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Sachsen-Anhalt-News: Katja Pähle plädiert für solidarisches Gesundheitssystem: „Die Pandemie hat Probleme offengelegt, die schon viel länger bestehen“

Donnerstag, den 22. April 2021

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat in einer Aktuellen Debatte über die Situation der Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie der Krankenhäuser in der Pandemie diskutiert. Dabei stellte die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle (Foto) grundsätzliche Vorstellungen für ein solidarisches Gesundheitssystem vor:

Schon lange vor Corona waren der Fachkräftemangel in den Pflegeberufen und die notorisch unzureichende Bezahlung, gerade in der Altenpflege, ein drängendes gesellschaftliches Problem. Für viele Menschen hat aber erst in der Pandemie die Lage der Beschäftigten die Wahrnehmungsschwelle erreicht. Der Widerspruch zwischen der Bedeutung, die die Arbeit dieser Kolleginnen und Kollegen für uns alle hat, und ihrer ständigen Erfahrung von Überlastung und Unterbezahlung wurde sichtbar.

Das ist ein Problem, das weit über die Pflegeberufe hinausweist. Gerade der rasch wachsende Markt der Altenpflege ist Teil des seit Jahrzehnten propagierten Aufbaus einer „Dienstleistungsgesellschaft“.Aber diese Dienstleistungsgesellschaft wächst und wächst – ich nenne hier als Beispiel neben der Pflege nur die Versand- und Logistikbranche –, ohne dass die Beschäftigten Teil haben an den Arbeits- und Lebensbedingungen, die für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in anderen Branchen heute selbstverständlich sind: Tariflöhne, Kündigungsschutz, Mitbestimmung, Schutz vor ungeregelten Arbeitszeiten und unbezahlter Mehrarbeit und vieles mehr. Es droht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft mit einer unsichtbaren Grenze zwischen denen, die Dienste erbringen, und denen, die sie in Anspruch nehmen.

Deshalb war es der richtige Ansatz von Bundesarbeitsminister Heil, einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für Pflegeberufe anzustreben. Und es war eine bittere Enttäuschung, dass eine entsprechende Vereinbarung am Einspruch der kirchlichen Arbeitgeber scheiterte (auch wenn die Caritas gerade nicht zu den schwarzen Schafen auf dem Pflegemarkt zählt). Hier ist ein neuer Anlauf zwingend notwendig, und ich bin überzeugt: Je größer der Anteil an Trägern in der Pflege mit guten, vertraglich gesicherten Arbeitsbedingungen ist, desto mehr werden diese Anbieter im Wettbewerb um Fachkräfte die Nase vorn haben.

Damit ein solcher Wettbewerb um attraktive Arbeitsbedingungen funktioniert, müssen aber auch die Refinanzierungsmöglichkeiten stimmen. Das heißt aus meiner Sicht: Wir brauchen eine Vollkasko-Pflegeversicherung, die alle Risiken abdeckt und in die alle einzahlen, also auch Beamtinnen und Beamte, freiberuflich Tätige, Unternehmerinnen und Unternehmer und natürlich Politikerinnen und Politiker. Für dieses Prinzip der Bürgerinnen- und Bürgerversicherung sollten wir um Mehrheiten werben – natürlich auch für den Gesundheitsbereich. Denn mit einer solchen solidarischen Versicherung, in die auch die bislang privat Versicherten einzahlen, haben wir auch größere Chancen, die Refinanzierung des Gesundheitswesens wieder stärker am öffentlichen Bedarf auszurichten: zum Beispiel mit einer höheren Sockelfinanzierung für Krankenhäuser im ländlichen Raum, um die Grundversorgung in allen Regionen sicherzustellen; zum Beispiel mit einer neuen, längst überälligen Finanzierungssystematik, die es erlaubt, Einrichtungen der stationären und der ambulanten Versorgung miteinander zu kombinieren und die jeweils medizinisch notwendige Behandlungsart zu wählen; zum Beispiel mit eigenen Berechnungsgrundlagen für Behandlungen in der Kinder- und Jugendmedizin, die berücksichtigt, dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind und das System der Fallpauschalen hier nicht taugt; zum Beispiel durch die Umstellung aller Berufe im Gesundheitswesen auf eine duale, bezahlte Berufsausbildung.

Wenn wir diese systematischen Umstellungen erreichen, dann brauchen die Krankenhausträger zusätzlich Unterstützung bei den notwendigen Investitionen.

Die Pandemie hat strukturelle Probleme im Gesundheitssystem offengelegt. Wir kommen nicht drum herum, sie nach der Krise anzugehen.