sich ernstlich, wie viel eine
Gesellschaft noch vertragen könne.
Text / Foto: dts / pixabay