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TV-Tipp-News: Die Dolmetscherin • Das Erste • ab 20.15 Uhr • Thriller

5. Juni 2022

Silvia Broome, Dolmetscherin bei den Vereinten Nationen in New York, hört eines Abends beim Verlassen ihrer Arbeitskabine ein Gespräch mit, das in Ku gehalten wird, der Sprache der fiktiven Republik Matobo. Als im Land Aufgewachsene ist sie eine der wenigen, die diese Sprache versteht. Sie begreift, dass es bei dem Wortwechsel um einen Anschlag auf den Präsidenten Matobos ging, der an einem der kommenden Tage eine Rede vor der UN-Vollversammlung halten soll. Silvia wendet sich an den UN-Sicherheitsdienst. Weil sie befürchtet, dass sie gesehen wurde, wird ihr Secret Service Agent Tobin Keller zu ihrem persönlichen Schutz an die Seite gestellt. Und tatsächlich wird Silvia seit jenem mitgehörten Gespräch Tag und Nacht verfolgt.

Doch obgleich Keller alles daran setzt, das Leben der offensichtlich verängstigten Frau schützen, tun sich ihm aufgrund ihres rätselhaften Verhaltens und hinsichtlich ihrer Absichten Zweifel auf. Nach und nach erfährt er verschiedene brisante Eckdaten aus Silvias Biografie, wie etwa, dass sie in Matobo aufwuchs, wo ihr Bruder noch immer lebt. Könnte es sein, dass die idealistische Weltenbürgerin, die anscheinend so unverrückbar an die Wirksamkeit der Diplomatie in der internationalen Politik glaubt, bei dem Komplott um den afrikanischen Staatsmann eigene Pläne verfolgt?

Nach sechs Jahren, in denen er ausschließlich seiner Arbeit als Produzent und Schauspieler nachging, übernahm Sydney Pollack mit "Die Dolmetscherin" 2005 erstmals wieder die Regie. Heraus kam, wie die Zeit im April 2005 begeistert titelte, "Kino für Erwachsene". Zum ersten Mal überhaupt wurde dabei das UN-Hauptquartier in New York zur Filmkulisse. Zur Vorbereitung statteten Sydney Pollack und Hauptdarstellerin Nicole Kidman den tatsächlichen Dolmetschern bei den Vereinten Nationen in ihren Übersetzerkabinen mehrere Besuche ab.

In einem Interview mit dem Spiegel erzählte Pollack, dass, um keine Nation zu beleidigen das afrikanische Land samt Sprache (von einem Sprachforscher!) erfunden wurde. Er selbst sah sich nicht als politischer Regisseur: "Für mich als Filmemacher ist es egal, ob der aktuelle amerikanische Präsident Nixon oder Bush heißt oder ob die Welt gegen deren Politik protestiert. Mein Job ist es, einen Thriller zu drehen, der international möglichst viel Geld einspielt. Daher kann ich es mir gar nicht leisten, politische Botschaften zu verbreiten, sie könnten sich am Ende negativ auswirken. Ich bin letztlich nur eine Hure der Filmindustrie." (Spiegel)

Bei aller Polemik macht der Film durchaus (verhaltene) Kommentare zu amerikanischer Paranoia, afrikanischer Staatstyrannei oder dem Unbehagen der USA in ihrer Rolle als Weltpolizei.
Das Thema des Films sind aber die zwei unterschiedlichen Haltungen, mit denen die Protagonisten auf die Herausforderung reagieren und mit denen sie aufeinanderprallen: Die Dolmetscherin steht für die Strategie des Verhandelns und Tobin für die des Handelns. Die Annäherung zwischen beiden Sichten auf die Welt und damit auch zwischen der Frau und dem Mann bildet den eigentlichen Kern des Films.

Sydney Pollack dazu: "Wenn man einen Film wie diesen macht, kann man gar nicht vermeiden, dass er wie ein Kommentar zur aktuellen Situation wirkt. Als ich mit ihm anfing, dachte ich, es gibt zwei Bereiche, in denen wir seit 5.000 Jahren nichts dazugelernt haben: im Verhältnis zwischen Mann und Frau und in der sich daraus entwickelnden Politik. Wir lösen unsere Probleme immer noch mit Gewalt, aber der Traum der UN besteht darin, auf Gewalt zumindest in der Politik zu verzichten." (Die Zeit)

Sydney Pollack war in seiner langen Filmkarriere bei über 40 Filmen als Regisseur und Produzent tätig. Zwischendurch konnte er als Schauspieler in den Werken berühmter Kollegen wie Woody Allen oder Stanley Kubrick immer wieder Wertvolles für seine eigene Regiearbeit lernen. Als Regisseur feierte er große Erfolge unter anderem mit "Tootsie" (1982), der ihm eine Nominierung für den Regieoscar einbrachte. Mit "Jenseits von Afrika" (1986) sicherte er sich diese Ehrung schließlich. "Die Dolmetscherin" sollte das letzte große Regiewerk des filmischen Multitalents sein. Rückblickend wirkt das Thema des Films wie ein leiser, diplomatischer Abschied vom Filmgeschäft. 2008 starb Sydney Pollack in Los Angeles an Krebs.


Text / Foto: ARD