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Deutsche Umwelthilfe: Erfolg der von uns unterstützten Klimaklagen vor dem Bundesverfassungsgericht ist bedeutendstes Umweltschutz-Urteil in dessen Geschichte

Donnerstag, den 29. April 2021

Regierung muss Klimaschutzgesetz ändern und Sofortmaßnahmen ergreifen

-  Gericht erklärt Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig und gibt den von der DUH unterstützten Verfassungsbeschwerden von jungen Menschen sowie vom Klimawandel Betroffenen aus dem Ausland in den wichtigsten Punkten statt

-   Recht auf ein sicheres Leben der Klägerinnen und Kläger in der Zukunft bestätigt: Regierung muss Klimaschutzgesetz bis 2022 nachbessern

-   DUH fordert einfach umsetzbare und effektive Sofortmaßnahmen wie Tempolimit, Stopp der klimaschädlichen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 und sofortige energetische Sanierung öffentlicher Gebäude wie Schulen

Berlin: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) feiert die heutige Klimaschutz-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als bedeutendstes Urteil zum Umweltschutz in der Geschichte des Gerichts. Der Senat hat den von der DUH unterstützten Verfassungsbeschwerden von jungen Menschen aus Deutschland sowie vom Klimawandel Betroffenen aus dem Ausland in den wichtigsten Fragen stattgegeben. Die Richterinnen und Richter bestätigen, dass sich aus dem Grundgesetz insbesondere für die noch sehr jungen Klägerinnen und Kläger ein Recht auf ein sicheres Leben in der Zukunft ableitet. Sie bestätigen höchstrichterlich, dass Maßnahmen und Ziele der Bundesregierung für den Klimaschutz nicht ausreichen. Die Regierung muss das Klimaschutzgesetz schnellstens bis 2022 überarbeiten und viel energischere Schritte vor allem in den Jahren bis 2030 unternehmen. Die DUH fordert die Bundeskanzlerin und ihre Ministerinnen und Minister nach diesem eindeutigen und wegweisenden Urteil auf, nun sofort zu handeln und die Maßnahmen endlich umzusetzen, die DUH und die jungen Beschwerdeführer bereits in den Verfassungsbeschwerden aufgezeigt haben.

Das Verfassungsgericht folgt der Argumentation in den Beschwerden, die von der DUH unterstützt werden. Die unzureichenden Ziele und Maßnahmen der deutschen Regierung sind mitschuldig am rasant voranschreitenden Klimawandel. Bleibt es beim derzeitigen Kurs, wird die Bundesrepublik das CO2-Budget von 3,465 Gigatonnen, das ihr für die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits zusteht, innerhalb weniger Jahre aufbrauchen. Deutschland dürfte selbst für die Einhaltung des 2-Grad-Limits schon ab 2030 keine einzige Tonne CO2 mehr emittieren. Da dies nicht gelingen wird, verletzt die Bundesregierung ihre Verpflichtungen und verletzt das Recht junger Menschen auf eine lebenswerte Zukunft.

Remo Klinger, der als Rechtsanwalt die Klägerinnen und Kläger vertritt: „Klimaschutz ist Grundrechtsschutz. Mit diesem Satz haben wir die Verfassungsbeschwerden eingereicht, diesen Satz hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Das Gericht hat ein Grundrecht auf Zukunft für die jungen Menschen geschaffen. Für uns Juristen, aber auch für alle anderen Bürgerinnen und Bürger, ist es schon jetzt ein Meilenstein.“

Linus Steinmetz, Beschwerdeführer aus Deutschland: „Die Bundesregierung verletzt ihre verfassungsrechtliche Pflicht, die Lebensgrundlage künftiger Generationen zu erhalten. Das hat das Verfassungsgericht heute bestätigt. Mit diesem Rückenwind werden wir die Politik jetzt weiter – und auch mit Druck von der Straße – dazu zwingen, den Klimawandel entschlossen zu bekämpfen.“

Yi Yi Prue, Beschwerdeführerin aus Bangladesch: „Wir leiden bereits unter den Auswirkungen des Klimawandels. Stärkere Monsunfälle mit Erdrutschen und Überschwemmungen töten Menschen, viele haben Hab und Gut oder ihr Zuhause verloren. Und wir können uns nur dadurch helfen, dass wir die Nationen, die stark mitverantwortlich sind für den Klimawandel, zum Handeln bewegen. Deshalb wollen und müssen wir weiter unsere Stimme erheben. Denn für uns geht es natürlich um unsere Menschenrechte, um unser Recht auf ein sicheres Leben und unser Überleben.“

Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Die Bundesregierung muss dieses Urteil sofort umsetzen. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Korrektur des Gesetzes erfordert zusätzliche, drastische strukturelle Veränderungen um nach 2030 das erforderliche minimierte Niveau an Klimagasemissionen zu erreichen. Allein ein Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h verbunden mit Tempo 80 außerorts und Tempo 30 in der Stadt bringt bis 2034 eine Einsparung von bis zu 100 Millionen Tonnen CO2. Zusätzlich brauchen wir jetzt eine Elektrifizierungsoffensive bei der Bahn und einen verbindlichen Ausstieg aus Verbrenner-Pkw ab dem 1. Januar 2025.“

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Mit diesem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den entschiedenen Handlungsauftrag an die nächste Bundesregierung formuliert, für mehr und konsequenteren Klimaschutz zu sorgen. Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Alle demokratischen Parteien müssen zeigen, dass sie es ernst meinen mit dem Ausstieg aus fossilen Energien. Nur das bringt uns in Richtung des 1,5-Grad-Ziels. Das heißt: Stopp von Nord Stream 2, keine sonstigen Investitionen mehr in fossile Energien, ein früherer Kohleausstieg schon 2030 und der massive mit allen Mitteln vorangetriebene Ausbau der Erneuerbaren Energien.“

Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Dieses Urteil bringt die Bundesregierung in größte Bedrängnis. Denn dass sie sogar die unzureichenden, selbst gesetzten Verpflichtungen nicht einhält, ist nun höchstrichterlich festgestellt. Aktuell musste sie auch einräumen, dass sie im Gebäudebereich die Einsparungen für 2020 bereits verfehlt hat. Bauminister Seehofer ist nun gesetzlich verpflichtet, bis zum 15. Juni einen Plan vorzulegen, wie dies wieder aufgeholt werden soll. Wenn er die Energetische Sanierung nicht umfangreich vorantreibt, verbaut er die Zukunft. Das ist die klare Botschaft dieses Urteils.“

Hintergrund:

Insgesamt hat das Bundesverfassungsgericht zu vier vorliegenden Verfassungsbeschwerden geurteilt. Die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer sind Jugendliche und Erwachsene aus dem In- und Ausland. Sie werden unterstützt vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland, von der Deutschen Umwelthilfe sowie von Germanwatch und Greenpeace. Mit ihren Verfassungsbeschwerden verleihen sie ihrer Kritik Nachdruck, dass die Ziele und Maßnahmen der Bundesregierung und ihres Klimaschutzgesetzes von 2019 nicht ausreichen, um ihre Grundrechte wirksam effektiv vor den Folgen der Klimakrise zu schützen sowie die Verpflichtungen aus dem Pariser Klima-Abkommen zu erfüllen.