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SAN Heute

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Rundfunkbeitragsanpassung / Die Reform von Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss weiter gemeinsames Ziel sein

Donnerstag, den 5. August 2021

Zur heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerden von ARD, ZDF und Deutschlandradio zum Rundfunkbeitrag erklärte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff: „Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung die bisherige Rechtsprechung übernommen und auf die föderale Verantwortungsgemeinschaft der Länder hingewiesen. Von einer rückwirkenden Inkraftsetzung des Staatsvertrags hat der Senat aber Abstand genommen, andererseits jedoch den Anstalten ein Recht auf Kompensation im Zuge der nunmehr vorzunehmenden Beitragsfestsetzung zugesprochen. 

Das Gericht hat aber am Ende seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass etwaige Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten und die Zumutbarkeit von Beitragserhöhungen für die Bürgerinnen und Bürger in den Blick zu nehmen sein werden. Dies bestätigt, das Anliegen die Auswirkungen der Covid 19 – Pandemie einzubeziehen, war im Grunde berechtigt. Auf die fehlende Mehrheit im Landtag von Sachsen-Anhalt habe ich immer wieder hingewiesen. Dennoch habe ich aus Respekt vor der Legislative den Staatsvertrag unterzeichnet, um eine parlamentarische Auseinandersetzung zu ermöglichen. Beitragserhöhungen sind im Osten schwerer zu vermitteln und daran muss sowohl die Politik und als auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk arbeiten.“

Der für Medien zuständige Staats- und Kulturminister Rainer Robra stellte fest: „Das Bundesverfassungsgericht hat bestätigt, dass der fachlich von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) ermittelte Finanzbedarf Grundlage der Festsetzung des Beitrages ist, im Interesse der Beitragszahler mit nachvollziehbaren Gründen aber abgewichen werden kann. Die Möglichkeit gehaltvoller politischer Verantwortungsübernahme setzt die Befugnis der Abweichung vom Vorschlag der KEF voraus. Bei der Bestimmung der Reichweite dieser Abweichungsbefugnis muss dem Demokratieprinzip Rechnung getragen werden. Ferner hat es hervorgehoben, dass es Sache des Gesetzgebers bleibt, den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zur Vielfaltsicherung auszugestalten und die entsprechenden medienpolitischen und programmleitenden Entscheidungen zu treffen. Auch hier sehe ich die Länder in einer Verantwortungsgemeinschaft. 

Der Strukturreformprozess, der infolge des Beschlusses der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom Oktober 2016 eingeleitet wurde, muss von allen Beteiligten weiterverfolgt werden. Dazu haben sich die Länder bereits bekannt und dazu gehört aber auch, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Vorschläge machen und Hinweise der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) auf Optimierungsmöglichkeiten umsetzen. Ich teile die Auffassung des Gerichts, dass die staatlichen Vorgaben zum Auftrag bereits von Grundrechts wegen nicht so detailgenau sein dürfen, dass sich daraus der Rundfunkbeitrag der Höhe nach ableiten ließe. Das Urteil ist auch ein Auftrag an die Anstalten, den Reformprozess entschieden voranzutreiben und ihren Nutzerinnen und Nutzern ein Programm in hoher Qualität zu bieten, dass sich von den Angeboten kommerzieller Anbieter unterscheidet. Die wieder beförderte Debatte um Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hat dazu beigetragen, den Fokus stärker auf den Osten zu richten. Die Sender haben begonnen mehr ostdeutsche Alltagswirklichkeit abzubilden und die ungleiche Verteilung der Gemeinschaftseinrichtungen zwischen Ost und West ist etwas mehr ins Bewusstsein gerückt. Das ist ein Anfang, aber es bleibt noch viel zu tun.“    

Hintergrund:

Ministerpräsident Dr. Haseloff hatte im Verfahren auf die fehlende Mehrheit im Landtag von Sachsen-Anhalt für den Ersten Medienänderungsstaatsvertrag, der eine Anpassung des Rundfunkbeitrages von 17,50 Euro auf 18,36 Euro vorsah, hingewiesen. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 17. Juni 2020 hatte er den Staatsvertrag mit der Erklärung unterzeichnet: „Sachsen-Anhalt hat sich am 12. März 2020 im Rahmen der MPK-Beschlussfassung enthalten. Diese Unterschrift dient dazu, die den 16 Länderparlamenten obliegende Entscheidung zu ermöglichen.“

Im Dezember 2020 hatten die Vorsitzenden der drei Koalitionsfraktionen in Sachsen-Anhalt erklärt, angesichts der bestehenden unterschiedlichen Auffassungen zum Ersten Medienänderungsstaatsvertrag, werde es im Landtag von Sachsen-Anhalt keine Mehrheit für die Zustimmung zum Gesetzentwurf und damit zum Staatsvertrag geben. Im Anschluss daran hatte der Ministerpräsident nach Kabinettsbefassung für die Landesregierung den im Juni 2020 dem Landtag von Sachsen-Anhalt zugeleiteten Gesetzentwurf zurückgenommen. Dadurch konnte in Zeiten der Corona-Pandemie eine handlungsfähige Regierung garantiert werden. Eine weitere Behandlung im Landtag und seinen Ausschüssen war damit gegenstandslos. Der Staatsvertrag sollte zum 1. Januar 2021 in Kraft treten, jedoch gegenstandslos werden, wenn bis zum 31. Dezember 2020 nicht alle Ratifikationsurkunden bei der Staatskanzlei der oder des Vorsitzenden der Konferenz der Regierungschefinnen und Regie­rungschefs der Länder hinterlegt sein würden. Für Sachsen-Anhalt war dies nicht geschehen. ARD, ZDF und Deutschlandradio hatten vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt.