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Aktuelle Nachrichten aus dem Bundestag

Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mi., 1. Juli 2020

  1. Weg frei für den Kohleausstieg
  2. Ausschuss billigt Intensivpflegereform
  3. Ausschuss nimmt Gesetzentwürfe an
  4. Doppelbesteuerungsabkommen gebilligt
  5. Kritik an Änderungen im Abfallrecht
  6. AfD-Antrag zu Wahlrechtsreform vorgelegt


01. Weg frei für den Kohleausstieg

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/PEZ) Der Wirtschaftsausschuss hat den Weg für den Kohleausstieg frei gemacht. In seiner Sitzung am Mittwoch stimmten die Abgeordneten für die zwei maßgeblichen Gesetze in geänderter Fassung, die den Übergang in die Nutzung anderer Energieträger ebnen sollen. Zum einen beschlossen sie mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Grünen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Strukturstärkung (19/13398). Die Fraktionen von AfD und FDP stimmten mit Nein, die Linksfraktion enthielt sich. Zum anderen votierten die Abgeordneten mit den Stimmen der Regierungskoalition für das Kohleausstiegsgesetz (19/17342), das alle anderen Fraktionen ablehnten. Mehrere Oppositionsanträge zu dem Thema fanden keine Mehrheit.

Vertreter von CDU/CSU und SPD würdigten den erzielten Kompromiss als erfolgversprechenden Dreiklang von Kohleausstieg, Versorgungssicherheit und der Sicherung des Wettbewerbsstandorts. Unter anderem erwähnte ein Unions-Vertreter Nachbesserungen in den Regeln zur Kraft-Wärme-Kopplung, die den Umstieg auf diese Technologie erleichtern und beschleunigen sollen. Andere Redner wiesen auf das nun festgeschriebene Ziel eines 65-Prozent-Anteils erneuerbarer Energien bis 2030 hin und auf die Maßnahmen, die zur Beschäftigungssicherung in den Tagebauregionen getroffen würden.

Die AfD-Fraktion bezeichnete den Kohleausstieg als sinnlos. Darüber hinaus sei der Weg aus der Kohle nicht marktwirtschaftlich geregelt worden, die Versorgungssicherheit werde beschädigt und der Strompreis explodieren. Die FDP-Fraktion wunderte sich über das explizite Festschreiben der energiewirtschaftlichen Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II, während die Linksfraktion erneut darauf pochte, früher als 2038 aus der Kohle auszusteigen. Wie die Grünen-Fraktion kritisierten sie die geplante Inbetriebnahme eines neuen Werks in Datteln. Die Grünen prangerten außerdem die ihrer Ansicht nach viel zu hohen Entschädigungen an Kraftwerkskonzerne an; sie rechneten eine Summe von insgesamt fast acht Milliarden Euro vor.

Der Bundestag soll am Freitag über das Paket abstimmen. Ausgeklammert werden dann die öffentlich-rechtlichen Verträge, mit denen die Entschädigungen an die Kraftwerkkonzerne beziffert werden sollen. Sie sollten im Herbst unterzeichnet werden, zuvor werde es vermutlich eine öffentliche Anhörung dazu geben, hieß es von Unionsseite. Beim Strukturstärkungsgesetz geht es um die Unterstützung für die Reviere, die vom Kohle-Aus betroffen sind - die Lausitz, Mitteldeutschland und das Rheinland. Von den zugesagten Hilfen sollen 14 Milliarden Euro direkt an die Länder gezahlt werden, 26 Milliarden über den Bund in Projekte investiert werden. Das zweite Gesetz regelt den Kohleausstieg als solchen für Braun- und Steinkohle. An einem Kompromiss für letztere Branche war lange gefeilt worden. Der Weg aus der Steinkohle soll über Ausschreibungen laufen: Unternehmen können sich an Ausschreibungsrunden bewerben, den Zuschlag erhält, wer am wenigsten Entschädigung fordert.



02. Ausschuss billigt Intensivpflegereform

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Nach langen und kontroversen Beratungen hat der Gesundheitsausschuss des Bundestages eine Reform der Intensivpflege beschlossen. Der Ausschuss billigte den Gesetzentwurf (19/19368) der Bundesregierung am Mittwoch in geänderter Fassung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und gegen das Votum der Opposition. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden.

Die Reform soll eine bessere Versorgung der schwer kranken Patienten ermöglichen und zugleich Fehlanreize beseitigen und Missbrauch verhindern. Der Gesetzentwurf sieht einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege vor, die nur von besonders qualifizierten Ärzten verordnet werden darf.

Die außerklinische Intensivpflege kann in Pflege- und Behinderteneinrichtungen, in Intensivpflege-Wohneinheiten, zu Hause oder auch in Schulen, Kindergärten oder Werkstätten erbracht werden.

Ein umstrittener Passus im Gesetzentwurf bezüglich der Wahl des Versorgungsortes wurde in den Beratungen zugunsten der Versicherten geändert. Demnach soll den Wünschen der Versicherten entsprochen werden. Nach Ansicht der Opposition ist die Formulierung aber noch immer nicht eindeutig genug.

Kritiker befürchten, dass Patienten stationär statt wie oft gewünscht in der eigenen Häuslichkeit versorgt werden. Die Selbstbestimmung der Betroffenen müsse unbedingt gewahrt werden, hieß es von Behindertenverbänden.



03. Ausschuss nimmt Gesetzentwürfe an

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/MWO) Die Annahme mehrerer Gesetzentwürfe hat der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz auf seiner Sitzung am Mittwoch empfohlen. Der Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Pauschalreisevertragsrecht (19/19851) wurde mit den Änderungsbeschlüssen des Ausschusses mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD und der Fraktionen von FDP, Linken und Grünen angenommen. Die AfD-Fraktion enthielt sich.

Mit dem Gesetz soll in Ergänzung zu den zur Abmilderung der Folgen der Pandemie bereits getroffenen Maßnahmen eine Regelung geschaffen werden, die den Reiseveranstaltern die Möglichkeit eröffnet, Reisenden statt der sofortigen Rückerstattung des Reisepreises einen Gutschein im Wert der erhaltenen Vorauszahlungen anzubieten, der gegen eine etwaige Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert ist. Vertreter der Koalitionsfraktionen erklärten, das Gesetz sei ein Baustein von vielen, um der Reisebranche zu helfen. Die Opposition kritisierte die lange Verfahrensdauer. Ein Antrag der FDP-Fraktion für effektive und verbraucherfreundliche Hilfen für die Reisewirtschaft wurde abgelehnt.

Die Gesetzesvorlage steht am Donnerstag auf der Tagesordnung des Plenums, wie auch der von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen (19/17795). Diese Vorlage wurde mit den Änderungen des Ausschusses mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. AfD und FDP stimmten dagegen, Linke und Grüne enthielten sich. Der Gesetzentwurf der Regierung sieht unter anderem vor, den geschützten Personenkreis auf Verstorbene auszuweiten. Hintergrund ist dem Entwurf zufolge, dass Schaulustige bei Unfällen oder Unglücksfällen Bildaufnahmen von verletzten und verstorbenen Personen anfertigen und diese Aufnahmen über soziale Netzwerke verbreiten. Darüber hinaus gebe es Fälle, in denen unbefugt eine heimliche Bildaufnahme hergestellt wird, die die Intimsphäre des Opfers verletzt, wie beim sogenannten Upskirting. Während Union und SPD von einer Schließung von Strafbarkeitslücken sprachen, sieht die Opposition weiteren Regelungsbedarf. Abgelehnt wurden Gesetzentwürfe des Bundesrats (19/15825) und der AfD (19/15785) sowie Anträge der FDP und der Linken.

Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD sowie den Grünen empfahl der Ausschuss die Annahme eines Gesetzentwurfs des Bundesrates zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) (19/17035). AfD, FDP und Linke votierten dagegen. Ein Gesetzentwurf der AfD (19/15785) sowie Anträge von FDP, Linken und Grünen zu diesem Thema wurden abgelehnt. Mit dem Gesetz soll der Entschädigungsbetrag für immaterielle Schäden auf 75 Euro pro Hafttag angehoben werden. Der Opposition ist das zu wenig.

Der Ausschuss beschloss zudem die Durchführung von drei weiteren öffentlichen Anhörungen. Am 9. September 2020 sollen Sachverständige zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) (19/20599) und einem Antrag der Grünen zu diesem Thema angehört werden. Am 16. September wird es eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht (19/20348) sowie zu Anträgen von AfD, FDP, Linken und Grünen geben. Dem Grunde nach beschlossen, aber noch nicht terminiert, wurde eine öffentliche Anhörung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für ein Gesetz zur Stärkung des Kinderschutzes im familiengerichtlichen Verfahren (19/20540). Ferner beschloss der Ausschuss die Durchführung eines erweiterten Berichterstattergesprächs zu dem

Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung des Pfändungsschutzes (19/19850) sowie die Abgabe einer Stellungnahme und die Bestellung einer Prozessbevollmächtigten zu den Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht, bei denen es um Verfassungsbeschwerden gegen die deutsche Klimapolitik geht.

Ausführlich diskutierten die Abgeordneten die Beteiligung des Bundestages an Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Ein Vertreter der Unterabteilung Europa der Bundestagsverwaltung, stellte ein Konzept zur Einwirkungsmöglichkeit des Bundestages auf solche Verfahren vor, die es bislang nicht gebe. Sollte der Wunsch bestehen, künftig die Einwirkungsmöglichkeit des Bundestages bei Verfahren vor dem EuGH über die Bundesregierung als "Mittler" zu gewährleisten, müsste laut Konzept hierfür zunächst bundestagsintern ein Verfahren etabliert sowie ein Verfahren zwischen Bundestag und Bundesregierung vereinbart werden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium Christian Lange (SPD) erklärte dazu, es gebe noch keine abgestimmte Haltung der Bundesregierung. Das Papier sei jedoch Anlass für das Auswärtige Amt, das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesjustizministerium, sich zu positionieren und eine praktikable Lösung zu finden.

Ausführlich berichtete Staatssekretär Lange über die Reaktion der Bundesregierung auf die Insolvenz des Zahlungsdienstleistungsunternehmens Wirecard sowie über bilanz-, kapitalmarkt- und haftungsrechtliche Implikationen für Abschlussprüfer und Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Lange verwies auf die Stellungnahme des BaFin-Präsidenten Felix Hufeld vor dem Finanzausschuss am Mittwoch und erklärte, die Bundesregierung werde die Entwicklung analysieren, um solche Bilanzskandale zukünftig auszuschließen. Dazu müsse die Qualitätssicherung verbessert werden. Der als Bilanzpolizei bekannten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) sei bereits gekündigt worden. Angesichts der Dimension des Skandals werde alles auf den Prüfstand gestellt, einschließlich der BaFin.

Die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann erkundigte sich bei Lange, ob die Bundesregierung den am 30. Juni ausgelaufenen Kündigungsschutz für Mieter angesichts der COVID-19-Pandemie verlängert habe. Wie Lange sagte, habe ein entsprechender Entwurf des Bundesjustizministeriums keinen Konsens gefunden, die Vorschrift sei daher nicht verlängert worden.



04. Doppelbesteuerungsabkommen gebilligt

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat am Mittwoch dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 18. November 2019 zur Änderung des Abkommens vom 19. Februar 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (19/19385) zugestimmt. Unter anderem soll mit der Änderung eine Missbrauchsvermeidungsklausel in den Vertrag aufgenommen werden. Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, AfD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen stimmten zu, die Linksfraktion enthielt sich.

Wegen weiteren Beratungsbedarfs in der Koalition wurde in der Sitzung der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (19/1879419/19364) entgegen der ursprünglichen Planung noch nicht abgeschlossen. Der Entwurf sieht vor, dass Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater künftig zentral von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beaufsichtigt werden. Damit wurde auch ein Antrag der FDP-Fraktion (19/18861) nicht abschließend behandelt. Ziel der FDP-Fraktion ist ein Verzicht auf die Zentralisierung, "um die qualifizierte Finanzberatung ortsnah und kostengünstig zu erhalten".



05. Kritik an Änderungen im Abfallrecht

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/LBR) Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union ist vor allem in Detailfragen bei Experten auf Kritik gestoßen. Dies wurde am Mittwochmittag bei einer teils virtuell stattfindenden öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit deutlich. "Nach allen Prognosen wird das Aufkommen von Müll weiter steigen und die Frage, wie wir damit als Gesellschaft umgehen, ist entscheidend für Fragen des Klimaschutzes, der Biodiversität und des Ressourcenverbrauchs", sagte die Ausschussvorsitzende Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen).

Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union (19/19373) sollen das Kreislaufwirtschaftsgesetz sowie das Elektro- und Elektronikgerätegesetz geändert werden, um die Vorgaben des EU-Legislativpakets zur Kreislaufwirtschaft umzusetzen. Zudem sollen mit dem Entwurf Verordnungsermächtigungen erlassen werden, um die Einwegkunststoff-Richtlinie umzusetzen. Eingeführt wird unter anderem auch eine Obhutspflicht für Produktverantwortliche, die künftig dafür sorgen soll, dass retournierte Waren nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen vernichtet werden dürfen. Als wesentliche Änderungen des vorliegenden Entwurfs führt die Bundesregierung unter anderem die Stärkung der Vermeidung und Verwertung von Abfällen an. Beispielsweise werden demnach Recycling-Quoten erhöht und fortgeschrieben, die Pflicht zur Getrenntsammlung gestärkt und die im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) normierte Produktverantwortung erweitert.

Torsten Mertins (Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände) benannte als Kritikpunkte, die fehlende Planungssicherheit für die kommunalen öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger: Das Fehlen eines Klagerechts für diese Entsorger bei gewerblichen Sammlungen sowie die geplante Ausweitung der freiwilligen Rücknahmen sehe die Vereinigung kritisch. Beide Punkte seien geeignet, die Gewichte zwischen kommunaler und privatwirtschaftlicher Abfallentsorgung im Kreislaufwirtschaftsgesetz einseitig zulasten der öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger zu verschieben. Dies bedeute einen Rückschritt für die kommunale Daseinsvorsorge. Mertins sprach sich dafür aus, zu den Regelungen des Referentenentwurfs des Umweltministeriums (BMU) vom August 2019 zurückzukehren.

Benjamin Peter vom Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte, dass die Novelle Regelungen enthalte, die den Handel "deutlich beeinträchtigen und weit über die Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie hinausgehen." Insbesondere die neu eingeführten Obhutspflichten und die Regelungen zur erweiterten Herstellerverantwortung aus der Einwegkunststoffrichtlinie seien abzulehnen, da sie "allein die Wirtschaft betreffen, die ohnehin wegen der Corona-Pandemie geschwächt ist", sagte Peter. Transparenzpflichten zum Umgang mit retournierten Waren sollten vor dem Hintergrund des Bürokratieabbaus vermieden werden, sagte der Sachverständige. Der HDE begrüße, dass die freiwillige Rücknahme und Verwertung von Abfällen gleichwertig erfolgen soll.

Peter Kurth vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) bedauerte, dass die Verordnungsermächtigung für eine Rezyklat-Initiative aus der Novelle herausgefallen sei. Eine wichtige Chance bleibe so ungenutzt. "Wir sehen in diesen Tagen bei dramatisch niedrigen Ölpreisen, dass Rezyklate aus dem Kunststoffbereich keine Chance haben gegen günstige Primärmaterialien", sagte Kurth. Immer noch würden Produzenten "in keiner Weise in Mitverantwortung genommen", den Kreislauf zu schließen. Er plädierte, schnellstmöglich ein Recyclinglabel für Beschaffer zu entwickeln. Nur mithilfe eines rechtssicheren, leicht verständlichen Labels könnten öffentliche und private Einkäufer nachhaltige Beschaffung praktizieren.

Das Hauptthema derzeit sei corona-bedingt die Situation der Wirtschaft, sodass ein Belastungsmoratorium nötig sei, sagte Hermann Hüwels vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die Obhutspflicht für Erzeugnisse nannte er "abfall-wirtschaftlich fragwürdig". Sie werde genau wie die Transparenzpflicht aufgrund des "unverhältnismäßigen Mehraufwands" abgelehnt. Um mehr Recycling und Produktverantwortung zu erreichen, müssten freiwillige und marktwirtschaftliche Instrumente ermöglicht werden, insbesondere auch beim Einsatz von Rezyklaten, sagte der Sachverständige. Wettbewerbsnachteile oder Innovationshemmnisse wegen ordnungsrechtlicher Vorgaben dürften nicht das Ergebnis der Novelle sein.

