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Heute in Magdeburg: Landtagsrede Ministerin Petra Grimm-Benne zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung

grimm benne petra

Donnerstag, den 4. April 2019


Petra Grimm-Benne (Foto), Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration:


Sehr geehrte/r Herr Präsident / Frau Präsidentin!

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!


Wie schaffen wir es, junge Ärzte von einer Niederlassung auf dem Land zu begeistern? Wie schaffen wir es, dem Arztmangel, der ja künftig aller Voraussicht nach stark zunehmen wird, zu begegnen und Unterversorgung zu vermeiden?

In Sachsen-Anhalt werden da seit Jahren viele Anstrengungen unternommen, um Nachwuchs für die Hausarzt-Praxen zu finden. Sie kennen die Stichworte: Stipendienprogramm, Förderung praktischer Studienzeiten in Landarztpraxen, die „Allianz Allgemeinmedizin“, die „Klasse Allgemeinmedizin“ an der Universität in Halle. Aber wir brauchen zusätzliche Wege!

Wir brauchen das Landarztgesetz, um bis zu 20 der landesweit 400 Medizinstudienplätze in Magdeburg und Halle pro Jahr für angehende Landärzte reservieren zu können. Auch das ist, das sage ich ganz deutlich, kein Allheilmittel.

Aber es ist ein weiterer sinnvoller Baustein, um eine gute wohnortnahe hausärztliche Versorgung dauerhaft sicherzustellen. Auch wenn wir die Erfolge des Programms erst in vielen Jahren sehen werden – wir müssen diesen Schritt jetzt gehen.

Es geht darum, jungen Ärzten den Weg aufs Land aufzuschließen. Wir brauchen nicht nur Mediziner, die Hausarzt-Praxen übernehmen, auch im fachärztlichen Bereich ist die Suche nach Nachfolgern zum Teil schwer. Aber mein Fokus bleibt heute bei der Allgemeinmedizin.

Wir haben viel weniger junge Ärzte, die Weiterbildungen für Allgemeinmedizin absolvieren, als wir brauchen, um altersbedingt ausscheidende Ärzte zu ersetzen. Und wir haben zusätzlich die Entwicklung, dass vielen jungen Ärzten die „Work-Life-Balance“ heute wichtig ist. Es ist die Tendenz zu erkennen, dass sich die Berufseinstellung wandelt, dass ein geregelter, planbarer Arbeitstag als wichtig angesehen wird.

Das Arztpraxen auf dem Land zu verwaisen drohen – dieses Problem betrifft nicht nur Sachsen-Anhalt, sondern inzwischen alle Bundesländer. Nicht nur wir planen ja vor diesem Hintergrund eine Landarztquote. NRW hat ein entsprechendes Gesetz beschlossen, dort werden 170 Studienplätze reserviert. In Bayern ist ein Gesetz geplant, in Rheinland-Pfalz laufen die parlamentarischen Beratungen.

Unsere Kassenärztliche Vereinigung geht für Sachsen-Anhalt von 262 fehlenden Arztsitzen von Allgemeinmedizinern im Jahre 2032 aus.

Gegenwärtig sind in Sachsen-Anhalt 1.453 Hausärztinnen und Hausärzte tätig. Das sind 1.401 Versorgungsaufträge, da nicht alle in Vollzeit arbeiten.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass wir Bewerberinnen und Bewerbern einen Medizinstudienplatz an einer der beiden medizinischen Fakultäten in Sachsen-Anhalt zuteilen, wenn sie sich vertraglich verpflichten, nach Beendigung des Studiums für zehn Jahre eine Tätigkeit als Fachärztin oder Facharzt für Allgemeinmedizin in einer Region in Sachsen-Anhalt aufzunehmen, die unterversorgt sind, wo Unterversorgung droht oder für die ein besonderer lokaler Versorgungsbedarf festgestellt worden ist. Wird der Vertrag nicht eingehalten, drohen bis zu 250.000 Euro Vertragsstrafe.

Die Studienplätze werden als Vorabquote aus den rund 400 Studienplätzen der beiden Universitäten Halle und Magdeburg herausgenommen. Dieses Verfahren wird auch für den Sanitätsoffiziersdienst der Bundeswehr so angewandt.

Die von den Ländern gegründete Stiftung für Hochschulzulassung ist für die Vergabe von Studienplätzen insgesamt zuständig.

