Donnerstag, den 11. Februar 2021
Von Kathleen Radunsky-Neumann
Ein Patient sitzt an der Bettkante und klagt über Luftnot. Wie kann man helfen? Wie
sollte man reagieren? Für Jaqueline Wald ist eine Situation wie diese nicht neu. Die
23-Jährige erlernt im Klinikum Magdeburg den Beruf der Gesundheits- und
Krankenpflegerin. Wenn sie ihre dreijährige Pflegeausbildung abgeschlossen hat,
möchte sie in der Abteilung für Intensivmedizin des städtischen Krankenhauses
arbeiten. Einen Schritt zum Abschluss ihrer Ausbildungszeit hat sie nun absolviert - die
praktische Prüfung.
„Dass die praktischen Prüfungen
unter Coronabedingungen
stattfinden können, ist nicht
selbstverständlich“, sagt Christina
Heinze, Schulleiterin und
pädagogische Geschäftsführerin des
Bildungszentrums für
Gesundheitsberufe in Magdeburg.
„Fehlende Planungssicherheit und
die Schwierigkeiten realistischer
Prüfungsszenarien haben die
Vorbereitung erschwert“, führt sie
weiter aus.
Besondere Zeiten erfordern eben
besondere Maßnahmen: Das
Magdeburger Bildungszentrum für
Gesundheitsberufe – in
Trägerschaft des Klinikums
Magdeburg und der Pfeifferschen Stiftungen – hat deshalb kreativ reagiert. Statt echter
Patienten wurden dank der Vermittlung durch das Landeszentrum freies Theater
Sachsen-Anhalt e.V. selbstständige Schauspieler/innen als Simulationspatienten
(SimPats), die die Rolle einer Patientin oder eines Patienten annehmen, engagiert.
Entsprechende Krankheitsbilder der jeweiligen Fachrichtung, Charaktere,
Szenenabläufe, Beratungsanlässe anhand vorgefertigter Rollenskripte wurden
einstudiert, um diese in einer Pflege-Patienten-Situation darzustellen. Die pflegerische
Versorgung erfolgt auf Basis des Improvisationstheaters, so dass die Schauspieler
spontan auf die Handlungen und Worte des Prüflings reagieren können.
Das schafft für alle Prüflinge die gleichen Prüfungsvoraussetzungen. Der Einsatz von
SimPats in Prüfungen ermöglicht eine hohe Standardisierung der Prüfungssituation
und Objektivität.
In akribischer Vorarbeit wurden Prüfungsszenarien erarbeitet, praxisnahe Fallbeispiele
entwickelt und Rollenbeschreibungen angefertigt. „Das alles erfordert einen hohen
organisatorischen Aufwand“, sagt Christina Heinze. Jedoch ist sie zufrieden: „Diese
Abschlussprüfungen sind ein gutes Beispiel für die gute Zusammenarbeit der
Pflegeschule und des Ausbildungshauses“. Aus ihrer Sicht ist es ein „großes Hand in
Hand“-Arbeiten und dankt allen Beteiligten für die konstruktive hervorragende
Zusammenarbeit.
Das zeigt sich im Klinikum Magdeburg so: Im Vorfeld wurden von den Fachprüfern
realistische Situationen aus dem Pflegealltag erarbeitet und daraus eine Art Drehbuch für die Schauspieler geschrieben. In virtuellen Vorbereitungstreffen wurden diese
Situationen besprochen, Fragen geklärt und Anpassungen vorgenommen. Alles sollte
soweit es möglich war, einer echten Pflegesituation ähneln. Am Prüfungstag selbst
wurde der Schauspieler so vorbereitet, dass ihm Verbände angelegt wurden und er
einen genauen Plan hat, wann er sich wie zu verhalten hat. Typische Symptome des
Krankheitsbildes wie Schmerzen oder Atemnot werden nun simuliert.
„Alles bis auf die invasiven Tätigkeiten ist möglich“, erklärt Manuela Schwirz, die als
zentrale Praxisanleiterin im Klinikum Magdeburg an den praktischen Prüfungen
beteiligt ist. Für sie sind die diesjährigen Prüfungen unter Coronabedingungen, denen
sich übrigens acht Klinikum-Azubis stellen, sehr anspruchsvoll. „Normalerweise
kennen die Auszubildenden ihre Patienten schon, dadurch dass sie bis zu den
Prüfungen auf Station arbeiten“, erklärt sie. Die Schauspieler wiederum mit ihren
individuellen Krankheitsbildern und Symptomen sind neu. „Wir können also sehen, wie
die Auszubildenden auf diese völlig neue Situation reagieren“, nennt sie den Vorteil.
So lassen sich ihrer Beobachtung nach die gesetzlich geforderten Kompetenzen noch
besser einschätzen.
Christina Heinze vom Bildungszentrum sieht in der praktischen Prüfung mit
Schauspielern ein Zukunftsmodell. „So können wir noch mehr kompetenzorientiert
prüfen und ähnliche Situationen für alle Auszubildenden schaffen“, sagt sie. Doch liegt
die Entscheidung darüber nicht bei ihr. Denn gesetzlich vorgeschrieben ist, dass die
praktischen Prüfungen in der Pflege am realen Patienten stattzufinden haben.
Aufgrund der Coronapandemie ist im Juni 2020 vom Bundesgesetzgeber die
Ausnahme ermöglicht worden.
Und was sagt Jaqueline Wald? Sie ist froh, dass sie die Prüfung hinter sich hat. Die
Aufregung ist vorüber. „Ich habe den Patienten beraten und angeleitet, beispielsweise
die Inhalation erklärt, und Verbände gewechselt“, berichtet sie. Nun, nachdem die
theoretischen und die praktischen Prüfungsteile überstanden sind, bereitet sie sich auf
den letzten Baustein ihres Abschlusses vor – die mündliche Prüfung. Die wird im
Übrigen auch unter Coronabedingungen wie immer ablaufen, nur mit ausgearbeitetem
Hygienekonzept.
Foto: Jaqueline Wald versorgt ihren Patienten – in der
Prüfungssituation wird sie von Nico Wolf (links,
Pädagoge am Bildungszentrum) und Stefan Magnus Löser (zentraler Praxisanleiter im Klinikum
Magdeburg) beobachtet und muss ihnen gleichzeitig
ihre Arbeitsschritte erklären.
© Klinikum Magdeburg/Kathleen Radunsky-Neumann