Dass es "Waffengleichheit zwischen kommunalen und privaten Abfallsammlern" brauche, betonte Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), Abfallwirtschaft und Stadtsauberkeit (VKS). Durch die Veränderung des Referentenentwurfs bestehe nun nicht mehr die Möglichkeit eines Klagerechts für Kommunen. Er sprach sich dafür aus, die freiwillige Rücknahme von herstellerfremden Produktabfällen nur dann zuzulassen, wenn die geplante Verwertung höherwertiger sei als die Verwertung durch den zuständigen öffentlichen-rechtlichen Entsorgungsträger. Thärichen betonte auch die Notwendigkeit, die Hersteller von Einwegartikel in die finanzielle Verantwortung für den entstehenden Reinigungsaufwand in den Städten zu nehmen.

Die Novelle könne einen erheblichen Beitrag zu einem funktionierenden Kreislaufwirtschaftsgesetz leisten, sagte Sascha Roth vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Der NABU bedauere jedoch, dass der Entwurf auf "halber Strecke" von der linearen zu einer Kreislaufwirtschaft stehen bleibe. Er forderte, die Verpflichtung zum Recycling von Siedlungsabfällen bis 2035 auf 90 Prozent zu erhöhen, diese seien zu niedrig angesetzt. Auch forderte Roth, Rezyklate rechtlich zu definieren, eine Rezyklatquote einzuführen und die Biotonne bundesweit verpflichtend zu machen.

Claas Oehlmann, Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kritisierte, dass die Neuregelung bei der Produktverantwortung "Unsicherheit und keine Planbarkeit" schaffe. Es bestehe die Gefahr, "tief in Produktdesign, Rohstoffauswahl und Vertriebswege" einzugreifen, ohne die Effekte davon zu kennen. In Bezug auf die Obhuts- und Transparenzpflicht sei nicht dargelegt, welche ökologischen Vorteile dabei entstehen könnten, sagte Oehlmann.

Im Bereich der Produktverantwortung gebe es "gute Ansätze und Absichten", sagte Uwe Feige vom Kommunalservice Jena. Der Entwurf greife aus Sicht der Kommunen jedoch deutlich zu kurz. "Die Defizite der Praxis in der dualen Entsorgung werden mit der Novelle nicht aufgearbeitet, der Ansatz der Mengenquote wird leider fortgesetzt", sagte Feige. Werde das Gesetz in der bestehenden Form beschlossen, bestehe etwa bei der Umsetzung der Pellet-Produktion ein "erhebliches Rechtsrisiko". Er vermisse zudem insgesamt eine konsequente Betrachtung des Gesamtprozesses.

Auch Vera Susanne Rotter vom Institut für Technischen Umweltschutz der Technischen Universität Berlin sagte, der steigende Anteil der Abfallmengen, etwa bei Verpackungen, verdeutliche den Handlungsbedarf. Sie betonte, dass die Klimaziele nur durch hohe Recycling-Quoten erreicht werden könnten. Verknüpft werden müssten die Abfallvermeidung und das Ziel der hochwertigen Verwertung. Obwohl dies bereits in der Vergangenheit oberste Priorität gehabt habe, habe sich wenig getan. Helfen könnten quantitative Vermeidungsziele, sagte Rotter.



06. AfD-Antrag zu Wahlrechtsreform vorgelegt

Inneres und Heimat/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die AfD-Fraktion dringt auf eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages. In einem Antrag (19/20602) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der bei Erhalt der derzeitigen Wahlkreise das Prinzip der personalisierten Verhältniswahl beibehält und gewährleistet, dass die gesetzlich festgelegte Regelgröße des Bundestags von 598 Abgeordneten nicht überschritten wird.

Dazu soll der Gesetzentwurf laut Vorlage sicherstellen, "dass eine Partei in einem Bundesland höchstens so viele Direktmandate erhält, wie es dem Zweitstimmenanteil der Partei in dem Land entspricht". Beibehalten werden soll nach dem Willen der Fraktion, "dass für den Fall, dass einer Partei durch den Zweitstimmenanteil mehr Mandate zustehen, als sie Direktmandate errungen hat, diese über den Zugriff auf die Landesliste besetzt werden". Ferner soll der Gesetzentwurf dem Antrag zufolge dem Wähler "mehrere Zweitstimmen zur Verfügung" stellen, "um einzelne Bewerber zu kennzeichnen und damit direkten Einfluss zu nehmen auf die Reihenfolge der Bewerber auf der Landesliste".