Sie kann aber die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber nicht übernehmen, weder bei der Bundeswehr noch für unsere Landarztquote. Das heißt, dass durch eine geeignete Stelle das Auswahlverfahren durchgeführt werden und der Stiftung bis spätestens Ende Juli eines laufenden Jahres eine Namensliste der erfolgreichen Bewerberinnen und Bewerber übergeben werden muss. Die Stiftung erlässt dann die Zulassungsbescheide.

Die Bundeswehr macht dieses Auswahl-Verfahren selbst. Für unsere Landarztquote wird diese Aufgabe die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt als Körperschaft des öffentlichen Rechts übernehmen: Die Auswahl der Studierenden wird über die KV laufen. Das sieht der Gesetzentwurf so vor.

Dazu eine Anmerkung: Auf Anregung von Bayern, die ja selbst eine Landarztquote planen, war im Entwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz auf Bundesebene die Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigungen beim Auswahlverfahren und den danach folgenden administrativen Aufgaben vorgesehen worden. Diese Regelung hat der Bundestag insofern gestrichen, so dass nur die Beteiligung an der Begleitung der Umsetzung des Verfahrens verpflichtend für die KVen sein soll. Das ist am 14. März 2019 durch den Bundestag beschlossen – also nach unserer zweiten Kabinettsbefassung.

In Sachsen-Anhalt wird auch das Auswahlverfahren mit dem Gesetzentwurf auf die KV übertragen. Die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber bleibt eine freiwillige Aufgabe, die die Kassenärztliche Vereinigung nach Zustimmung durch die Aufsicht übernehmen kann. Diesen Weg gehen wir.

Soweit bei der Diskussion um die Landarztquote kritisiert wird, man solle lieber andere, kurzfristiger wirkende Maßnahmen umsetzen, möchte ich nochmals darauf verweisen, dass die Verantwortlichen in Sachsen-Anhalt bereits ein Bündel von Maßnahmen ergriffen haben. Und wäre das nicht so, hätten wir auch gar nicht in den Grundrechtsbereich der Studierenden und der Universitäten eingreifen dürfen.

Und schneller als zum Wintersemester 2020/21 können wir nicht starten. Das hat zum einen haushalterische Gründe. Zum anderen müssen erst die entsprechenden Strukturen bei der Kassenärztlichen Vereinigung für die Auswahl und die Umsetzung der administrativen Aufgaben geschaffen werden. Da wir mangels objektiver Kriterien keine persönlichen Auswahlgespräche führen werden, muss der entsprechende Studierfähigkeitstest um ein weiteres Modul für die Geeignetheit der Bewerberinnen und Bewerber für das Berufsbild der Landärzte erweitert werden.

Auch das dauert seine Zeit. Letztlich ist es auch nicht umsetzbar, zwischen den Abiturprüfungen und der Vorlage der Namensliste bei der Stiftung für Hochschulzulassung zum 31.07. eines jeden Jahres das Auswahlverfahren durchzuführen. Wenn sich das System etabliert hat, können sich die Bewerberinnen und Bewerber darauf einstellen, dass sie sich erst im Folgejahr nach den Abiturprüfungen auf die Landarztquote bewerben können.

Ich kenne natürlich auch die Forderung, die Zahl der Studienplätze insgesamt zu erhöhen. Aber ich sage Ihnen: das befreit uns nicht von der Aufgabe, darüber nachzudenken, wie man unter denen, die Medizin studieren, die Gruppe derjenigen vergrößert, die für sich sagen: Ja, ich will als Allgemeinmediziner arbeiten, und zwar nicht in Halle oder Magdeburg, sondern auf dem Land.

Zu einer weiteren Frage: Warum wollen wir „nur“ fünf Prozent der Studienplätze reservieren, und nicht zehn, wie es der „Masterplan Medizinstudium 2020“ vorsieht? Hierzu ist zu sagen, dass nach dem Staatsvertrag 20 Prozent der Studienplätze für Vorabquoten zur Verfügung stehen. Es gibt aber bereits andere Vorabquoten, z.B. für Härtefälle, Zweitstudien besondere Hochschulzugangsberech-tigungen. Danach verbleiben rechnerisch 7,6 Prozent, mit einem „Sicherheitsabschlag“ haben wir fünf Prozent festgelegt.

Den Sicherheitsabschlag könnte man auch für eine Vorabquote für den öffentlichen Gesundheitsdienst nutzen, bei dem sich ebenfalls eine ernste Versorgungssituation abzeichnet. Das lasse ich gerade in meinem Haus prüfen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.